18.03.2015 | Bundesfinanzhof

Kein Billigkeitserlass bei unionsrechtswidrigem, aber rechtskräftigem Urteil

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass es nicht gegen Unionsrecht verstößt, wenn die Finanzverwaltung eine Steuer nicht erstattet, die auf einem zwar unionsrechtswidrigen, aber durch ein Urteil des BFH bestätigten Steuerbescheid beruht.

Das Finanzamt erkannte Schulgeldzahlungen der Kläger an eine Privatschule in Großbritannien im Jahr 1992 nicht als Sonderausgaben an. Der BFH wies im Jahr 1997 die Revision der Kläger gegen das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts zurück, ohne die Streitsache dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vorzulegen. Im September 2007 entschied der EuGH, die Dienstleistungsfreiheit werde verletzt, wenn Schulgeld nur bei Zahlungen an inländische Privatschulen als Sonderausgaben abziehbar sei. Den daraufhin gestellten Antrag der Kläger auf Änderung des Steuerbescheids aus 1992 lehnte das Finanzamt ab.

Keine Aufhebung rechtskräftiger Urteile

Einen Billigkeitserlass der Einkommensteuer, die auf der Nichtanerkennung der Schulgeldzahlungen als Sonderausgaben beruht, hat der BFH mit Urteil vom 21.01.2015 (Az. X R 40/12) verneint. Bei einem Steuererlass aus sachlichen Billigkeitsgründen seien die Wertungen des deutschen Gesetzgebers sowie Unionsrecht zu beachten. Der Bestands- und Rechtskraft komme im deutschen Verfahrensrecht ein hoher Stellenwert zu. Auch nach Auffassung des EuGH bestehe keine grundsätzliche Verpflichtung, eine unionsrechtswidrige, aber rechtskräftige Entscheidung aufzuheben, selbst wenn die Vorlagepflicht verletzt worden sei.

Entscheidung des Finanzamts war korrekt

Die Mitgliedstaaten haften jedoch bei Verletzungen gegen das Unionsrecht und müssen derartige Verletzungen wie Verstöße gegen nationales Recht behandeln. Bei unionsrechtswidrigen Urteilen haften sie aber nur bei einer offenkundigen Verletzung des Unionsrechts. Eine solche verneinten die Richter. Der BFH habe im Jahr 1997 weder unter offenkundiger Verkennung des Unionsrechts den Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit für Bildungsleistungen der Privatschulen zu Unrecht verneint noch offenkundig seine Vorlagepflicht verletzt. Die Weigerung des Finanzamts, die Steuern aus Billigkeitsgründen zu erlassen, sei daher nicht ermessensfehlerhaft.

Gesetzeslage wurde angepasst

Der deutsche Gesetzgeber hat mit dem Jahressteuergesetz 2009 auf die EuGH-Rechtsprechung zu Schulgeldzahlungen reagiert. Seither sind nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes auch Schulgeldzahlungen an Privatschulen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes in einem bestimmten Umfang als Sonderausgaben abziehbar.

(BFH / STB Web)



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