13.05.2015 | Interview

"Wenn man als Steuerberater die eigenen Stärken hervorhebt, ist man immer erfolgreich"

Gastbeitrag der Steuerkanzlei FIDARO *

Die Steuerkanzlei FIDARO sprach mit dem Journalisten Claas Beckmann darüber, vor welchen tiefgreifenden Veränderungen die Steuerberatung steht und wie man diesen Wandel als Kanzlei erfolgreich gestalten kann. In seinem als "Bestes Jurablog 2015 - Steuerrecht" ausgezeichneteten Blog Steuerkoepfe.de berichtet Claas Beckmann regelmäßig über Steuerberater und Steuerkanzleien die erfolgreich abseits der gewohnten Pfade gehen.

FIDARO: Herr Beckmann, Sie sind Journalist und kein Steuerberater. Was treibt einen Journalisten an, sich mit dieser doch eher trockenen Materie zu beschäftigen?

Foto: Journalist und Fotograf Claas Beckmann

Claas Beckmann: Ich habe mich schon immer für inhabergeführte Betriebe interessiert. Durch meinen Uropa, der einen Betrieb gegründet hat der heute noch in Familienbesitz ist, habe ich hautnah mitbekommen, was das für Beruf und Familie heißt und habe mich dann auch beruflich mit diesem Bereich beschäftigt. Diese inhabergeführten Unternehmen werden oft mit ganz viel Herzblut geführt, aber leiden unter einer ständigen Überlastung und sind deshalb ein sehr dankbares Publikum für Wirtschaftsjournalismus.

FIDARO: Und wie ist die Spezialisierung auf die Steuerberatungsbranche entstanden?

Claas Beckmann: Begonnen hat es durch die Zusammenarbeit mit einem Steuerberater Magazin, die dann über die Jahre immer weiter gewachsen ist. Vor allem habe ich in der Branche genau dieses Herzblut entdeckt, welches mich ursprünglich für inhabergeführte Betriebe begeistert hat und seitdem widme ich dieser Branche – nicht dem Steuerrecht wohlgemerkt – einen Großteil meiner Arbeitszeit.

FIDARO: Was sehen Sie momentan als den Trend, der die ganze Branche beschäftigt?

Claas Beckmann: Das ist der Trend, die Zusammenarbeit zwischen Kanzlei und Mandant stärker online abzuwickeln. Und dies betrifft ja nicht nur die Steuerberatung, sondern auch die private Computernutzung. Der Einsatz der Cloud, in Verbindung mit sinnvollen Arbeitsabläufen, ist für mich ganz klar die Strömung, die in den letzten Jahren wirklich alle erfasst hat. Die offene Frage ist: Lässt sich die Steuerberatung oder wenigstens die Mandanten-Akquise ins Internet hieven oder setzt die Natur des Beratungsgeschäfts da Grenzen? Andere Trends, wie die betriebswirtschaftliche Beratung oder die zeitlich frühere Abgabe von Abschlüssen und Erklärungen, werden nur von einer Speerspitze von Beratern erfolgreich praktiziert.

Aus Ihrer Perspektive als Journalist betrachtet: Hat dieser Trend zur Digitalisierung auch einen Einfluss auf den Außenauftritt von Kanzleien? Stellen Sie hier eine stärkere Marketingorientierung fest?

Nein, das kann ich so nicht feststellen. Nach wie vor gibt es nur eine Minderheit von Kanzleien, die aktives Marketing betreiben. Und diese nutzen selbstverständlich auch das Internet. Aber die Bandbreite ist nach wie vor sehr groß. Es gibt immer noch Kanzleien ohne Homepage. Am anderen Ende des Spektrums stehen Kanzleien die Facebook-Kampagnen fahren und einen Blog betreiben.

Ich bin davon überzeugt, dass Marketing grundsätzlich sehr wichtig für Kanzleien ist

Durch die Nutzung der Cloud ist auch die räumliche Nähe zwischen Mandant und Kanzlei keine Grundvoraussetzung mehr. Somit können Unternehmen auf der Suche nach einem Steuerberater aus einem breiteren Angebot wählen. Glauben Sie, dass Marketing vor diesem Hintergrund für Kanzleien in Zukunft wichtiger werden wird?

Ich bin davon überzeugt, dass Marketing grundsätzlich sehr wichtig für Kanzleien ist, um die richtigen Mandanten zu finden und sich nicht treiben zu lassen. Tatsächlich muss man durch die Cloud den Steuerberater nicht mehr im gleichen Ort haben wie bisher. Ob das allerdings zu einer großen Umschichtung von Mandaten führt, wage ich zu bezweifeln. Ich weiß von Steuerberatern, die immer wieder vor dieser Hürde stehen und den Mandanten erklären müssen, dass es in Ordnung ist, wenn die Kanzlei 800 Kilometer entfernt ist. Hinzu kommt, dass Steuerberatung eine Branche ist, die stark auf Vertrauen basiert und man möchte sehen, wen man vor sich hat und dieser soll im Zweifelsfall auch greifbar sein. Aber technisch wird sich dieser Trend beschleunigen. Noch werden Beleg-Abbilder online hin- und hergeschoben, bald werden es die reinen Rechnungsdaten sein – ob die dann noch in Deutschland oder überhaupt von Menschenhand bearbeitet werden?

Ein anderes viel zitiertes Schlagwort in der Branche ist der Fachkräftemangel. Wie nehmen Sie diesen wahr?

Als sehr real. Dabei können Kanzleien mit Arbeitgeber-Marketing – auch online – sehr schnell punkten. Die bundesweite Akquise von Mandanten sehe ich eher langfristig angelegt; auf sich als guten Arbeitgeber aufmerksam zu machen, funktioniert dagegen auch kurzfristig. Ein Großteil der Mitarbeiter ist jung und somit auch online-affin. Neben den Möglichkeiten, das gute Arbeitsklima online abzubilden, kann man natürlich auch an den Wettbewerben wie „Bester Arbeitgeber“ teilnehmen oder ein Profil auf kununu und anderen Portalen pflegen.

Irgendeiner wird schon anbeißen, ob Dönerbude oder DAX-Konzern

Ganz egal welche Art von Zielgruppe man ansprechen möchte, ob potentielle Mitarbeiter oder Mandanten, eine der Grundvoraussetzungen im Marketing ist es das Alleinstellungsmerkmal zu betonen. Es scheint oft so als ob dies nur wenigen Steuerkanzleien wirklich gelingt. Welchen einen Satz mit dem Kanzleien werben würden Sie am liebsten verbieten?

Nur einen? (lacht)

Ja, nur einen.

Der schlimmste Satz der mir immer wieder begegnet lautet etwa: „Wir bieten Steuererklärungen, Buchführung und Lohnbuchführung für Unternehmen, Freiberufler, Ärzte, Vereine und Privatpersonen.“ Das ist so richtig wie nichtsagend. Also kurz gesagt wir machen alles für alle. Und hier trifft genau das zu, was Sie gerade gesagt haben: Man muss seine Stärken herauskehren und dies ist zugegebenermaßen schwierig. Hat man diese Stärken dann identifiziert, darf man nicht mehr aufhören, diese zu kommunizieren. Und vor diesem Prozess schrecken viele zurück und gehen den bequemen Weg, indem Sie sagen: Ich kann alles für jeden – irgendeiner wird schon anbeißen, ob Dönerbude oder DAX-Konzern. Wenn man seine Positionierung jedoch gefunden hat – das kann durchaus auch eine Einschränkung bedeuten –, dann ist es auch viel einfacher, die Marketinginstrumente darauf aufzubauen.

Sie sprachen gerade davon, dass eine solche Fokussierung oft gleichzeitig auch eine Reduzierung des angebotenen Leistungsumfangs bedeutet. Heißt dass, der Trend geht mehr zu kleinen Boutique-Steuerkanzleien die im Netzwerk agieren oder zu großen Kanzleien die alles aus einer Hand anbieten können?

Ich bewundere die so genannten Boutiquen. Aber es ist nach wie vor so, dass zwei Drittel aller Kanzleien nur eine Handvoll Mitarbeiter haben und sich nicht spezialisieren. Wichtig ist es, wie bereits erwähnt, die eigenen Stärken hervorzuheben. Und dann ist man immer erfolgreich, egal ob als Einzelkämpfer oder als große Kanzlei.

Also sehen Sie das arbeiten im Netzwerk nicht als Muss für kleinere Kanzleien?

Nein, ich denke das ist bei der Mandats-Bearbeitung kein Muss. Oft tut es auch eine schlichte Weiterempfehlung. Bei manchen Netzwerken frage ich mich auch, ob sie tatsächlich über reine Absichtserklärungen hinausgehen. Wenn es jedoch um die Kanzleientwicklung geht, halte ich von Netzwerken sehr viel.

Sie haben vorhin schon angemerkt, dass Sie die persönliche Beziehung zwischen Steuerberater und Mandant trotz aller digitalen Möglichkeiten als sehr wichtig einschätzen. Was gilt es hier zu beachten?

Ich denke Mandanten und Mitarbeiter kommen hauptsächlich wegen des Steuerberaters, der Steuerberaterin. Und aus diesem Grund würde ich die Beraterpersönlichkeit stärker nach vorne stellen. Auf einer typischen Kanzleiwebsite beispielsweise erfährt man auf der Startseite alles über die Öffnungszeiten und Steuernews, aber muss sich durch drei Ebenen navigieren, um etwas über den Steuerberater zu erfahren. Ist man dann dort angelangt, findet man hauptsächlich Informationen zum Lebenslauf und die fachliche Spezialisierung wird stichwortartig abgehandelt.

Und wie kann man diesen Bereich als Steuerberater besser lösen?

Aus meiner Sicht müsste man es genau umgekehrt aufziehen. Um bei der Internetseite zu bleiben: Genau diese fachliche Spezialisierung muss auf die Startseite. Und zwar nicht als Nebensatz sondern in Form einer Geschichte, damit jeder weiß dass man mit genau diesem Thema bei exakt diesem Berater gut aufgehoben ist. Nehmen wir als Beispiel die Unternehmensnachfolge. Hier würde ich beschreiben wie der Prozess abläuft, wie man dem Mandanten damit hilft und welche Erfolge man gemeinsam dabei feiern konnte.

Um bei dem Bereich Beratung zu bleiben: Mit der voranschreitenden Digitalisierung, insbesondere der elektronischen Rechnungsstellung, gibt es Prognosen, dass der Beruf des Steuerberaters in 5-10 Jahren ein grundlegend anderer ist: Die Buchhaltung wird vollautomatisiert erfolgen und der Mensch lediglich noch eine kontrollierende Funktion einnehmen. Wo denken Sie geht die Reise hin?

Wenn das so kommt, dann brechen 50% des Umsatzes weg. Dann muss man sich fragen: Womit beschäftige ich meine Angestellten und was kann ich tun, um für meine Mandanten weiterhin attraktiv zu sein. Und dann sind wir wieder bei der Frage nach den eigenen Stärken angelangt.

Wie kann die Lösung aussehen?

Die Lösung kann nur lauten, sich auf die Beratung zu konzentrieren und mit dieser den eigentlichen Mehrwert der Kanzlei zu generieren. Ich bin sehr gespannt, wie sich das in den nächsten Jahren entwickelt.

Als Journalist wundert es mich, warum der Berufsstand so wenig Schlagkraft in den öffentlichen Diskussionen hat

Zum Abschluss: Worin sehen Sie das größte Verbesserungspotential für Steuerberater aus Sicht eines Journalisten beziehungsweise Marketingexperten?

Zum einen gilt es, die Beraterpersönlichkeit in den Vordergrund zu stellen und das eigene Profil zu schärfen. Als Journalist wundert es mich, warum der Berufsstand so wenig Schlagkraft in den öffentlichen Diskussionen hat. Inhaltlich ist der Berufsstand ein Schwergewicht und mit seiner Zusammensetzung ein gutes Spiegelbild der deutschen Wirtschaft, aber er wird in den großen Debatten kaum wahrgenommen. Was mein Feld – die Branchen-Berichterstattung – angeht, sieht es schon besser aus: Unternehmerische Aktivität fällt auf, in der Steuerberatung vielleicht sogar noch eher als in anderen Branchen. Und falls nicht, dann gibt es ja immer noch das Telefon. Ich freue mich jedenfalls immer über Tipps und helfe auch gern weiter. Es gibt fantastische Köpfe in der Steuerberatung mit innovativen Ideen, das ist manchmal die reine Freude. Wenn man dann noch sieht, dass diese damit erfolgreich sind – umso besser.

Und was die Führung der Kanzlei angeht?

Jeder muss seinen Stil finden, da kann ich nichts empfehlen. Wenn ich aber an die erfolgreichen Berater und Beraterinnen denke, über die ich im Laufe der Jahre berichtet habe, dann kann ich Gemeinsamkeiten bei ihnen feststellen: Sie haben es geschafft, sich zumindest teilweise dem Tagesgeschäft zu entziehen. Sie arbeiten tatsächlich an statt in der Kanzlei – wie es ja immer so schön heißt. Sie haben keine Scheu, mit Kollegen und fachfremden Disziplinen zusammen zu arbeiten. Und sie sind stolz auf ihre Mitarbeiter, die viel selbst entscheiden dürfen. Öfter treffe ich jetzt auch auf Mitarbeiter, die leitende Funktionen übernehmen, auf einer Mitführungsebene quasi.

Die Antwort kann meiner Meinung nach nur in der vorhandenen, hohen Qualifikation
der Steuerberater in Verbindung mit einer glaubhaften Positionierung liegen

Also im Grunde genommen geht es darum die Kanzlei mehr wie ein Unternehmen zu führen?

Ja. Die Beraterpersönlichkeit bleibt der Dreh- und Angelpunkt, aber deshalb muss sie nicht alles in der Kanzlei selbst machen. Was die Mandanten- und Mitarbeiter-Akquise angeht waren die Steuerberater lange unterfordert. Und wenn Sie an das Rütteln der EU an der Selbstorganisation des Berufsstands denken oder an die technische Beschleunigung, dann braucht man als Kanzlei gute Argumente, warum die Mandanten weiterhin zu einem kommen sollen. Und die Antwort kann meiner Meinung nach nur in der vorhandenen, hohen Qualifikation der Steuerberater in Verbindung mit einer glaubhaften Positionierung liegen.

* Über die Autoren:

Dies ist ein Gastbeitrag der Steuerkanzlei FIDARO, der zuvor im Blog der Kanzlei erschienen ist. FIDARO hat ihren Sitz in Traunstein und möchte auf Basis von digitaler Buchhaltung, Steuerberatung und strategischer Beratung die Freude am unternehmen fördern. www.fidaro.de

Claas Beckmann unterstützt neben seiner journalistischen Tätigkeit Kanzleien als Berater dabei, ihr Profil zu schärfen und sich so zu differenzieren. Er betreibt das erfolgreiche Blog Steuerkoepfe.de.

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 13.05.2015, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.