21.03.2024 | Überbrückungshilfen
Von RA Dennis Hillemann und RAin Tanja Ehls
Wer als Einzelunternehmer eine Schlussabrechnung für Überbrückungshilfen über seine prüfenden Dritten eingereicht hat, erlebt derzeit böse Überraschungen: Unternehmer mit mehreren Firmen drohen derzeit hohe Rückforderungen, wenn sie mehrere Unternehmen haben. Woran liegt das, und wie können sich Unternehmer dagegen wehren?
Das Problem soll an einem einfachen Fall als Ausgangspunkt erklärt werden:
A ist Einzelunternehmer. Er betreibt ein Reisebüro und einen Online-Shop für Kosmetikartikel. In der Corona-Pandemie erlebte das Reisebüro hohe Verluste, während der Online-Handel weiter lief und florierte. Die Firmen werden von A unter verschiedenen Adressen und mit verschiedenen Namen betrieben und laufen mit Ausnahme weniger Überschneidungen völlig unabhängig voneinander. Der prüfende Dritte hat für das Reisebüro Überbrückungshilfen beantragt, die auch gewährt worden sind. Würden beide Unternehmungen zusammengerechnet, drohen A hohe Rückforderungen, weil in einer Gesamtschau für A kein zur Antragsberechtigung berechtigender Umsatzeinbruch vorlag.
Viele prüfende Dritte haben für Einzelunternehmer mit mehreren Firmen jeweils gesonderte Anträge, pro Firma, gestellt und oftmals auch bewilligt bekommen. So wird auch für unser Beispiel der prüfende Dritte des A verfahren haben: Er wird das Reisebüro als eigenständiges Unternehmen identifiziert haben und daher nur für dieses Hilfen beantragt haben.
Doch warum ging der Steuerberater so vor? Für verbundene Unternehmen gelten nach Ziffer 5.2 FAQ besondere Regelungen für die Förderung über die Überbrückungshilfe. Unter anderem dürfen verbundene Unternehmen nur einen gemeinsamen Antrag für alle verbundenen Unternehmen stellen.
Welche Unternehmen als verbundene Unternehmen gelten, richtet sich gemäß Ziffer 5.2 FAQ nach der EU-Definition aus Anhang I Artikel 3 Absatz 3 VO (EU) Nr. 651/2014 (EU-Definition). Verbundene Unternehmen sind nach der EU-Definition Unternehmen, die zueinander in einer dort aufgeführten Beziehung stehen. Dies umfasst die Weisungsbefugnis eines Unternehmens über ein anderes aufgrund der mehrheitlichen Inhaberschaft der Stimmrechte, der Berechtigung, Verwaltungs- oder Aufsichtsgremien zu bestellen oder aufgrund eines Vertrags. Wichtig ist, dass das eine Unternehmen auf das andere Unternehmen beherrschenden Einfluss ausüben kann.
Darüber hinaus gelten Unternehmen, die durch eine natürliche Person oder eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen miteinander in einer dieser aufgezählten Beziehungen stehen, gleichermaßen als verbundene Unternehmen, sofern diese Unternehmen ganz oder teilweise auf demselben Markt oder auf benachbarten Märkten tätig sind (Unterabschnitt 4 von Anhang I Art. 3 Abs. 3 VO (EU) NR 651/2014).
In der Vergangenheit haben viele Steuerberater dies, auch mit Hinblick auf die FAQ zu den Überbrückungshilfen und den dort genannten Beispielen, wie folgt verstanden:
Diese Praxis war aus Sicht der Autoren bundesweit üblich.
Das BMWK hat jedoch eine Klarstellung mit den Bewilligungsstellen geteilt, dass das BMWK davon Abstand nimmt, nur dann einen Unternehmensverbund anzunehmen, wenn die einzelnen Firmen auch auf dem gleichen bzw. benachbarten Markt tätig sind. Mit anderen Worten liegt für das BMWK ein Unternehmensverbund auch dann vor, wenn die einzelnen Firmen durch eine natürliche Person verbunden sind – auf das Erfordernis eines gemeinsamen oder benachbarten Markts kommt es nicht mehr an. Das BMWK behandelt die Situation streng genommen nicht als "Unternehmensverbund", sondern als "ein Unternehmen", weil der gleiche Rechtsträger das Unternehmen führt.
Die Auswirkungen zeigen sich in unserem Beispiel:
Wir haben in den letzten Wochen beide Fälle gesehen und sowohl Stellungnahmen erstellt, die Schlussabrechnungen begleiten, als auch solche, die in laufenden Schlussabrechnungen nach Rückfragen der Bewilligungsstellen eingereicht worden sind.
Das Regierungspräsidium Gießen in Hessen beispielsweise schreibt offen, dass die frühere Rechtsansicht, ein Einzelunternehmer mit mehreren Firmen könne auch mehrere Anträge stellen, wenn die Unternehmen nicht auf dem gleichen Markt tätig sind, aufgegeben worden ist. Es verändert also nachträglich offen seine Praxis. Für viele überraschend und erschütternd.
Für die Antragsteller und prüfenden Dritten ist das eine schwierige Situation. War es von vornherein falsch, einzelne Anträge zu stellen? Kann das Bundeswirtschaftsministerium die Spielregeln einfach ändern?
1. Die EU-beihilferechtliche Lage
Die FAQ verweisen auf die EU-Definition des Unternehmensverbunds. Diese lautet in dem oben genannten Unterabschnitt 4:
"Unternehmen, die durch eine natürliche Person oder eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen miteinander in einer dieser Beziehungen stehen, gelten gleichermaßen als verbundene Unternehmen, sofern diese Unternehmen ganz oder teilweise auf demselben Markt oder auf benachbarten Märkten tätig sind."
Diese Definition kann durchaus so verstanden werden, dass eine natürliche Person mit zwei Firmen nur dann einen Unternehmensverbund bildet, wenn die Firmen auf dem gleichen oder einem benachbarten Markt tätig sind. Das wäre eine Auslegung streng am Wortlaut.
Es gibt dazu aber keine abschließende Meinung der EU-Kommission, erst recht keine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs.
2. Die Lage nach den FAQ
Passen die neuen Klarstellungen des BMWK zu den FAQ?
Ziff. 5.2 FAQ stellt zum einen fest, dass sich die Definition der verbundenen Unternehmen nach der EU-Definition richtet. Zum anderen schreibt das BMWK in Ziff. 5.2 FAQ selbst klarstellend, dass "auch mehrere Unternehmen, die derselben natürlichen Person […] gehören, […] verbundene Unternehmen [sind], sofern sie ganz oder teilweise in demselben Markt oder in sachlich benachbarten Märkten tätig sind". Das Wort "sofern" leitet einen hypothetischen Satz ein, mit dem markiert wird, dass der vorgehende Satzteil unter der Bedingung des nachfolgenden Satzteils steht.
Wenn das BMWK an der Klarstellung festhalten soll, wendet es sich darüber hinaus vom Wortlaut der EU-Definition ab, der Wortgleich von "[…] sofern diese Unternehmen ganz oder teilweise auf demselben Markt oder auf benachbarten Märkten tätig sind" spricht.
Wichtig ist jedoch, dass die Bewilligungsstellen der Ansicht sind, dass sie gar keinen Widerspruch erkennen können. Es sei immer klar gewesen, dass ein Einzelunternehmer mit mehreren Firmen einen Unternehmensverbund begründe. Dazu passt dann aber nicht, dass das Regierungspräsidium Gießen offen zugibt, die frühere Ansicht aufzugeben.
Bei Antragstellern, bei denen die Zusammenrechnung der Unternehmungen nicht zu einer Rückforderung führt, ist ein rechtliches Vorgehen natürlich nicht sinnvoll. Ebenso sollte das Risiko wohl nicht gesucht werden, wenn die Rückforderung vergleichsweise gering ist.
Doch was gilt in anderen Fällen?
Die Autoren laden Sie ein, "Überbrückungshilfe - Das Netzwerk" beizutreten, eine kostenlose Plattform, die von Rechtsanwalt Dennis Hillemann für einen bundesweiten Austausch über Überbrückungshilfen, Widerspruchs- und Klageverfahren gegründet wurde. Schließen Sie sich dem Netzwerk mit rund 1.000 Steuerberater*innen an unter
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Über die Autor*innen:
Dennis Hillemann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner im Verwaltungsrecht (vor allem Verwaltungsprozessrecht) im Hamburger Büro von Fieldfisher (www.fieldfisher.com). Tanja Ehls arbeitet als Rechtsanwältin im Fördermittelrecht und Verwaltungsprozessrecht im Frankfurter Büro von Fieldfisher. Sie beraten gemeinsam Unternehmen und deren Steuerberater*innen bundesweit zu Corona-Überbrückungshilfen, kennen die Praxis der Bewilligungsstellen und vertreten in zahlreichen Widerspruchs- und Klageverfahren. Zudem erstellen Sie Gutachten und begleiten die Schlussabrechnungen.
Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 21.03.2024, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.