21.05.2014 | Beratertipp

Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung ab 55 nur unter sehr erschwerten Bedingungen möglich

Von Susanne Christ, Rechtsanwältin/Fachanwältin für Steuerrecht, Köln *

Privat Krankenversicherte sind, zumindest wenn sie jung sind, oftmals wegen der geringen Beiträge mit ihrer Wahl sehr zufrieden. Diese Zufriedenheit sinkt allerdings in dem Maße, in dem die Beiträge mit zunehmendem Alter immer weiter - manchmal auch sehr rasant - ansteigen. In der Beratung sind daher die Fragen nach den Möglichkeiten einer Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung vor allem von älteren Mandantinnen und Mandanten nicht selten.

Wer als zunächst gesetzlich Krankenversicherter die Voraussetzungen für die private Krankenversicherung erfüllt, etwa, weil die Versicherungspflichtgrenze bzw. Jahresentgeltgrenze überschritten wurde oder weil statt einer angestellten nunmehr eine selbständige Tätigkeit ausgeübt wird, hat grundsätzlich ein Wahlrecht: Entweder weiterhin (freiwillig) in der gesetzlichen Krankenversicherung zu verbleiben oder in eine private Krankenversicherung zu wechseln - vorausgesetzt, eine private Krankenversicherung ist zur Aufnahme bereit. Während der Wechsel von der freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung zur privaten Krankenversicherung immer – unter Einhaltung der Kündigungsfristen – möglich ist, wenn eine private Krankenversicherung ihre Aufnahmebereitschaft erklärt, ist eine Rückkehr von der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung nicht so einfach möglich.

Hinweis: Seit Einführung der Krankenversicherungspflicht im Jahr 2009 ist es nicht mehr möglich, bei Entfallen der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht auf jegliche Krankenversicherung zu verzichten. Bis dahin hatten vor allem Selbständige häufig auf eine Krankenversicherung verzichtet, um Beiträge zu sparen. Nunmehr gilt: Wer aus einer (freiwilligen) gesetzliche Krankenversicherung ausscheiden möchte, muss eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall nachweisen.

Vorsicht, Einbahnstraße!

Besteht keine gesetzliche Krankenversicherungspflicht, ist der Wechsel in die private Krankenversicherung möglich. Aber Achtung! Hier handelt es sich grundsätzlich um eine Einbahnstraße, eine Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung ist in der Regel nur möglich, wenn die Voraussetzungen für die gesetzliche Krankenversicherungspflicht später neu begründet werden. Das ist beispielsweise der Fall, wenn, etwa wegen Reduzierung der Arbeitszeit, das Einkommen wieder unter die Versicherungspflichtgrenze rutscht oder die selbständige Tätigkeit zugunsten einer angestellten Tätigkeit mit einem Gehalt unterhalb der Versicherungspflichtgrenze aufgegeben wird.

Die Versicherungspflichtgrenze bzw. sog. allgemeine Jahresentgeltgrenze (JAEG) bemisst die Höhe des Brutto-Arbeitsentgelts, ab der ArbeitnehmerInnen nicht mehr in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, also auch in die private Krankenversicherung wechesln können. 2014 beträgt diese Grenze 53.550 EUR brutto jährlich bzw. 4.462,50 EUR monatlich.

Wenn die private Krankenversicherung zum Sorgenkind wird

Der Wunsch nach Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung wird im Alter wegen der dann immer höher werdenden Beiträge immer stärker. Denn plötzlich wäre eine gesetzliche Krankenversicherung günstiger. In der Praxis wird Betroffenen daher gern empfohlen, eine angestellte Tätigkeit aufzunehmen. Liegt das Gehalt unterhalb der Versicherungspflichtgrenze, wird dadurch grundsätzlich der Weg zurück in die gesetzliche Krankenversicherung eröffnet:

  1. Es darf sich dabei nicht um eine geringfügige Beschäftigung handeln.
  2. Das Gehalt muss unterhalb der Versicherungspflichtgrenze liegen.

Diese beiden Voraussetzungen sind leicht nachzuvollziehen, da es sich dabei um die üblichen Voraussetzungen einer gesetzlichen Krankenversicherungspflicht handelt. Es gibt jedoch noch weitere Einschränkungen, die in der Beratungspraxis unbedingt zu beachten sind. Liegen diese vor, ist die Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung auch bei Aufnahme einer angestellten Tätigkeit unterhalb der Versicherungspflichtgrenze ausgeschlossen:

  1. In der Vergangenheit ist auf die Versicherungspflicht verzichtet worden.
  2. Die/der Betreffende hat das 55. Lebensjahr vollendet.

Wenn also in der Vergangenheit auf die Versicherungspflicht verzichtet hat, kann später nicht mehr in die gesetzliche Krankenkasse zurückgekehrt werden.

Beispiel: Arbeitnehmerin Frau Schulze ist seit acht Jahren privat krankenversichert, weil ihr Gehalt seither die Jahresentgeltgrenzen übersteigt. Aufgrund der Geburt von Zwillingen und der von ihr übernommenen Familienarbeit ist sie ab 2014 nur noch an 2 Tagen in Teilzeit angestellt tätig und unterschreitet die Jahresentgeltgrenzen. Grundsätzlich ist sie gesetzlich krankenversichert; da sie aber die private Krankenversicherung fortführen möchte, lässt sie sich, was nach § 8 SGB V möglich ist, von der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht befreien. Diese Entscheidung führt dazu, dass sie zukünftig nicht mehr in die gesetzliche Krankenversicherung zurückkehren kann, selbst wenn sie die Jahresentgeltgrenzen unterschreitet (sog. absolute gesetzliche Versicherungsfreiheit).

Mit 55 Jahren ist Schluss

Auch nach Vollendung des 55. Lebensjahres ist ein Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung grundsätzlich nicht möglich. Diese Regelung ist - das zeigt die Praxis - den Betroffenen oft nicht bekannt.

  1. Haben die Betreffenden aber das 55. Lebensjahr vollendet, ist eine Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung grundsätzlich nur möglich, wenn die betroffene Person innerhalb der letzten fünf Jahre davor gesetzlich krankenversichert war. Bestand also in den letzten fünf Jahren für mindestens einen Tag eine gesetzliche Krankenversicherungspflicht, bleibt auch nach Vollendung des 55. Lebensjahres die Krankenversicherungspflicht bestehen, so dass dadurch der Weg in die gesetzliche Krankenversicherung eröffnet ist.

  2. Auch wenn in den letzten fünf Jahren keine gesetzliche Krankenversicherung wie in Punkt 1 beschrieben, vorlag, kann ausnahmsweise auch nach Vollendung des 55. Lebensjahres in die gesetzliche Krankenversicherung gewechselt werden. Vorausgesetzt, die betreffende Person war in den letzten fünf Jahren an höchstens 900 Tage (=die Hälfte von in den letzten 5 Jahren) von der gesetzlichen Krankenversicherung aus schädlichen, sog. qualifizierten Gründen befreit. Schädlich ist etwa Befreiung wegen Überschreitens der Jahresentgeltgrenzen oder wegen Ausübung einer selbständigen Tätigkeit. War die betreffende Person in den letzten fünf Jahren an mindestens 900 Tagen aus anderen, (als unschädlich einzustufenden Gründen) nicht gesetzlich krankenversichert, bleibt auch nach Vollendung des 55. Lebensjahres der Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung eröffnet. Das ist beispielsweise der Fall, wenn jemand nach langem Auslandsaufenthalt in Deutschland tätig wird oder wenn jemand jahrelang Sozialhilfeleistungen in Anspruch genommen hatte.

  3. Bei absoluter gesetzlicher Versicherungsfreiheit ist eine Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung verwehrt, selbst wenn die unter 1. und 2. genannten Voraussetzungen vorliegen würden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung bei über 55-jährigen Versicherten endgültig verwehrt ist, wenn in den letzten fünf Jahren einerseits keine gesetzliche Krankenversicherung bestand und ein qualifizierter Grund für die fehlende Krankenversicherungspflicht, insbesondere das Überschreiten der Jahresentgeltgrenze oder die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit, für mindestens 900 Tage vorlag. Nicht zwingend ist ein zusammenhängender Zeitraum. Ebenso ist der Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung bei absoluter gesetzlicher Versicherungsfreiheit verwehrt.

Beispiel: Herr Berger hat am 4. April 2014 sein 55. Lebensjahr vollendet. Bevor er sich am 1.1.2014 mit IT-Beratung selbständig gemacht hat, war er bis 31.12.2013 als Angestellter tätig und gesetzlich krankenversichert. Mit Aufnahme der selbständigen Tätigkeit wechselte er in die private Krankenversicherung. Im Mai 2014 wird ihm eine Stelle als Angestellter angeboten; das Gehalt würde unter der Jahresentgeltgrenze liegen. Diese Stelle würde er gern annehmen. Auch wenn Herr Berger bei Beginn des neuen Arbeitsverhältnisses über 55 Jahre alt ist, ist er gesetzlich krankenversicherungspflichtig, weil er innerhalb der letzten fünf Jahre gesetzlich krankenversicherungspflichtig war, d.h. er hat die Möglichkeit, obwohl er älter als 55 Jahre ist, in die gesetzliche Krankenkasse zurückzukehren.

Praktisch bedeutsamer ist aber der Fall, dass eine Person bei Erreichen des 55. Lebensalters seit mehr als fünf Jahren selbständig tätig ist. Hätte Herr Berger seine frühere angestellte Tätigkeit bereits im Januar 2009 zugunsten der selbständigen Tätigkeit beendet und sich direkt privat versichert, wäre er im Mai 2014 nicht mehr gesetzlich krankenversicherungspflichtig, weil

  1. kein Tag gesetzliche Krankenversicherung innerhalb der letzten fünf Jahre;
  2. qualifizierter Grund: Aufgrund der selbständigen Tätigkeit war er während der gesamten fünf Jahre, also mindestens 900 Tage nicht krankenversicherungspflichtig.

In diesem Fall wäre Herr Berger von der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht befreit, so dass er keinen Anspruch auf gesetzliche Krankenversicherung hat. Wegen der seit 2009 in Deutschland eingeführten Krankenversicherungspflicht müsste er sich trotz einer Anstellung mit Gehalt unterhalb der Jahresentgeltgrenze weiterhin privat krankenversichern.

Hinweis: Es ist denkbar, dass in wenigen eng gefassten Ausnahmefällen, vor allem in Fällen der Familienversicherung oder bei Rückkehr aus dem Ausland, eine gesetzliche Krankenversicherungspflicht auch für über 55jährige begründet werden kann. Auf diese Fälle kann wegen der Komplexität hier nicht näher eingegangen werden.

Achtung!

Bitte beachten Sie den Umfang der Beratungsbefugnis im Sozialversicherungsrecht. So dürfen Rechtsanwälte in diesem Bereich uneingeschränkt beraten, während Steuerberater im Sozialversicherungsrecht nur eingeschränkt beraten dürfen (vgl. Sie dazu auch den Beitrag vom 25.06.2014: "Vorsicht: Unerlaubte Rechtsberatung im Zusammenhang mit Statusfeststellungen nach § 7 a SGB IV").

 

* Über die Autorin:

Susanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht. Sie führt eine eigene Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln und ist die Sprecherin des Erbrechtsausschusses des Kölner Anwaltsvereins. Susanne Christ ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Sie schreibt auch regelmäßig Fachartikel und Kommentare bei STB Web. 

E-Mail: s.christ@netcologne.de

 

 

(STB Web)



Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 21.05.2014, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.