29.02.2024 | Kanzleimanagement
Von Silvia Weinzierl, Steuerexpertin bei Wolters Kluwer
Die Einsatzmöglichkeiten von KI in der Steuerberatung versprechen nicht nur Effizienzsteigerungen, sondern auch eine präzisere und schnellere Bearbeitung von steuerlichen Angelegenheiten. Die Autorin stellt die praktischen Einsatzfelder für die Branche vor und gibt einen Ausblick über Möglichkeiten und Grenzen.
Large Language Models wie ChatGPT haben mittlerweile nicht nur beeindruckende sprachliche Fähigkeiten, sondern auch nutzbringendes fachliches Niveau erreicht. Sie haben sich zu leistungsstarken Instrumenten entwickelt, die den Kanzleialltag bereichern. Software auf textbasierter, künstlicher Intelligenz hat bereits Prüfungen in den USA bestanden und zeigt auch im deutschen Steuerrecht vielversprechende Ergebnisse, wie Taxy.io erfolgreich demonstriert. Nachfolgend blicken wir auf die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von KI in der Steuerberatung und geben einen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung.
Traditionell sind Steuerberaterinnen und Steuerberater für die Analyse komplexer rechtlicher Bestimmungen und die Erstellung von Steuererklärungen, Jahresabschlüssen etc. verantwortlich. Hier setzt die KI an: Algorithmen können große Mengen an Daten in kürzester Zeit durchforsten und dabei Muster und Zusammenhänge erkennen, die für den Menschen schwer zugänglich sind. Dies ermöglicht eine schnellere Identifikation steuerlicher Optimierungsmöglichkeiten und trägt somit zu einer effektiveren Beratung bei.
Ein Beispiel hierfür sind automatisierte Buchführungssysteme, die Belege eigenständig analysieren und verbuchungsfähige Informationen extrahieren können. Dadurch wird nicht nur der Arbeitsaufwand reduziert, sondern auch das Risiko von menschlichen Fehlern minimiert.
Künstliche Intelligenz wie beispielsweise ChatGPT, fungiert als idealer Ghostwriter, der die Erstellung von Texten für unterschiedliche Kommunikationskanäle unterstützt. Ob E-Mails, Briefe oder Mandantenschreiben – die KI liefert Entwürfe, die teilweise direkt oder für zukünftige Vorlagen verwendet werden können. Die Tonalität der Texte lässt sich durch die Verwendung von Adjektiven gezielt beeinflussen. Für die Außendarstellung hilft ChatGPT bei der Erstellung klarer und interessanter Botschaften etwas für Social-Media-Posts oder Blog-Beiträge. Die KI sorgt für leicht verständliche Inhalte, die die Leistungen der Kanzlei effektiv kommunizieren.
Dank der Fähigkeit von textbasierter KI, komplexe Texte zu analysieren und zu strukturieren, eignet sie sich hervorragend zur Zusammenfassung von Gesetzestexten, BMF-Schreiben oder BFH-Urteilen. Browsing-Funktionen ermöglichen den Zugriff auf aktuelle Informationen, während Bilderanalyse und Datenanalyse die Verarbeitung von visuellen und numerischen Informationen optimieren. Steuerberatende können KI-Softwareprogramme für eine Analyse von Verträgen, Jahresabschlüssen oder anderen Dokumenten nutzen, um zeitaufwändige manuelle Analysen zu minimieren. Zukünftig könnte die KI relevante Informationen gezielt extrahieren und zusammenfassen.
KI-Softwareprogramme dienen Steuerberaterinnen und Steuerberatern als intelligentes Recherchetool, um aktuelle Informationen zu Gesetzesänderungen, BMF-Schreiben oder BFH-Urteilen abzurufen. Durch Browsing-Funktionen kann auf Echtzeitdaten im Internet zugegriffen werden, was die Aktualität der Informationen gewährleistet. Mit Hilfe der KI könnten zum Beispiel auch interaktive Schulungen kreiert werden, um Fachwissen zu erlangen und weiterzugeben. Steuerkanzleien haben die Möglichkeit, selbstständig KI-basierte Schulungsprogramme zu entwickeln und ihre Mitarbeitenden damit kontinuierlich auf dem aktuellen Stand zu halten. Indem die KI internes Know-how effektiv dokumentiert und zugänglich macht, entsteht so ein firmeninternes Wissensmanagement-Tool.
KI erleichtert schon jetzt die Zusammenarbeit im Team und mit den Mandanten. Durch die Möglichkeit, Chatverläufe und E-Mails zu teilen, können Teammitglieder Informationen und Dokumente austauschen und gemeinsam an Anfragen arbeiten. Dies fördert eine effiziente Kollaboration und den Austausch innerhalb der Kanzlei. Neben der Hilfe bei der Vorbereitung und Recherche ermöglicht KI die automatische Erstellung von professionellen Präsentationen. KI-basierte Präsentations-Tools strukturieren und organisieren relevante Inhalte, fügen Visualisierungen ein und heben die wichtigsten Punkte automatisch hervor. Mithilfe von Plattformen und Chat-Bots auf Websites von Steuerkanzleien können Mandantinnen und Mandanten häufig gestellte Fragen und praktische Tipps einsehen und selbstständig relevante Informationen abrufen.
Trotz seiner beeindruckenden Fähigkeiten hat die KI aktuell noch Grenzen. Die KI ersetzt nicht den gesunden Menschenverstand, da sie lediglich auf gelerntem Wissen basiert. Informationen in Echtzeit können nur durch speziell eingerichtete Browsing-Funktionen abgerufen werden. Um textbasierte KI-Programme optimal zu nutzen, sind präzise und klare Prompts entscheidend. Benutzerdefinierte Anweisungen erleichtern die Individualisierung der Antworten, während Plugins wie AskYourPDF, Doc Maker und Diagrams: Show Me die Funktionalität erweitern.
Spezifisches steuerrechtliches Wissen wird nur insoweit zuverlässig abgedeckt, sofern die KI speziell darauf trainiert worden ist. Die Zukunft von KI in der Steuerberatung verspricht jedoch eine stetige Verbesserung der Leistung und Genauigkeit. Die Integration von spezialisierten Datenbanken, eine nahtlose Einbindung in bestehende Steuersoftware-Systeme und die Entwicklung neuer Plugins werden die Anwendungsmöglichkeiten weiter optimieren.
Die Anwendung von KI in der Steuerbranche eröffnet eine breite Palette von Funktionen, die den Arbeitsalltag optimieren und innovative Ansätze in der Beratungspraxis ermöglichen. Es ist entscheidend, die vielfältigen Potenziale kreativ zu nutzen und dabei stets die individuellen Anforderungen der Kanzlei im Blick zu behalten. Datenschutz bleibt ein zentrales Thema, ebenso der menschliche Faktor. Kreativität, Empathie und strategisches Denken sind Qualitäten, die keine KI ersetzen kann.
Es bleibt spannend zu beobachten, wie sich die Branche weiterentwickeln wird, während sie sich den Herausforderungen und Chancen der digitalen Revolution stellt.
Autorin
Silvia Weinzierl ist Steuerexpertin bei Wolters Kluwer Tax & Accounting Deutschland (www.wolterskluwer.de).
Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 29.02.2024, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.