30.05.2024 | Fachartikel

Schlussabrechnung: Haftung des Steuerberaters – Grundlagen, Fälle, Vermeidung

Von RA Dennis Hillemann und RAin Tanja Ehls

Die Autoren beraten und vertreten bereits mehrere Haftungsfälle von Steuerberater*innen im Zusammenhang mit den Überbrückungshilfen und Schlussabrechnungen. Dieser Beitrag soll daher einen Überblick zu den Haftungsgrundlagen bei den Überbrückungshilfen und zu typischen Fällen in der Praxis bieten.

RA Dennis Hillemann
Foto: RA Dennis Hillemann
RAin Tanja Ehls
Foto: RAin Tanja Ehls

Einleitung

Steuerberater*innen fungieren bei der Beantragung der Überbrückungshilfen bzw. der November- und Dezemberhilfe als sog. „prüfende Dritte“ i.S.d. § 3 StBerG. Die Antragstellung war für viele Corona-Hilfen ausschließlich durch sie möglich. Die Steuerberater*in führten in diesem Rahmen eine Plausibilitätskontrolle durch. Sie prüften und bestätigten die Antragsberechtigung, den zu erwartenden Umsatzrückgang sowie die laufenden Fixkosten dem Grundsatz nach. Dabei berieten sie die Antragsteller auch bei Fragen zum Antragsverfahren und in der Schlussabrechnung. Daraus ergibt sich, dass die tägliche Praxis eines Steuerberaters von einem gewissen Haftungsrisiko geprägt ist.

Grundlagen der Haftung

Für die Haftung kommen mehrere Anspruchsgrundlagen in Betracht:

Haftung nach § 280 Abs. 1 BGB

Eine Haftung des Steuerberaters kann sich insbesondere aus einer vertraglichen Haftung gegenüber dem Mandanten ergeben. Als eine solche kommt die Haftung wegen pflichtwidriger Verletzung des Mandatsvertrags im Falle einer unzureichenden Beratung bzw. Beantragung verfügbarer Corona-Hilfen aus §§ 280, 241 Abs. 2 BGB in Betracht.

Voraussetzung für die Haftung: Der Steuerberater müsste im Rahmen des zivilrechtlichen Vertrags zwischen ihm und seinem Mandanten eine Berufspflicht schuldhaft verletzt haben, was zu einem Schaden des Mandanten geführt hat. Der Steuerberater schuldet dem Mandanten dann gemäß § 280 BGB Schadensersatz.

Eine vertragliche Haftung kommt bei Vorliegen dieser Voraussetzungen zustande:

  • Das vertragliche Schuldverhältnis liegt hier in einem zivilrechtlichen Vertrag zwischen dem Steuerberater und seinem Auftraggeber, der Mandatsvereinbarung. Diese wird bei den Überbrückungshilfen vorliegen.
  • Außerdem muss der Steuerberater auch eine Pflicht verletzt haben. Jeder Steuerberater hat bei der Ausübung seines Berufes gewisse Pflichten zu beachten. Aus der generellen Berufspflicht in § 57 StBerG ergibt sich, dass Steuerberater ihren Beruf unabhängig, eigenverantwortlich, gewissenhaft, unter Verzicht auf berufswidrige Werbung und verschwiegen ausüben müssen. Bei der Antragsstellung auf Corona-Überbrückungshilfen fungierte der Steuerberater als prüfender Dritter und steht somit für die Plausibilität und Vollständigkeit der Antragsunterlagen ein. Er hat auch eine richtige Beratung im Zusammenhang mit Fragen zum Antragsverfahren zu gewährleisten.
  • Dabei ist das Verschulden des Steuerberaters gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet, d.h. es obliegt dem Steuerberater, sein fehlendes Verschulden nachzuweisen, wenn die pflichtwidrige Handlung bewiesen ist (sog. Beweislastumkehr). Hat der Mandant aber die falschen Angaben zu verantworten, fehlt es an einer eigenständigen Pflichtverletzung des Steuerberaters.
  • Der Schaden beim Mandanten liegt regelmäßig in der Ablehnung des Antrags auf Corona-Hilfen oder der Rückzahlung der bereits erhaltenen Corona-Hilfen. Hierbei handelt es sich nämlich um unfreiwillige Vermögenseinbußen des Mandanten. Aber: Ein Schaden kann nur bestehen, wenn der Mandant auch tatsächlich einen Anspruch auf die Hilfen hatte (dazu später mehr).
  • Auch müsste der Mandant bei – hypothetischem – pflichtgemäßen Handeln höhere Fördermittel erhalten haben, also eine Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden bestehen. Ist dies nicht der Fall, scheidet eine Haftung des Steuerberaters nach §§ 280, 241 Abs. 2 BGB ebenfalls aus.

Bei einer Rückzahlung der Corona-Hilfen wegen Falschberatung durch den Steuerberater kann dieser bei Vorliegen aller obigen Voraussetzungen also zivilrechtlich gegenüber dem Mandanten wegen (fahrlässiger) Falschberatung haften.

Gut zu wissen: Für Steuerberater ist eine solche Haftung laut dem FAQ-Katalog der BStBK zu den Überbrückungshilfen (H. Ziff. 116.) aber von der Berufshaftpflichtversicherung standardmäßig versichert. Die Prüfung und Bescheinigung der Umsatzrückgänge und fixen Betriebskosten fallen unter die Risikobeschreibung.

Haftung gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264 StGB

Daneben ist durch die Angabe falscher Informationen bei der Antragstellung auch eine Haftung gegenüber staatlichen Behörden aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 264 StGB möglich (vgl. BGH, Beschl. v. 4.5.2021, Az. 6 StR 137/21):

  • § 264 StGB (Strafgesetzbuch) regelt die Strafbarkeit wegen Subventionsbetrug.
  • § 264 StGB kann als sog. „Schutzgesetz“ zur deliktischen Haftung des Steuerberaters gegenüber der Subventionsstelle in voller Höhe der unberechtigt gewährten Subventionen führen. Die Haftung kann dann nicht nur gegenüber dem Auftraggeber, sondern insbesondere auch gegenüber den staatlichen Stellen bestehen!
  • Es reicht aus, dass der Täter „über subventionserhebliche Tatsachen für sich oder einen anderen unrichtige oder unvollständige Angaben macht, die für ihn oder einen anderen vorteilhaft sind“.
  • Gemäß § 264 Abs. 5 StGB kann bereits „leichtfertiges“ Handeln eine Strafbarkeit begründen.
  • Eine Haftung des Steuerberaters ist nach Auskunft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) nur ausgeschlossen, wenn er seine Berufspflichten beachtet hat.

Gleichwohl dürfte die Sorge vor einer strafrechtlichen Verfolgung des "prüfenden Dritten" nur in den wenigsten Fällen angebracht sein. Die Rechtsprechung versteht die für § 264 StGB erforderliche Leichtfertigkeit als "vorsatznahe" Schuldform, die eine besondere Gleichgültigkeit oder grobe Unachtsamkeit voraussetzt (BGH, Beschl. v. 20.05.2010, Az. 5 StR 138/10).

Ein Strafbarkeitsrisiko kann für den prüfenden Dritten daher allenfalls dann bestehen, wenn die Angaben des Mandanten evident nicht glaubhaft waren, sich die Fehlerhaftigkeit des gestellten Antrags also geradezu aufgedrängt hat (OLG Köln, Urt. v. 09.06.1993, Az. 13 U 22/93 zur Steuerhinterziehung).

Typische Fälle und Vermeidung

Um eine Haftung zu vermeiden, stellen wir Ihnen im Folgenden typische Haftungsfälle vor, mit denen die Autoren in ihrer Praxis immer wieder zu tun haben und zeigen geeignete Vermeidungsstrategien auf.

Nachfragen und Fristen beachten

Generell gilt: Sie korrespondieren nicht mit der Finanzverwaltung. Sie sind in einem fördermittelrechtlichen Verwaltungsverfahren. Daher sind die Fristen hier „hart“: Die Nichteinhaltung durch die Bewilligungsstellen gesetzter Fristen, insbesondere in den Schlussabrechnungsverfahren, wertet die Rechtsprechung hart gegen Steuerberater*innen und die Mandanten.

Da die Bewilligungsstellen oft enge Fristen setzen, sollten Sie schnell Fristverlängerungen im Portal beantragen. Bei drohendem hohem Schaden empfehlen die Autoren, eine Fristverlängerung gegebenenfalls vorsorglich auch noch per Telefax beantragt werden.

Noch enger ist es bei Rechtsbehelfsfristen (Widerspruch oder Klage). Bei ablehnenden Bescheiden bzw. Rücknahmebescheiden beträgt die Frist für den Rechtsbehelf idR nur einen Monat seit Zugang. Ein Zugang bei Ihnen wird dem Antragsteller zu 100% zugerechnet. Das gilt für die Nachragen im Portal genauso wie für Bescheide. Informieren Sie Ihren Mandanten daher über alle Nachrichten ebenfalls unverzüglich.

Wichtig: Wenn Sie versäumen, etwas abzurufen, dann droht Ihren Mandanten ein hoher Schaden – für den Sie in Haftung genommen werden können. Sie müssen daher alle Nachrichten abrufen. Wenn Sie zum Abruf von Nachrichten im Portal verhindert sind und Ihnen ein Abrufen nicht möglich ist, sorgen Sie für Vertretung.

Sollten Sie eine Frist versäumt haben, holen Sie die Handlung sofort nach und laden sie angeforderte Unterlagen sofort hoch. Beantragen Sie im Zweifel vorsorglich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legen Sie den Grund für das Versäumnis dar. Weisen Sie auch darauf hin, dass aus Ihrer Sicht die Fristsetzung ohnehin durch die Nachholung der Handlung irrelevant ist und der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand daher höchst vorsorglich erfolgte. Bei Rechtsbehelfsfristen sind die Anforderungen hier allerdings höher – kontaktieren Sie dann einen Rechtsanwalt.

Wenn Unterlagen eines Unternehmens (z.B. Gesellschaftsvertrag) angefordert werden, auf die der Mandant realistisch keinen Zugriff hat, ist das zu erklären. Rechtlich Unmögliches kann von den Unternehmen nicht verlangt werden.

Vorsicht: Unternehmen, die „zu stark verweigern“, geraten schnell in den Verdacht, etwas zu verbergen!

Keine falschen Angaben oder "Angaben ins Blaue hinein"

Treffen Sie als Steuerberater*in falsche Angaben, kann dadurch die Förderung entfallen oder eine Rückforderung beschieden werden. Zudem droht dann ein Verfahren wegen Subventionsbetrug. Das gilt nicht nur für bewusst falsche Angaben, sondern auch für grob fahrlässige Angaben "ins Blaue hinein", also zu Umständen, von denen Sie keine sichere Kenntnis haben, aber es so darstellen, als hätten Sie diese.

Unser Tipp: Die Angabe falscher Tatsachen kann durch das 4-Augen-Prinzip verhindert werden. Holen Sie sich vor dem Beantworten der Rückfragen und dem Einreichen von Unterlagen die Freigabe durch den Mandanten ein, soweit dies möglich ist, und binden Sie bei komplexen Fragen einen Kollegen oder Rechtsanwalt ein. Wenn Fehler nachträglich erkannt werden sollten, korrigieren Sie diese unverzüglich gegenüber der Bewilligungsstelle.

Rückforderungsbescheide weiterleiten

Sollten Sie einen Rückforderungsbescheid erhalten, leiten Sie diesen unverzüglich dem Mandanten weiter.

Bei Rückforderungs- oder Ablehnungsbescheiden ist Vorsicht geboten, da innerhalb eines Monats nach Zustellung Klage zu erheben ist (§ 74 VwGO) bzw. Widerspruch.

Das bedeutet: Werden diese Fristen versäumt, ist ein Vorgehen gegen den Bescheid nicht mehr möglich! Er entfaltet dann Bestandskraft!

Komplexe Rechtsfragen besser nicht selbst beantworten

Wenn Sie als Steuerberater*in komplexe Rechtsfragen, beispielsweise zum Thema Unternehmensverbund, ohne die notwendige Fachkenntnis selbst beantworten oder eine Beantwortung wegen fehlender Personalkapazitäten viel zu kurz und oberflächlich ausfällt, kann dies ein erhebliches Haftungsrisiko für Sie mit sich bringen.
Wir empfehlen daher: Raten Sie Ihren Mandanten lieber dazu, sich anwaltlichen Rat einzuholen. Dadurch können Sie entlastet und eine Haftung vermieden werden. Sie sind als prüfender Dritter gegenüber dem Auftraggeber nicht verpflichtet, diesen treffende komplexe Rechtsfragen selbst zu lösen.

Achtung bei Widerspruch und Klageerhebung

Bei Einlegung eines Widerspruchs oder Erhebung einer Klage durch den Steuerberater selbst, sind einige Formalitäten zu beachten. Insbesondere im Rahmen der Klageerhebung können die Formvorschriften von denen eines finanzgerichtlichen Verfahrens abweichen.

So lehnte beispielsweise der Bayerische Verwaltungsgerichtshof eine Beschwerde wegen Nichteinhaltung der Form-vorschriften durch den Steuerberater bei elektronischer Übermittlung von Schriftsätzen als unzulässig ab (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 17. Juli 2023 – 22 CS 23.1040).

Außerdem sollten Steuerberater*innen Folgendes ebenfalls bedenken:

Wenn Sie als Steuerberater auch im Widerspruchs- und Klageverfahren auftreten, steigen Ihre Haftungsgefahren. Sie übernehmen dann nämlich eine Doppelfunktion, als prüfender Dritter und als Verfahrensbevollmächtigter.

Wenn prüfende Dritte selbst Klage erheben, können sie nicht als sachverständige Zeugen im Verfahren auftreten, weil sie schon Prozessbevollmächtigte sind. Damit schaden Sie dem Mandanten bei der Frage der Beweismittel.

Daher der Rat für Steuerberater*innen: Lassen Sie Ihren Mandanten anwaltlichen Rat einzuholen.

Abschließend gilt also: Wahren Sie eine emotionale Distanz zum Mandanten. Weisen Sie Ihren Mandanten schriftlich auf Folgen falscher Angaben hin. Holen Sie sich im Zweifel Rechtsrat ein.

Überbrückungshilfe-Netzwerk

Die Autoren laden Sie ein, "Überbrückungshilfe - Das Netzwerk" beizutreten, eine kostenlose Plattform, die von Rechtsanwalt Dennis Hillemann für einen bundesweiten Austausch über Überbrückungshilfen, Widerspruchs- und Klageverfahren gegründet wurde. Schließen Sie sich dem Netzwerk mit rund 1.000 Steuerberater*innen an unter

www.überbrückungshilfe-netzwerk.de

und nutzen Sie die Möglichkeit, aktuelle Rechtsfragen zu diskutieren und von den Erfahrungen anderer zu profitieren!


Über die Autor*innen:

RA Dennis Hillemann RAin Tanja Ehls Dennis Hillemann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner im Verwaltungsrecht (vor allem Verwaltungsprozessrecht) im Hamburger Büro von Fieldfisher (www.fieldfisher.com). Tanja Ehls arbeitet als Rechtsanwältin im Fördermittelrecht und Verwaltungsprozessrecht im Frankfurter Büro von Fieldfisher. Sie beraten gemeinsam Unternehmen und deren Steuerberater*innen bundesweit zu Corona-Überbrückungshilfen, kennen die Praxis der Bewilligungsstellen und vertreten in zahlreichen Widerspruchs- und Klageverfahren. Zudem erstellen Sie Gutachten und begleiten die Schlussabrechnungen.