29.02.2024 | Überbrückungshilfen

Das Thema Unternehmensverbund in der Schlussabrechnung

Teletax

Von RA Dennis Hillemann und RAin Tanja Ehls

Viele Bewilligungsstellen bejahen mittlerweile sehr schnell das Vorliegen eines Unternehmensverbundes – was teilweise zu immensen Rückforderungen bereits gewährter Fördersummen führt. Daher ist eine detaillierte Auseinandersetzung mit dieser Thematik im Hinblick auf die Schlussabrechnung dringend zu empfehlen. Die Autoren sehen bundesweit eine sehr harte Praxis, vor allem zu Lasten von Familien.

Die Praxis zeigt, dass die Bewilligungsstellen sehr genau prüfen, ob ein Unternehmensverbund vorliegen könnte. (Foto: © iStock.com/ronstik)

Wie bei der Antragstellung der Überbrückungshilfen gilt: Ein Unternehmensverbund muss eine Schlussabrechnung gemeinsam abgeben. Die Bewilligungsstellen ermitteln aktiv, ob ein Unternehmensverbund vorliegt. Dazu prüfen sie beispielsweise:

  • Handelsregister: Da dieses nun öffentlich kostenlos zugänglich ist und damit auch durch KI-Lösungen der großen Beratungshäuser schnell ausgelesen werden kann, erfolgt eine dezidierte Prüfung von Namen und Verbindungen der handelnden Personen/Gesellschafter – wo sind diese noch beteiligt? Wo sind sie noch Geschäftsführer?
  • Transparenzregister. Soweit eintragungspflichtige Gesellschaften vorliegen, wird dieses intensiv geprüft. Fehlen Eintragungen im Transparenzregister, obwohl das Unternehmen eintragungspflichtig ist, wird dies schnell negativ zu Lasten des Unternehmens gewertet.

Zudem sehen wir, dass die folgenden Informationen und Unterlagen geprüft werden:

  • Webseiten des Unternehmens
  • Miet- und Pachtverträge (insbesondere Prüfung dahingehend, ob Vereinbarungen zwischen Ehegatten oder Verwandten vorliegt)
  • Große Fixkostenpositionen (z.B. Beraterverträge) werden daraufhin geprüft, ob Ehegatten oder Verwandte beteiligt sind.

Welche Fälle sind besonders kritisch?

RA Dennis Hillemann
Foto: RA Dennis Hillemann
RAin Tanja Ehls
Foto: RAin Tanja Ehls

Besonders kritisch sind Fälle, bei denen Ehegatten oder Verwandte beteiligt sind. Hierüber haben die Autoren bereits in anderen Beiträgen bei STB Web berichtet, siehe beispielsweise hier. Diese Praxis hat sich verschärft. Nach unserer Wahrnehmung vertreten alle Bewilligungsstellen die Rechtsauffassung, dass familiäre Beziehungen zwischen Unternehmen „unwiderlegbar“ einen Unternehmensverbund im europarechtlichen Sinne begründen. Natürlich muss jeder Einzelfall geprüft werden, aber hier sind einige (vereinfacht dargestellte) Fälle, die wir derzeit vertreten:

  • Zwei Brüder betreiben unabhängig voneinander Hotels. Die Hotels unterhalten keine Leistungsbeziehungen und sind nicht räumlich nahe. Die IHK für München und Oberbayern nimmt „unwiderlegbar“ einen Unternehmensverbund an.
  • Brüder, Onkel, Neffen betreiben Restaurants in Hamburg, ohne nennenswerte Leistungsbeziehungen. Die IFB in Hamburg nimmt einen Unternehmensverbund an.
  • Ehemann vermietet Betriebsstätte an die GmbH seiner Ehefrau. Die Bezirksregierungen in NRW nehmen Unternehmensverbund an.

Das sind grob vereinfachte Beispielfälle, die aber einen Eindruck geben, welche Praxis bei den Bewilligungsstellen vorherrscht.

Wir halten es nicht für rechtmäßig, zwischen Verwandten oder Ehegatten stets unwiderlegbar ein gemeinsames Handeln anzunehmen. Daher empfiehlt es sich, bei Zweifelsfällen der Praxis der Bewilligungsstellen hart entgegenzutreten, gegebenenfalls mit anwaltlichem Beistand.

Aufgrund der familiären Verbundenheit bereits auf ein gemeinsames Handeln zu schließen, das sich rechtlich nachteilig auswirkt, lässt sich unseres Erachtens nicht mit Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz der Familie) und Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichbehandlung) vereinbaren, sodass die familiäre Verbindung allein nicht ausreichend ist, um ein gemeinsames Handeln anzunehmen. Zudem gibt es nun auch eine bemerkenswerte Privilegierung von Schaustellerfamilien, über die wir hier bei STB Web berichten. Diese Privilegierung der Schaustellerfamilien kann zudem eine Ungleichbehandlung nach Art. 3 I GG darstellen.

Wir haben zudem weitergehende europarechtliche und verfassungsrechtliche Argumente für unsere Mandanten ausgearbeitet. Diese beruhen auch auf internen Unterlagen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), die uns vorliegen.

Probleme in der Praxis & Lösungen

Was ist, wenn der Unternehmensverbund nicht erklärt wird, die Bewilligungsstelle aber nach dem 31.3.2024 von einem solchen ausgeht?

Erstens: Es gibt keine gesicherten Erkenntnisse darüber, wie die Bewilligungsstellen das Ganze handhaben werden. Wir können Ihnen nicht sicher sagen, was nach dem 31.3. passiert.

Zweitens: Die nachträgliche Einführung eines Unternehmensverbunds ist in Ziff. 6.4. der Schlussabrechnungen geregelt. Diese Regelungen sind indes technischer Natur. Sie regeln nicht, was gilt, wenn zunächst kein Unternehmensverbund erklärt wurde, und dann nachträglich nach dem 31. März 2024 durch die Bewilligungsstellen ein Unternehmensverbund angenommen wird.

Drittens: Konkret kann das Folgende passieren, wenn Sie keinen Unternehmensverbund erklären, die Bewilligungsstelle aber nachträglich einen Unternehmensverbund annimmt:

  • Die Bewilligungsstelle fordert zur Korrektur der Schlussabrechnung gemäß Ziff. 6.4 der FAQ zur Schlussabrechnung auf und nimmt dann entsprechend Kürzungen vor, wenn diese Korrektur wie gewünscht erfolgt (häufigste Fallkonstellation).
  • Die Bewilligungsstelle stellt sich auf den Standpunkt, dass mangels bisheriger Erklärung des Unternehmensverbundes nie formell wirksame Anträge vorlagen, und fordert ohne Weiteres alle Hilfen zurück (seltener, aber es kommt gelegentlich vor). Solche Fälle betreuen wir derzeit in Hamburg und Bayern, jeweils bei der nachträglichen Annahme eines Unternehmensverbundes zwischen Brüdern.
  • In sehr seltenen Konstellationen stellen die Bewilligungsstellen Strafanzeigen gegen die handelnden Personen (einschließlich Steuerberater) wegen Subventionsbetrugs, wenn ein Unternehmensverbund im familiären Kontext nicht offengelegt wird. Das machen nach unserer Wahrnehmung vor allem die Bezirksregierungen in NRW.

Aus unserer Sicht ist verwaltungsrechtlich maximal die erste Praxis der Bewilligungsstellen verfassungsmäßig und in Übereinstimmung mit Ziff. 6.4. der Schlussabrechnungen.

Diese Vorgehensweise empfehlen wir

Wir empfehlen regelmäßig wie folgt vorzugehen, wobei es auf die Bewertung des Einzelfalls ankommt:

  • Soweit bei Annahme eines Unternehmensverbundes keine wirtschaftlichen Nachteile entstehen, insbesondere also keine Rückforderungen, kann es sinnvoll sein, gleich gemäß Ziff. 6.4 der FAQ zu den Schlussabrechnungen einen Unternehmensverbund zu erklären - insoweit also eine konsolidierte Schlussabrechnung einzureichen. Aber Haftungsgefahr: Die Bewilligungsstellen sind wohl der Ansicht (so sehen wir es vereinzelt - ob es generell gilt, bleibt abzuwarten), dass nur Unternehmen, die bisher schon Überbrückungshilfen beantragt haben, bei der Ansetzung der Fixkosten des Unternehmensverbunds berücksichtigt werden dürfen. Unternehmen, die bisher keine Überbrückungshilfe beantragt haben, müssen in den Umsätzen berücksichtigt werden (das wird dann den coronabedingten Umsatzeinbruch mindern), aber deren Fixkosten dürfen nicht berücksichtigt werden. Das ist im Einzelnen sehr strittig. Sie müssen dies aber unbedingt beachten, wenn Sie Ihre Mandanten beraten.
  • Wenn die Annahme eines Unternehmensverbunds nachteilig ist und es rechtlich vertretbar ist, keinen Unternehmensverbund zu erklären, gehen wir wie folgt vor: Wir erstellen ein anwaltliches Gutachten, dass den Sachverhalt offenlegt und rechtlich ausführt, warum kein Unternehmensverbund gegeben ist.
  • In besonders kritischen Fällen empfehlen wir dann, mit dem anwaltlichen Gutachten (oder Begleitschreiben, vgl. hierzu Artikel bei STB Web vom 25.1.2024) eine Alternativrechnung vorzulegen, welche Zahlen sich ergeben, wenn ein Unternehmensverbund angenommen wird - zum Beispiel als Excel-Rechnung. Damit kann die Bewilligungsstelle nicht argumentieren, dass die Zahlen des Unternehmensverbunds nicht zum 31.3.2024 vorgelegen haben.

Welches Vorgehen sinnvoll ist, hängt immer vom Einzelfall ab. Nur eines ist klar: Wenn Ihre Mandanten das Thema haben, können Sie es nicht ignorieren. Zu hoffen, "es wird bei der Schlussabrechnung schon nichts passieren", erscheint keine sinnvolle Lösung.


Über die Autor*innen:

RA Dennis Hillemann RAin Tanja Ehls Dennis Hillemann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner im Verwaltungsrecht (vor allem Verwaltungsprozessrecht) im Hamburger Büro von Fieldfisher (www.fieldfisher.com). Tanja Ehls arbeitet als Rechtsanwältin im Fördermittelrecht und Verwaltungsprozessrecht im Frankfurter Büro von Fieldfisher. Sie beraten gemeinsam Unternehmen und deren Steuerberater*innen bundesweit zu Corona-Überbrückungshilfen, kennen die Praxis der Bewilligungsstellen und vertreten in zahlreichen Widerspruchs- und Klageverfahren. Zudem erstellen Sie Gutachten und begleiten die Schlussabrechnungen.