21.03.2024 | Kanzleimanagement
Von Zach Davis, Simple First Consulting GmbH
In diesem Beitrag geht es um Fehler, die der Autor in den Kanzleien immer wieder sieht. Teilweise sind es Kleinigkeiten, deren Auswirkung schwer messbar ist. Teilweise sind es Kleinigkeiten, die viel Geld kosten. Manchmal handelt es sich auch schlichtweg um ausgelassene Chancen. Tauchen wir ein in die Fehler bei der Rekrutierung, im Umgang mit Mitarbeitern und in Bezug auf Systeme.
Wenn man händeringend Verstärkung braucht, ist die Versuchung groß, jemanden einzustellen, der eigentlich nicht passt. Ich kenne dutzende Beispiele, bei denen sich Entscheider nach einiger Zeit eingestehen mussten, dass sie bestimmte Anzeichen nicht hätten ignorieren dürfen. Wenn ein Kandidat beispielsweise bei den letzten drei Stellen eine Verweildauer von weniger als 18 Monaten hatte (und es hierfür keine guten Gründe, wie etwa einen Umzug, gibt), hat dies mit hoher Wahrscheinlichkeit Ursachen in der Person selbst.
Selbstverständlich ist es hierbei sehr hilfreich, wenn man sich um neue Mitarbeiter kümmert, bevor man Bedarf hat, um dann eine größere Auswahl zu haben. Dies bietet zum Beispiel die Möglichkeit, einen einfachen Persönlichkeitstest zu machen, um zu prüfen, ob die Stelle und die Person überhaupt zusammenpassen. Empfehlen würde ich auch unbedingt, mit dem Kandidaten zumindest ein kurzes Telefonat zu führen. Wie sonst soll man beurteilen können, wie die Person am Telefon wirkt – denn dies ist genau dann wichtig, wenn es zur Aufgabe der Person gehören wird, mit anderen Menschen telefonisch zu sprechen.
Zudem ist das Involvieren mehrerer Personen – auch außerhalb der Kanzleileitung – in den Rekrutierungsprozess zu empfehlen. So könnten zum Beispiel zwei Mitarbeiter jeweils eine halbe Stunde mit dem Kandidaten sprechen und hierbei über ein paar fachliche Punkte. Dies kann auch im Rahmen eines Probetags geschehen, den man auch einen Kennenlerntag nennen kann.
Wenn Sie die obigen Punkte beherzigen, liegt die Wahrscheinlichkeit eines Auswahlfehlers zwar nicht bei null, jedoch deutlich niedriger.
Vor allem gute Kandidaten haben in der Regel mehrere Optionen. Oft wählt eine Person aus einem größeren Kreis an potenziellen Kanzleien drei aus, bei denen sie sich bewirbt. Es ist dann keine Seltenheit, dass alle drei Kanzleien den Kandidaten für sich gewinnen wollen. Hierbei ist der zweite Platz leider kein brauchbares Ergebnis. Neben ein paar wenigen, meist unveränderlichen Faktoren, wie etwa der Entfernung zum Wohnort, gibt vor allem das Folgende den Ausschlag: Bei welcher Kanzlei werden die Motive des Kandidaten – in dessen Wahrnehmung – am besten bedient?
Hierbei ist es von unschätzbarem Vorteil, die Motive der Person zu verstehen. Es gibt allerdings ein kleines, aber entscheidendes Problem: Der Kandidat berichtet hierüber nicht immer offen. Dies kann daran liegen, dass es unangenehm ist, über (wahrgenommene) Missstände zu berichten. Hier empfehle ich das "magische Fragenpaar":
Stellen Sie der Person zunächst die Frage, was ihr aktuell besonders gut gefällt. Darüber berichten die meisten Menschen in der Regel gerne. Das schafft auch eine angenehme Gesprächsatmosphäre. Wenn Sie das Gesagte in empathischer Form in eigenen Worten wiedergeben, suggerieren Sie hiermit, dass Sie diese Werte teilen. Dabei entsteht im Kopf des Gegenübers oft der Eindruck, dass dieser diese auch bei Ihnen vorfinden wird.
Weiter fragen Sie nicht danach, was im Argen liegt beziehungsweise nicht gut ist. Fragen Sie lieber, was es noch besser machen könnte. Diese Frage wirkt meistens wie "Sesam öffne Dich". Kandidaten beschreiben, was sie sich wünschen und aktuell nicht so vorfinden, wie sie es sich aber vorstellen. Auch hier können Sie zum Ausdruck bringen, dass Sie dies gut verstehen. Sollte das etwas sein, das Sie nicht bedienen können, soll natürlich nichts vorgegaukelt werden. Wenn es hingegen etwas ist, dass Sie gut bedienen können, können Sie dies auf eine elegante Weise zum Ausdruck bringen.
Der Wunsch der Zusammenarbeit und auch die wesentlichen Eckdaten wurden mündlich bereits besprochen. Diese geben Sie nun in einem Vertrag wieder und senden diesen zu. So weit, so gut. Häufig kommt dann ein Änderungswunsch seitens des Kandidaten. Oft handelt es sich um harmlose Kleinigkeiten. Manchmal gibt es eine plötzliche Nachverhandlung oder anderweitige Forderungen. Dies kommt – nachdem der Vertrag per E-Mail geschickt wurde – meistens ebenfalls per E-Mail.
An dieser Stelle wird häufig der Wechsel zu einer persönlichen Kommunikation verpasst. Oft lässt sich mündlich viel besser verstehen, was der Person wirklich wichtig ist und eine Lösung finden. Man kann nachfragen. Man kann die Absicht dahinter besser verstehen. Denn: Es ist keiner (Partner, Eltern, Kinder, Bekannte) im Hintergrund und sagt "schau, was Du noch rausholen kannst".
Laden Sie die Person nochmal zu einem persönlichen Gespräch ein. Wenn das nicht geht, sprechen Sie zumindest per Telefon oder Video miteinander. Oft lassen sich die Themen dann leicht lösen. Eine Kandidatin forderte schriftlich "unbegrenzt Home-Office". Dabei ging es ihr um eine flexible Nutzung des Home-Office, wenn ihr Kind krank ist. Ein potenzieller Mitarbeiter verlangte 8 Wochen Urlaub. Es stellte sich heraus, dass er in den Sommermonaten 4 Wochen im Ausland sein möchte und hier nicht einmal komplett Urlaub haben will, sondern sich ein "Workation" vorstellt.
Vom Zeitpunkt der Vertragsunterschrift bis zum ersten tatsächlichen Arbeitstag vergeht eine gewisse Zeit. In der Regel sind es zumindest mehrere Wochen. Oft sind es mehrere Monate. In dieser Zeit geht das Leben auf beiden Seiten weiter. Für den neuen Mitarbeiter ist dies eine Zeit der Veränderung, die oft Unsicherheit, zumindest aber Fragezeichen mit sich bringt. In dieser Phase wird seitens des neuen Arbeitgebers meisten nicht viel unternommen, abgesehen von ein paar Absprachen auf praktischer Ebene. Wie wäre es, wenn in dieser Zeit aus Unsicherheit und Fragezeichen eine Begeisterung entsteht? Das ist gar nicht so schwer…
Hier ein paar Anregungen: Schauen Sie nochmal in den Vertrag und notieren Sie den Geburtstag im Geburtstagskalender – so geht dieser nicht unter. Wie wäre es, wenn der neue Mitarbeiter eine Karte bekommt, die wahlweise nur von der Kanzleileitung oder vom gesamten Team unterschrieben ist und ihn willkommen heißt. Wenn Sie etwas von einem Interessensgebiet der Person erfahren haben oder im Internet (v.a. Social Media) sichtbar ist, schicken Sie ein Buch zu diesem Thema. Machen Sie ein Foto vom neu eingerichteten Arbeitsplatz und digitalen Zugängen. Laden Sie zum Abendessen ein – sei es im kleinen Kreis oder mit dem gesamten Team. Der Mentor der Person schickt ein kurzes Handyvideo mit einer netten Botschaft. Es ist schon passiert, dass ein neuer Mitarbeiter so begeistert von der neuen Kanzlei erzählt hat, dass sich weitere Personen aus dessen Umfeld ebenfalls – unaufgefordert – beworben haben.
Lesen Sie im kommenden Teil 2 weitere typische Fehler, die teuer sein können, sich jedoch oft mit wenig Aufwand im Vorfeld vermeiden lassen.
Gerne können unsere Erkenntnisse zur Vermeidung von Auswahlfehlern abrufen. Eine Ressource zur optimalen Nutzung der Zeit vor dem ersten Arbeitstag.
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Zur Person:
Zach Davis ist Experte für Kapazitätsengpässe, Zeitintelligenz und Mitarbeitergewinnung, Vortragsredner des Jahres 2011, erfolgreicher Speaker und Berater. Als Coach unterstützt er Steuerkanzleien dabei, mehr Mitarbeiter zu gewinnen, sowie produktiver und profitabler zu werden. Er ist Mitgründer und Geschäftsführer der Simple First Consulting GmbH (www.simple-first.de)
Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 21.03.2024, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.