25.10.2019 | Beratung
Von Alexandra Buba
"Wir müssen auf das Handy unseres Mandanten – und zwar mit wertvollen Infos." Mit dieser Überzeugung trat die Zwickauer Steuer- und Wirtschaftsberaterin Ines Scholz vor einem Jahr an und investiert nun schon zum zweiten Mal ein Sechstel ihres Jahresumsatzes in die Entwicklung einer smarten Controlling- und Unternehmenssteuerungslösung. Dabei geht es der 47-Jährigen keineswegs um digitale Spielereien. Zu besichtigen ist dies aktuell auf dem Steuerberatertag in Berlin.
Manchmal ist es einfach genug – oder zu wenig, je nachdem, von welcher Seite man es sieht. So geschehen bei Kai und Jan Fiedler, Orthopädie-Technik-Meistern aus Zwickau. Vor fünf Jahren machten sich die Brüder gemeinsam selbstständig und sind das, was ihre Steuerberaterin "dynamische, anspruchsvolle und modernde Mandanten" nennt.
Denn die Fiedler-Brüder haben gerade ihre dritte Filiale eröffnet, 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen mittlerweile auf ihrer Payroll. Sie fertigen unter der Maxime der Qualitätsführerschaft hochpräzise Hilfsmittel für Kinder. Im Gleichschritt mit Erfolg und Wachstum der Kajamed GmbH stiegen ihre Anforderungen an die Buchhaltung des Betriebs – vor allen Dingen an die Aussagekraft und Aktualität der Zahlen.
Letzteres wiederum ist nun Ines Scholz' Problem nicht; seit neun Jahren arbeitet die Kanzlei schon mit digitalen Belegen, ging nahezu alle elektronischen Wege, die der Markt hergab, mit und gebucht wird in der beratungsorientierten Kanzlei sowieso wöchentlich. Das reicht aber oft nicht – vor allem nicht solchen Mandanten wie Fiedler.
Der nämlich will den Überblick, jederzeit und zwar am liebsten auf dem Handy, wenn er zuhause oder im Café Zeit hat und sich mit seinen wichtigsten Kennzahlen beschäftigen möchte. Oder ein Mitarbeitergespräch vorbereiten und sich dabei genau ans letzte erinnern, sämtliche Gehaltsbausteine und Vereinbarungen von damals parat haben. "Gerade als Unternehmer ist man ja nicht nur im Büro", sagt er, und teilt die Erfahrung, dass Chefaufgaben oftmals nach dem Tagesgeschäft erledigt werden. Deshalb spielte er schon mit dem Gedanken, das Mandat zu reduzieren und die Buchhaltung ins Haus zu verlegen, um unternehmerisch jederzeit handlungsfähig zu sein.
"Die dafür notwendigen Infos parat zu haben, ist in der digitalen Welt schwieriger geworden", sagt Steuerberaterin Scholz. Klingt erst mal paradox, wo wir uns doch alle ständig eher überinformiert fühlen. "Wollen Sie ein Beispiel? Wir arbeiten natürlich mit verschlüsselten E-Mails. Um diese zu lesen, braucht der Mandant ein Passwort, das er immer wieder erinnern muss. Was glauben Sie, wie oft fragt er bei uns nach, ohne das ihm das zu mühsam oder zu peinlich wird?"
Auf diese Weise bleibe so manches PDF einer BWA ungelesen, Mandanten hätten offen gesagt, das sei alles zu kompliziert, sie verließen sich auf uns und wir sollten uns bitte melden, wenn es ein Problem gäbe, berichtet die beratungs- und unternehmerbezogene Beraterin. "Das drückt zwar eine ungeheure Wertschätzung aus, trifft aber nicht mein Verständnis von Information, da ich meine Kundenbeziehung durch Leistung aufbauen und erhalten will - und diese muss der Mandant auch sehen können."
Dass dies künftig der Fall ist, war Scholz zwei Jahre lang 15 Prozent ihres Jahresumsatzes wert. So viel steckte die Datev-Power-Anwenderin in die Entwicklung einer eigenen Lösung, die aus den Daten der Buchführung smarte Infos für den Mandanten auf dessen Handy bringt. Dabei geht es bei Weitem um mehr als irgendeine App. Mit externen, unabhängigen Softwareentwicklern setzte sich Scholz über Monate hinweg jede Woche zwei Tage zusammen, teilweise gemeinsam mit ihren Fachkräften aus Fibu und Lohn, definierte Anforderungen, steckte Arbeitsaufträge ab, entwickelte Zielcharts.
"Es hat uns geholfen, dass wir eine sehr junge Firma als Partnerin gefunden haben, die völlig unbeindruckt von Datev und der Aufgabe war. Da wurde immer gesagt: 'Das ist doch kein Problem, das kriegen wir natürlich- wenn auch unter erheblicher Anstrengung, wie sich oft herausstellte- hin'", sagt sie. Wesentlich an der Lösung sind vor allem zwei Aspekte: Zum einen vereint sie viele Einzel-Tools, mit denen Unternehmer arbeiten, in einem – also Personalmanagement, Vertrags- und Fristenkontrolle, Beleg-Uploadfunktion , eine Kanzleidialog-Funktion oder eben das klassische Controlling – unter einer Oberfläche beziehungsweise App.
"Zum anderen ist das Programm keine hohle Lösung, die Sie erst einmal bestücken müssten, um damit arbeiten zu können", erklärt Scholz. Sämtliche Fibu- und Lohndaten sind schon da und automatisch integriert und werden neu spannend auserzählt. Ergänzen kann der Unternehmer die Bewerbungsunterlagen und Arbeitsverträge, Fristen für Abokündigungen, Konditionen seiner Leasing-Fahrzeuge, Protokolle seiner Mitarbeitergespräche und was er sonst noch wichtig findet.
Außerdem können die Lohnmeldungen monatlich im Portal erfolgen und von der Kanzlei per Knopfdruck integriert werden. Selbiges gilt für neue Mitarbeiter, wobei der Workflow in diesem Fall vom Mandanten hin zum neuen Mitarbeiter und dann erst in die Kanzlei verläuft. Fehlen Belege, tauchen Fragen zu Geschenkelisten auf oder geht es um die Abstimmung des Anlagevermögens und der Offenen Posten, vereinfacht das Portal den Dialog zwischen Mandant und Kanzlei.
Der ganze Berg an Informationen und Funktionalitäten liegt dabei natürlich in der Cloud, wie könnte es anders sein. Hochsicher selbstverständlich, deshalb habe man vor dem Release auch noch einmal den Hosting-Dienstleister gewechselt, was Scholz nicht verhehlt. Derzeit gibt es den "Cheftresor" als Beta-Version, im Januar soll die Software auf den Markt kommen ;– und Steuerberatern helfen, das auszuspielen, was sie leisten und haben.
"Denn wir machen uns doch etwas vor, wenn wir meinen, mit ein paar eingescannten Belegen sind wir digitalisiert. Wir Steuerberater liefern digitale Auswertungen an alle Behörden und neu auch an Banken, nur die Unternehmer gehen bei den Neuerungen leer aus. Und wenn die Datev offiziell sagt, sie werde die zweite Umsatzmilliarde mit ihrem Datenschatz machen, dann frage ich mich schon, wem diese Daten, die unsere Mandanten uns im Rahmen unserer Arbeit anvertraut haben, gehören – und wer sie nutzen sollte", so Scholz.
Dass sie damit den Branchensoftwareriesen strategisch möglicherweise überholt hat, ist dem Orthopädiemeister Kai Fiedler zwar nicht unbedingt bewusst. Doch hoffnungslos hinter dem aus dem Privatleben gewohnten Komfort von Google, Amazon und Apple hinterherhinkende Businesslösungen kennt er auch aus seiner Branche. "Das, was Frau Scholz hier mit ihrer Unternehmerlösung macht, liegt weit vor dem, was es an Softwareinstrumenten in der Orthopädietechnik gibt", sagt er. Es sei zum Beispiel nur umständlich möglich, von der Filiale in Chemnitz aus auf digitale Versorgungsdokumentationen, Karteien, Personaldokumente oder Versicherungsdaten zuzugreifen, die in Zwickau vorlägen.
Von mobil noch gar keine Rede. Künftig will er aber zumindest unternehmerisch zeitgemäß arbeiten, und wird keine BWAs mehr in einem Layout bekommen, das sich seit 1970 kaum verändert hat. Sein Smartphone zeigt ihm stattdessen seine Lieblingskennzahl auf dem Dashboard an, die er vorher definiert hat. Welche das ist? Mal sehen. Möglicherweise die prognostizierte Auslastung, denn das Unternehmen ist immer noch auf Wachstumskurs – und braucht Ines Scholz dabei natürlich dringlicher denn je.
Homapage der Wirtschafts- und Steuerberatung Ines Scholz in Zwickau: www.ines-scholz.de
Autorin:
Alexandra Buba ist freie Journalistin und spezialisiert auf die Themen der Steuerberatungsbranche (www.medientext.com). Sie schreibt regelmäßig für die STB Web-Redaktion.
Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 25.10.2019, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.