24.07.2013 | Glosse

Altbackene Steuerformulare adé - Oder: Wie der Splittingtarif für Lebenspartnerschaften Ehefrauen unterstützt

Von Susanne Christ, Köln * 

Angela Merkel wird dazu gezwungen, Margot Käßmann war es, als sie noch verheiratet war, und Lieschen Müller von nebenan trifft es sowieso: ob jung, ob alt, ob schön, ob hässlich, berühmt oder unbekannt, sie alle müssen, wenn es um ihre Steuer geht, in der zweiten Reihe Platz nehmen. An erster Stelle steht der Mann! Nicht, weil die Ehemänner das so wollten, sondern weil der Fiskus darauf besteht! In seinen Steuerformularen. Zumindest, wenn die Eheleute zusammen Einkommensteuer zahlen.

Die Folgen sind unübersehbar: Die Post des Finanzamtes geht zuerst an den Ehemann und Steuerdateien lassen sich nur über ihn finden. Wohnen Eheleute an verschiedenen Orten, ist die Adresse der Frau eine vom Ehemann "abweichende". Dabei hatten wir schon von Simone de Beauvoir im "anderen Geschlecht" gelernt, dass es bei der Frau und dem Mann kein "Abweichendes" oder "Anderes" gibt.

© Karikatur von Peter Kreuselberg
"Wertungsfreies Ordnungssystem"

Von all diesen Diskussionen völlig unbeeindruckt, änderte sich jahrein, jahraus nichts: Zuerst Ehemann, dann Ehefrau. Ohne Ausnahme! Weil es einfacher ist. Für die Verwaltung. Punkt. Es handle sich dabei um ein "wertungsfreies Ordnungssystem", urteilte noch 2009 das Finanzgericht Berlin-Brandenburg auf die Klage einer Ehefrau, die ihr Grundrecht auf Gleichbehandlung der Geschlechter durch die Praxis der Finanzbehörden verletzt sah. Schlimmer noch: Wenn die Frau das Recht habe, zuerst genannt zu werden, wo blieben dann die Rechte des Ehemannes? Würde der Ehemann an die zweite Stelle verwiesen, könnte er ja in seinen(!) Rechten verletzt sein. - Ein Problem, das die Finanzbehörden in eine unauflösliche Situation bringen würde. Besser also, alles bleibt beim Alten, so das Berlin-Brandenburger Gericht und wies die Klage ab. "Wertungsfreies Ordnungssystem"… ob sich da die Richterschaft nicht in ihrem eigenen Wertungssystem verheddert hat?

Dabei kann es so einfach sein. Allgemein gilt: müssen mehrere Personen gemeinsam eine Steuererklärung abgeben, bestimmen sie die Reihenfolge. Das ist bei Erbschaftsteuererklärungen so, das ist bei einheitlichen, gesonderten Feststellungserklärungen so. Mütterchen oder Väterchen Staat mischt sich da – zu Recht – nicht ein. Nur bei der Einkommensteuererklärung, bei der es um das Verhältnis von Frau und Mann geht, soll es anders sein.

Ungemach von unerwarteter Seite

Ungemach droht nun jedoch von einer ganz unerwarteten Seite. Und die Chancen, dass sich endlich etwas ändert, stehen gut. Denn mit der Entscheidung des BVerfG, den Splittingtarif auch eingetragenen Lebenspartnerschaften zu gewähren, stellt sich die Frage nach den richtigen Formularen. Wer soll sich als "Ehemann" eintragen, wenn zwei Frauen zusammen veranlagt werden? Nicht ganz einfach, auch wenn es Frauen gewohnt sind, sich bei männlichen Bezeichnungen mit gemeint fühlen zu müssen. Männer, auch schwule Männer, tun sich da schwerer. Mal sehen, wie lange die Männer bei Formularen stillhalten, bei denen sich einer von ihnen als "Ehefrau" einsortieren soll. Mit anderen Worten: Die Einkommensteuerformulare gehören schleunigst geändert!

Und bitte, liebe Formularentwickler und –entwicklerinnen, wenn Sie schon dabei sind: Achten Sie bei den neuen Formularen auch gleich auf geschlechtsneutrale Formulierungen. Zugegeben: Nicht immer ganz einfach, aber es geht. Z.B. "steuerpflichtige Person". Und im ; Zweifel ruhig auch mal eine weibliche Formulierung verwenden. Die Leipziger Uni hat's vorgemacht. Dort sind ausnahmslos alle Lehrenden "Professorinnen"!


* Über die Autorin:

Susanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht. Sie führt eine eigene Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln und ist die Sprecherin des Erbrechtsausschusses des Kölner Anwaltsvereins. Susanne Christ ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Sie schreibt auch regelmäßig Fachartikel und Kommentare bei STB Web. ;

E-Mail: s.christ@netcologne.de

 

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 24.07.2013, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.