26.04.2017 | Kanzleimanagement
Teil 2 unserer Serie: "Die größten Herausforderungen für Steuerberater bis 2019"
Von Alexandra Buba *
Wertschöpfungsnetzwerke sollen Steuerberater künftig mit Hilfe von Technik bilden. Hinter dem griffigen Consulting-Schlagwort steckt die zentrale Frage, wie Steuerberater die digitale Verbindung zum Mandanten hinbekommen. Doch muss diese schon in den kommenden zwei oder drei Jahren perfekt hergestellt werden?
„Digitalisierung sorgt für mehr Wohlstand und Wachstum“ - das schreibt der IT-Branchenverband Bitkom ganz nüchtern und bezieht sich dabei auf eine Befragung unter Verbrauchern. Auch viele Steuerberater dürften sich wohl ohne zu zögern dieser Aussage anschließen. Doch was heißt das für die eigene Praxis? Welche Rolle spielt der Fortschrittsoptimismus für die Strategie der kommenden zwei oder drei Jahre? Welche technologischen Weichenstellungen sind heute die richtigen? Hat man am Ende schon etwas verpasst? Das können vermutlich wesentlich weniger Berater eindeutig für sich beantworten.
Kritik an den Softwareherstellern
Die Antwort darauf, wo heute neu gedacht, reorganisiert und vor allem investiert werden muss, hängt nicht zuletzt von der wirtschaftlichen Perspektive ab. „Ich denke nicht, dass eine Steuerkanzlei mit langjährigem Vertrauen der Mandanten gleich vom Markt verschwindet, nur weil sie nicht als erste eine revolutionäre Software einsetzt. Deutlich wahrscheinlicher ist es, dass der Softwarehersteller vom Markt verschwindet, wenn er nicht derjenige ist, der diese bieten kann“, schreibt beispielsweise Kanzleiberater Martin Schwarzensteiner. Er hat jüngst in einem offenen Brief die Softwarehersteller dafür kritisiert, dass sie den Steuerberater permanent suggerierten, sie würden den Anschluss verpassen.
Ist dem tatsächlich so? Hinken die Steuerberater ihren Mandanten hinterher? Sind sie Getriebene einer auf Digitalisierung getrimmten Wirtschaft? Vermutlich nicht, auch wenn einzelne Mandate vielleicht digitale Prozesse einfordern. Wer auf die Gesamtwirtschaft blickt, stellt fest, dass die Mehrzahl der Mandanten noch weit von einer vollständig digitalen Arbeitsweise entfernt ist. So vermeldete das Statistische Bundesamt zuletzt, dass im Jahr 2016 nur 17 Prozent der Unternehmen in Deutschland mit mindestens 10 Beschäftigten kostenpflichtige IT-Dienste über Cloud Computing nutzten. Kleinere Unternehmen dürften dies noch weitaus seltener tun.
Papier bleibt Favorit der Unternehmen
Tatsächlich läuft in drei Viertel der deutschen Unternehmen mindestens die Hälfte aller Prozesse auf Papier ab, egal ob es um Bestelllisten, Materialscheine, Stundenzettel oder Rechnungen geht. Ein Fünftel der Unternehmen verzichtet sogar komplett auf digitale Prozesse und setzt ausschließlich auf Papierdokumente. Diese Zahlen stammen vom Bitkom. Ein tieferer Blick in die Studie zeigt, dass die Unternehmen auf einen sukzessiven, evolutionären Wandel setzen: Es sind die neueren Papierakten, die knapp die Hälfte der Unternehmen teilweise digitalisiert hat.
Auch der Blick auf Privatmandate legt nahe: Die Digitalisierung kommt eher schleppend voran. So bleibt der im Jahr 2010 eingeführte Personalausweis mit eID-Funktion, die es sowohl den Ausweisinhabern als auch Behörden und Unternehmen erlaubt, die jeweilige Gegenseite sicher zu identifizieren, hinter den Erwartungen zurück. Die Nutzung der eID-Funktion ist laut Bundesregierung bislang nicht der Normalfall, bei zwei Drittel der rund 51 Millionen ausgegebenen Ausweise/eAT ist die eID-Funktion deaktiviert. Auch Unternehmen und Behörden implementierten sie bislang nur zögerlich in ihre Geschäftsabläufe.
Steuerberater sind den Unternehmen voraus
Gemessen an diesen Befunden können Steuerberater eher als Vorreiter denn als Verhinderer des Fortschritts gelten. Verlässliche Zahlen zum Stand der Digitalisierung in der Branche sind zwar rar und beziehen sich immer nur auf einzelne Segmente. Einen Trend geben sie dennoch an, etwa die jüngsten Nutzerzahlen, die die Datev bezüglich der Unternehmen veröffentlichte, die das digitale Belegbuchen nutzen: Momentan, gibt die Datev an, seien es rund 13.000 Kanzleien, die mit etwa 160.000 Mandanten via Unternehmen online zusammenarbeiten. Die eine Hälfte der Mandanten nutze dabei ausschließlich die Funktion des Online-Belegarchivs, die andere darüber hinaus auch die weiteren Anwendungen des Pakets.
Vergleicht man diese Zahl mit der Gesamtzahl der deutschen Unternehmen, buchen gerade einmal magere zwei Prozent der deutschen Unternehmen heute digital mit Datev, die bei Steuerberatern über einen Marktanteil von rund 80 Prozent verfügt. Das zeigt, dass Steuerberater zwar Möglichkeiten zur digitalen Zusammenarbeit bieten, diese aber von den Mandanten nicht in entsprechender Weise genutzt werden.
Im Schnitt arbeitet erst ein Dutzend Mandanten digital
Dieses Phänomen zeigt sich im Übrigen nicht nur bei Datev. Wettbewerber Addison brachte im Sommer 2015 seine Lösung Addison OneClick auf den Markt. Seither entwickele sich der Trend zur Nutzung von Cloud-Technologie bei den Kunden mit einer starken Dynamik, so das Unternehmen. Derzeit nutzten über 6.000 Steuerberaterkunden den Addison OneClick-Datenservice, um darüber ihre Meldungen an Finanzverwaltung, Sozialversicherungen und andere Institutionen abzuwickeln.
Über 2.000 Steuerberater nutzten zudem das Portal für die Online-Collaboration mit rund 22.000 Firmenmandanten mit Apps wie unter anderem für Up- und Download von Dokumenten und Auswertungen, GoBD-zertifizierte Kassenbuchführung oder mobiles Scannen zur Erfassung der Eingangsrechnungen und anschließende Bezahlung mit dem integrierten Online-Banking.
Dabei gilt auch für Addison-Kanzleien: Selbst wenn die Steuerberater den neuen Technologien aufgeschlossen gegenüberstehen – die Mandanten tun es ihnen in der Breite nicht gleich und honorieren den Einsatz daher vermutlich auch nicht.
Digitalisierung kommt sicher – später
Das lässt letztlich nur den Schluss zu, dass es im Hinblick auf die Herausforderungen im Rahmen der IT-Organisation der Kanzlei in den kommenden Jahren nicht darum gehen kann, möglichst schnell zu handeln. Deutlich sinnvoller als heute viele Einzelaspekte der Digitalisierung zu lösen, kann es für die einzelne Kanzlei daher sein, auf integriertere Lösungen und bereitwilligere Mandanten zu warten.
Demnach mag die Digitalisierung tatsächlich für mehr Wachstum und Wohlstand sorgen – die Frage ist nur, wann und für wen.
* Autorin:
Alexandra Buba ist freie Journalistin und spezialisiert auf die Themen der Steuerberatungsbranche. Ihr besonderer Schwerpunkt sind Management- und IT-Themen (www.medientext.com). Sie schreibt regelmäßig für die STB Web-Redaktion.
Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 26.04.2017, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.