21.05.2020 | Corona-Pandemie

Kanzleien im Krisenmodus – eine Momentaufnahme

DKB

Von Alexandra Buba

Sämtliche Mitarbeiter*innen per Knopfdruck ins Homeoffice oder alle unverändert an Bord im Einzelbüro: Beides gab es in den vergangenen Wochen in deutschen Steuerberatungskanzleien. So unterschiedlich die Erfahrungen von Berater*innen derzeit auch sein mögen – gemeinsam ist ihnen offenbar zumindest verhaltender Optimismus. Ein Blick in drei Kanzleien.

StBin Karin Geier
Foto: StBin Karin Geier

Dass die Welt je nach Standpunkt des Betrachters ganz unterschiedlich aussieht, ist eine Binsenweisheit. Das bedeutet freilich gerade im Moment nicht, dass sie weniger wahr wäre und vor allem nicht, dass nicht der immer wieder aufs Neue geführte Beweis desselben spannend sein kann. Denn wo gerade noch Krisenmodus extrem die Wahrnehmung vieler dominiert hat, macht sich jetzt so etwas wie eine erste Atempause vom Ausnahmezustand bemerkbar.

"Wir kehren mit den ersten Mandanten gerade wieder in unser Besprechungszimmer zurück, nachdem wir wochenlang nur Videokonferenzen gemacht haben", berichtet zum Beispiel Steuerberaterin Karin Geier aus der hessischen Wetterau. Das funktioniere gut, da der Raum groß genug sei, um die geltenden Abstandsregeln einzuhalten. Ihre acht Mitarbeiter*innen hatte die Beraterin ohnehin die gesamte zurückliegende Zeit um sich, "wir haben alle Einzelbüros, ins Homeoffice hätten alle gekonnt, aber das wollte niemand", sagt StBin Geier.

Per Knopfdruck ins Homeoffice verlagert

Das deckt sich nicht mit der Erfahrung vieler anderer deutscher Unternehmen, die ihre Mitarbeiter in Heerscharen an die heimischen Schreibtische schickten. Und auch nicht bedingt mit der Erfahrung anderer Beraterkollegen. So verlagerte Steuerberater Hans-Joachim Weigand aus dem nordhessischen Gladenbach nur wenige Stunden nach der allerersten Krisensitzung im März nicht nur seine eigene gesamte Tätigkeit ins Homeoffice, sondern er und seine Partner Torsten Bach und Henry Elsaßer schickten auch gleich ausnahmslos alle 25 Mitarbeiter*innen dorthin.

StB Hans-Joachim Weigand
Foto: StB Hans-Joachim Weigand

"Da wir seit anderthalb Jahren ASP im Einsatz haben und nahezu vollständig digitalisiert sind, ging das auf Knopfdruck", erinnert er sich. "Ich merke keine Unterschied in meiner täglichen Arbeit, unsere Mitarbeiter*innen hatten teilweise schon Laptops, zwei Bildschirme haben wir hier und die hat nun auch jeder zuhause." Besetzt blieb in dieser Zeit lediglich das Sekretariat.

Nun, nach etlichen Wochen wollen die ersten zurück in die Kanzlei, der persönliche Kontakt fehlt. In dieser Woche werden die Partner der Kanzlei darüber beraten, "ideal wäre eine 50/50-Besetzung", so Weigand. Für manche im Team sei eine feste Struktur wichtiger als für andere.

Einen Ruhepol bieten

Das trifft womöglich in Teilen auch auf die Mandantschaft zu. "In der ersten Zeit waren viele sehr aufgeregt", erinnert sich StBin Geier, "auch viele, bei denen ich objektiv nicht so viel Grund zur Beunruhigung gesehen habe." Dabei habe sie versucht, einen Ruhepol zu bieten inmitten des Strudels der täglichen Nachrichtenflut. "Natürlich habe ich aber auch nichts beschönigt", betont sie.

Tatsächlich sähe sie auch aktuell noch bei keinem Mandanten akute Insolvenzgefahr, bei denjenigen, die in einem schwierigen Umfeld oder mit einer dünnen Kapitaldecke agieren, habe sie Abbuchungsaufträge ausgesetzt, so die Beraterin. "Uns trifft es nicht bei der Arbeit, da kann ich denen, die es benötigen, ja auch entgegenkommen."

Großer Beratungs- und Informationsbedarf

Nach wie vor ist der Bedarf an Beratung und Information immens, die telefonischen Anfragen hätten um ein Vielfaches zugenommen. Die häufigste Frage: "Soll ich jetzt Stundung beantragen oder nicht?" Auch StB Weigand trägt dem erhöhten Informationsbedürfnis Rechnung. "Wir haben bereits fünf Newsletter verschickt, in denen wir den Mandanten wichtige Regelungen etwa zu Kurzarbeit, Hilfsmitteln oder Stundung näher gebracht haben."

Außerdem habe seine Kanzlei eine geschützte Excel-Datei entworfen, mit deren Hilfe die Mandantschaft ihren Bedarf und ihre Anspruchsgrundlage für Hilfsgelder ermitteln konnte. Nicht unwichtig, da hier viele falsche Vorstellungen gehabt hätten, wie StB Geier betont.

Langfristfolgen noch unklar

Für die Zukunft erwarten beide Kanzleien einen weiteren Zuwachs an Aufträgen. "Ich gehe davon aus, dass wir zum Jahresende mehr Anfragen im Hinblick auf die Liquidität bekommen werden. Außerdem ist es auch mit Mehrarbeit verbunden, all das, was gerade außertourlich passiert, in den Abschlüssen abzubilden", sagt StBin Geier. Weigands Kanzlei bereitet gerade eine Mandantenbefragung vor, um den weitergehenden Beratungsbedarf zu eruieren.

Der wird im Wesentlichen wohl Aspekte der Liquidität betreffen. Denn auch wenn derzeit alles erst einmal nach Aufatmen klingt – die wirtschaftlichen Folgen der Krise kommen für die meisten erst noch. Genau dies befürchtet auch Steuerberater Klaus Kreutzer aus Schwabach. Mit Sorge beobachtet er eine Tendenz zu übermäßiger Stundung von Steuervorauszahlungen oder Sozialabgaben bei manchen Mandanten.

Was passiert beim vierteljährlichen Rechnungslauf?

StB Klaus Kreutzer
Foto: StB Klaus Kreutzer

"Der Grund dafür ist eine regelrechte Existenzangst, in die manche hineingeschlittert sind", sagt Kreutzer. Schon zu Beginn der Krise sei es manchmal schwer zu vermitteln gewesen, dass nicht er als Berater mit seinem Kanzleiteam die Anträge auf Hilfsgelder hätte stellen können. Dabei hätte es keineswegs alle Branchen gleich getroffen. Als Steuerberater aber sei er Ansprechpartner in jedweder Frage, und das sei doch manchmal sehr anstrengend. "Denn auch für uns ist das jeden Tag Neuland."

Dabei spielt er nicht etwa auf organisatorische Fragen an, die hätten nur zu Beginn der Krise, Mitte März, im Fokus gestanden, wo er unmittelbar diejenigen drei seiner sechs Mitarbeiterinnen ins Homeoffice geschickt hatte, die auch mit der Lohnabrechnung betraut sind. "Das Finanzamt kann auch einmal vier Wochen warten, aber die Löhne müssen gezahlt werden, so die Überlegung, um im Falle einer quarantänebedingten Schließung der Kanzlei gerüstet zu sein", erinnert sich Kreutzer. Dazu kam es freilich nie.

Jetzt läuft vieles wieder normal in Mittelfranken, wenngleich immer noch nicht klar ist, was passiert, wenn der erste vierteljährliche Rechnungslauf an die Mandanten rausgeht. "Ob dann alle pünktlich bezahle – können –, wird sich herausstellen."

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Autorin:

Alexandra BubaAlexandra Buba ist freie Journalistin und spezialisiert auf die Themen der Steuerberatungsbranche (www.medientext.com). Sie schreibt regelmäßig für die STB Web-Redaktion.

 

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 21.05.2020, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.