24.10.2018 | Steuerberater

Berufsbild 2020: Netzwerk-Regisseur

Von Alexandra Buba / Interview mit Dr. Holger Stein, BStBK

Der Steuerberatung gab die Bundessteuerberaterkammer einst eine Agenda 2020 auf, bei der zurzeit der Kassensturz ansteht. Dass daneben auch der Steuerberater und die Steuerberaterin selbst als Person und Berufsbild auf dem Weg in die Zukunft ist, ist unbestritten. Allein, worauf es dabei ankommt, wollte STB Web von Dr. Holger Stein, dem Vizepräsidenten der Bundessteuerberaterkammer, wissen.

Dirigieren das Mensch-Maschine-Orchester  die Steuerberaterinnen und Steuerberater der Zukunft. (Foto: © Fanatic Studio / gettyimages)

STB Web:
Herr Dr. Stein, muss sich der Berufsstand gesetzlich absichern, um sein Profil für die Zukunft zu schärfen?

Dr. Holger Stein:
Ich möchte zu Beginn klar sagen, dass das Steuerberatungsgesetz zu keinem Zeitpunkt dafür gemacht war, Wohlstand und Zukunft für die Branche abzusichern. Es geht vielmehr um eine ganze Reihe von Pflichten, die der Gewährleistung von Qualität in der Beratung und letztlich dem Verbraucherschutz dienen.

Wenn wir nun heute eine Initiative auf den Weg bringen, um den Steuerberater als Organ der Steuerrechtspflege mit der nächsten Änderung des Steuerberatungsgesetzes fest im Gesetz zu verankern, dann tun wir dies, um das Gleichgewicht von Staat und Steuerbürger zu sichern.

STB Web:
Inwiefern nützt es denn Steuerbürgern und Mandanten, wenn im Gesetz steht, dass ihr Berater „Organ der Steuerrechtspflege“ ist? Verwischt das nicht eher umgekehrt die ganz klare Interessenvertretung?

Dr. Holger Stein:
Im Rahmen der gültigen Gesetze haben natürlich die Interessen des Mandanten für den Steuerberater absoluten Vorrang. Mit unserer Gesetzesinitiative stärken wir daher den Steuerberater, wenn er dem Staat in Gestalt der Finanzverwaltung begegnet. Wir sorgen dafür, dass dies auf Augenhöhe geschieht. Zum Wohle des Mandanten.

STB Web:
Der Steuerberater tritt damit also mehr in die Rolle eines Anwalts gegen den Staat?

Dr. Holger Stein:
Wenn Sie so wollen, ja. Betrachtet man die europäische Ebene, dann ist es ohnehin so, dass der deutsche Steuerberater dem vergleichbar ist, was in anderen Mitgliedsstaaten ein Fachanwalt für Steuerrecht ist. Insbesondere auch durch die Befugnis, den Mandanten vor den Finanzgerichten bis hin zum BFH zu vertreten.

STB Web:
Stichwort Europa - wie verschaffen Sie den deutschen Steuerberatern hier Gehör, und worauf kommt es in Zukunft an?

Dr. Holger Stein:
Abgesehen von den Anstrengungen, die wir unternehmen, um etwa im aktuell laufenden Vertragsverletzungsverfahren auch durch Gutachten klar zu stellen, wie die Situation mit guten Gründen in Deutschland ist, betreiben wir ein hohes Maß an Aufklärungsarbeit. Wir sprechen mit EU-Parlaments-Abgeordneten vor Ort oder mit dem Vertreter der Kommission in Deutschland. Das Berufsrecht wird heutzutage zunehmend aus Brüssel dominiert.

Foto: Dr. Holger Stein, © Bundessteuerberaterkammer

Als Deutsche können wir allein schwerlich Vorschläge zur Regelung berufsrechtlicher Belange in die Kommission tragen. Dafür sind unsere berufsrechtlichen Standards einfach zu hoch. Anders sieht es beim materiellen Recht aus. Steuerberater sind für ihre Mandanten erster Ansprechpartner und diese agieren zunehmend international. Daher wissen wir auch, wo diesen der Schuh drückt. Dieses praktische Wissen bringen wir in unsere Arbeit ein und sorgen so für bessere Rahmenbedingungen und wirtschaftlichen Erfolg unserer Mandanten.

STB Web:
... und das nützt auch ganz konkret dem Berater. In welcher Form aber kann letzterer sich über die rein rechtliche Perspektive – Ich vertrete Dich bestbewaffnet gegenüber dem Staat – hinaus positionieren?

Dr. Holger Stein:
Der Steuerberater muss sich seiner zentralen Rolle bewusst werden. Mehr denn je, gerade durch die Fülle an Daten, die die Digitalisierung liefert, sitzt er an der Schaltstelle aller für den Mandanten wirtschaftlich relevanten Informationen. Dieses Potenzial gilt es mithilfe der Mitarbeiter zu nutzen und sich viel stärker als bisher mit dem Mandanten zu vernetzen.

Der Steuerberater ist der Netzwerk-Regisseur, das muss dem Mandanten klar werden. Gezielte, etwa betriebswirtschaftliche, Beratungsvorschläge zu machen, die auf tiefen wirtschaftlichen Datenanalysen aufbauen, begründen daher künftig das Profil der Beraterpersönlichkeit. Gut aufgestellt sind hier die Kollegen, die auch entsprechend geschulte Mitarbeiter haben.

STB Web:
Die dann auch den Wettbewerb mit der Maschine nicht zu scheuen braucht, oder?

Dr. Holger Stein:
Nein, denn der Steuerberater kann ungleich mehr. Automatisierte Besteuerungsverfahren oder Portale, in denen Bürger ihre einfachen Erklärungen selbst erstellen können, sind keine Konkurrenz für den echten Berater. Wir sind doch keine Don Quichottes, die die neue Technik verteufeln.

Denn natürlich reicht in manchen Fällen bildhaft gesprochen auch der Anzug aus der Konfektionsabteilung, sprich die Standardlösung, aus; immer dann aber, wenn etwas ein wenig individueller wird – und das ist in der immer komplexeren Wirtschaft zuhauf der Fall – sind Berater mit ihrer gesamten Kompetenz gefragt. Und die können sie dank der wachsenden technischen Möglichkeiten sehr viel stärker zur Geltung bringen und zum Wohl des Mandanten einsetzen als bislang.

STB Web:
Welche Rolle spielen denn dabei noch die berufsständischen Organisationen?

Dr. Holger Stein:
Sie werden zukünftig noch stärker dafür zuständig sein, den gesetzlichen Anforderungen im Kollektiv einfacher und schneller zu genügen als dies der einzelne Berater könnte. Das sehen Sie im Moment etwa bei den Pflichten nach dem Geldwäschegesetz oder im Bereich des Datenschutzes.

 

Dipl.-Ing.-Ök. Dr. Holger Stein, StB, ist Vizepräsident der Bundessteuerberaterkammer und Präsident der Steuerberaterkammer Mecklenburg-Vorpommern. Den Schwerpunkt seiner Tätigkeit für die Bundessteuerberaterkammer bilden Berufsrecht und europäische Belange. In seiner Kanzlei in Rostock beschäftigt Stein zwölf Mitarbeiter und berät Mandanten verschiedener Branchen mit besonderer Expertise in der Hotellerie und Gastronomie.

Das Gespräch führte Alexandra Buba. Sie ist freie Journalistin und spezialisiert auf die Themen der Steuerberatungsbranche (www.medientext.com). Alexandra Buba schreibt regelmäßig für die STB Web-Redaktion.

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 24.10.2018, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.