25.04.2018 | Interview

Kanzleisoftware: Datev goes Plattform

Von Alexandra Buba ** / Interview mit Eckhard Schwarzer, Datev *

Die Datev schickt sich an, ein bisschen Amazon Marketplace für ihre Mitglieder zu werden. Eigentlich eher Datingapp à la Tinder, wie Eckhard Schwarzer, stellvertretender Vorsitzender des Datev-Vorstands, im Interview mit STB Web erklärte: Ein Teil derjenigen Bürger, die momentan ihre Steuern noch selbst erklären, sollen via Datev-Plattform mit passenden Beratern gematcht werden. Dass sich das Geschäft für alle lohnt, glauben aber nicht alle Mitglieder der Vertreterversammlung – weshalb die Genossenschaft um die Mehrheit für die dafür erforderliche Satzungsänderung wirbt.

STB Web:
Herr Schwarzer, Sie sind davon überzeugt, dass Steuerberater unbedingt eine neue gemeinsame Plattform brauchen – weshalb?

Eckhard Schwarzer, Datev

Eckhard Schwarzer:
Mit unserem Vorschlag für eine Plattform für noch nicht beratene Privatpersonen wollen wir unseren Mitgliedern in Zeiten der Plattformökonomie etwas geben, das sie der Entwicklung entgegen setzen können. Denn die heute über das Internet agierenden Unternehmen wirken disruptiv, das sehen Sie nicht nur an Amazon, sondern auch am Taxigewerbe oder in der Hotellerie. Dabei ist entscheidend, wer den Zugang zum Kunden hat. Der Dienstleister wird zum Lieferanten. Wir können dabei zuschauen oder dem aktiv etwas entgegensetzen. Und wir haben uns dafür entschieden, aktiv zu bleiben.

STB Web:
Der Lieferant wäre dann in diesem Fall der Steuerberater – welche vergleichbaren Angebote gibt es denn schon?

Eckhard Schwarzer:
Bei den Steuerberatern gibt es etwa zwei Dutzend Firmen. Es ist aber eine gute Gepflogenheit, nicht öffentlich über Namen von Wettbewerbern – oder die, die es werden wollen – zu reden. Interessant sind auch Plattformen aus dem Ausland. Diese vermitteln zum Teil auch Steuerberatung. Dabei geht es immer nur über den Preis und die Bewertung.

STB Web:
Welche Schlussfolgerung ziehen Sie daraus?

Eckhard Schwarzer:
Es gibt in Deutschland etwa 13 Millionen Bürger, die noch nicht steuerlich beraten werden. Diese sprechen wir bewusst an und nicht etwa den schon betreuten Steuerpflichtigen, aber auch nicht den typischen steuerpflichtigen Geschäftsführer oder den Silver Ager. Der ist konservativ, vielleicht nicht im Denken, aber im Verhalten. Uns geht es um die Digital Natives, die 2020 bereits die Mehrheit der aktiven Marktteilnehmer darstellen werden.

STB Web: Die bringen ja zunächst einmal eher wenig Umsatz – und sollen zudem auf Ihrer Plattform gegen Entgelt die Möglichkeit bekommen, ihre Steuererklärung mithilfe von Datev-Software online selbst zu erstellen. Das klingt nach dem bösen Wort vom „Mandantendirektgeschäft“...

Eckhard Schwarzer: Die Befürchtung, Datev nimmt ihren Mitgliedern das Geschäft weg, indem sie ihre Lösungen direkt an den Mandanten verkauft, gibt es zum Teil. Sie ist aber völlig unbegründet! Erstens hatten wir uns eine ganze Reihe von Schranken im Rahmen der geplanten Satzungsergänzung gegeben, so dass das gar nicht möglich wäre. Und zweitens ist das schlicht nicht unser Interesse.

STB Web:
Was ist denn Ihr Interesse?

Eckhard Schwarzer:
Wir wollen unsere Mitglieder davor schützen, dass die heute nicht Beratenen künftig bei anderen Anbietern landen. Denn wer heute keine Beratung braucht, benötigt sie vielleicht schon bald. Stellen Sie sich eine Autobahn vor, auf der Sie in Ihrem steuerlichen Leben unterwegs sind. Zunächst haben Sie wenig Beratungsbedarf, ein typischer Anlage-N-Fall. Dann wird es aber vielleicht schnell komplizierter. Ich selbst habe drei Kinder, von denen zwei bereits ihr eigenes Geld verdienen. Da steht vielleicht bald auch eine Hochzeit an, und es gibt eine Eigentumswohnung. Also gibt es möglicherweise etwas zu regeln. Und ein Sohn arbeitet seit Neuestem für eine deutsche Firma in Irland, ist also Expat. Das ist also auch nicht mehr ganz so einfach.

DKB

Was ich damit sagen will: Auf der Autobahn des steuerlichen Lebens schaffen wir auf unserer Plattform immer wieder Ausfahrten. Dabei weist das System den Steuerpflichtigen automatisch darauf hin, dass er möglicherweise Beratungsbedarf hätte. Wenn er das genauso sieht, kann er anschließend aus einer Reihe qualifizierter Berater wählen.

STB Web:
Die sich wie genau rekrutieren?

Eckhard Schwarzer:
Wir kommen hier definitiv nicht an den gängigen Funktionalitäten der erfolgreichen Plattformen vorbei und müssen uns insofern auch mit einem Bewertungssystem auseinandersetzen. Allerdings dürfen wir nicht dieselben Fehler wie einige Anbieter machen. Auch sollte sich der Steuerberater grundsätzlich dafür entscheiden können, bewertet zu werden. Wie das alles aber genau aussieht, werden nicht wir allein vorgeben. Als berufsständische Genossenschaft werden wir dies mit unseren Gremien beraten.

STB Web:
Was genau passiert mit den Bestandsmandanten – werden die auch in irgendeiner Weise mit der Plattform adressiert?

Eckhard Schwarzer:
Jede Kanzlei kann den Zugang zur Plattform auch über ihre Homepage anbieten. Das macht nicht nur für Diejenigen Sinn, die auf diesem Wege eine Steigerung der Effizienz beim Mandanten und oder in der Kanzlei erzielen möchten. Eine Beratung bei Spezialproblemen läuft natürlich aber immer weiter über die Kanzlei.

STB Web:
Wie steht es mit den Unternehmensmandanten?

Eckhard Schwarzer:
Die gesamte Unternehmenssphäre mit Fibu und Lohn steht bei uns nicht im Fokus und ist auch nicht geplant. Das haben wir bereits mehrfach klar gesagt!

STB Web:
Wie fügt sich denn die Plattformidee in Ihre Gesamtstrategie für die kommenden Jahre ein?

Eckhard Schwarzer:
Wir müssen in verschiedenen Bereichen Wegbereiter sein und nötigenfalls den Berufsstand weiter zum Umdenken bringen. Weiterhin wichtig sind für uns neben der Plattformökonomie die Themen Datenschutz und Datensicherheit sowie Fibu-Automatisierung für die Kanzleien.

STB Web:
Noch steht der Plattform ja die geltende Satzung der Datev eG entgegen, die Ihnen nicht erlaubt, direkte Geschäfte mit Nichtmitgliedern zu machen. Für wie realistisch halten Sie es denn, dass die Satzungsänderung bei der nächsten Abstimmung Ende Juni klappt? Und was tun Sie, falls sie scheitert?

Eckhard Schwarzer:
Die letzte Satzungsänderung – damals, 2005, ging es um das sogenannte mitgliedsgebundene Mandantengeschäft – hat dreieinhalb Jahre gedauert. Insofern haben wir noch etwas Zeit... (schmunzelt). Beim ersten Anlauf haben uns diesmal gerade drei Stimmen gefehlt. Und wir erleben gerade auf unseren Infoveranstaltungen viele Mitglieder, die uns nach den Vorträgen zustimmen. Da gibt es auch Mitglieder, die uns sehr kritisch gegenüber eingestellt waren, und die am Ende sagen: Jetzt habe ich das erst verstanden, jetzt bin ich dafür! Das stimmt uns optimistisch, dass es im Juni klappt. Und es bringt auch nichts, über den Ausgang einer nächsten Abstimmung zu spekulieren, denn es gibt im Hinblick auf die Zukunft keine Alternative.

** Eckhard Schwarzer, Diplom-Volkswirt, Jahrgang 1956, ist seit 2014 stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Datev eG sowie verantwortlich für Marketing, Service und Vertrieb. Im Vorstand der Datev ist er seit 2008.

Hintergrund:

Am 19. Februar 2018 hat die Datev eG eine außerordentliche Vertreterversammlung einberufen mit dem Ziel, die Satzung zu ändern. Dabei wurde die benötigte Dreiviertelmehrheit für eine Satzungsänderung knapp verfehlt. Die geplante Änderung sah vor, den Geschäftsbetrieb mit sonstigen Nicht-Mitgliedern der DATEV eG auch dort zuzulassen, wo er die originären Aufgaben der Mitglieder berührt. Mit der alten und neuen Satzung ist dies nicht möglich. Eine weitere Abstimmung darüber ist für den 29.6.2018 bei der regulären Vertreterversammlung geplant.

** Das Gespräch führte Alexandra Buba. Sie ist freie Journalistin und spezialisiert auf die Themen der Steuerberatungsbranche (www.medientext.com). Alexandra Buba schreibt regelmäßig für die STB Web-Redaktion.

 

 

 

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 25.04.2018, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.