27.10.2022 | Gestaltungsberatung
Von RAin Susanne Christ, Fachanwältin für Steuerrecht
In der Praxis kommt es häufig vor, dass mehrere Schenkungen hintereinander geschaltet werden. Dafür gibt es verschiedenste zivilrechtliche und steuerliche Gründe. Werden diese Schenkungen in engem zeitlichen Zusammenhang oder gar in einer notariellen Urkunde zusammengefasst durchgeführt, besteht das Risiko, dass das Finanzamt statt zweier Schenkungen lediglich eine Schenkung annimmt. Dies kann hohe Steuerzahlungen auslösen.
Beispiel: Der Vater von der mit S verheirateten T möchte ihr, um sie mit ihrem Bruder, der bereits ein Grundstück erhalten hat, gleichzustellen, ein Baugrundstück schenken. T plant, die Hälfte dieses Grundstücks an ihren Ehemann S weiterzuschenken, da dies bebaut werden soll und beide Eheleute zusammen ein Darlehen zur Finanzierung des Baus aufnehmen wollen.
Würde das Finanzamt in solch einem Fall eine Kettenschenkung bejahen, würde es sich steuerlich um zwei Schenkungen handeln:
1.) Schenkung gesamtes Grundstück Vater an Tochter – persönlicher Freibetrag 400.000 EUR, Eingangssteuersatz 7 %.
2.) Schenkung des halben Grundstücks Tochter (Ehefrau des S) an Ehemann – persönlicher Freibetrag 500.000 EUR, Eingangssteuersatz 7 %.
Würde das Finanzamt stattdessen hinsichtlich des halben Grundstücks eine Schenkung vom Vater direkt an den Schwiegersohn annehmen, würden folgende Schenkungen vorliegen:
Die Übersicht zeigt, dass es im Regelfall schenkungsteuerlich äußerst ungünstig ist, eine Immobilie an Schwiegerkinder zu verschenken; wird hier lediglich ein persönlicher Freibetrag von 20.000 EUR gewährt und der Eingangssteuersatz beträgt 15 %. Die Schenkung einer Immobilie oder eines Anteils an einer Immobilie an Schwiegerkinder wird daher in der Regel immer Schenkungsteuer auslösen, während die Schenkung einer Immobilie an ein Kind grundsätzlich erst Schenkungsteuer auslöst, wenn der Wert über 400.000 EUR liegt.
Werden mehrere Schenkungen hintereinandergeschaltet, besteht das Risiko, dass nur eine Schenkung (zwischen der ersten zuwendenden Person (im Beispiel der Vater) und der zuletzt erwerbenden Person (Schwiegersohn) angenommen wird. Entscheidend dafür, ob eine Schenkung oder zwei Schenkungen angenommen werden, ist, ob die zwischenzeitlich erwerbende Person (im Beispiel die Tochter) selbst entscheiden kann, ob sie die ihr schenkweise zugewendeten Gegenstände, also das Grundstück, ganz oder teilweise weiterverschenkt. Diese Person muss über den Gegenstand disponieren können. Fehlt es an einer solchen Dispositionsbefugnis, etwa, weil sich die zwischenerwerbende Person verpflichtet hat, den Gegenstand weiter zu verschenken, dann bejaht der Fiskus allzu gern nur eine Schenkung.
Riskant ist es, mehrere Schenkungsverträge innerhalb einer Urkunde zusammenzufassen und einheitlich beurkunden zu lassen. Denn nach ständiger Rechtsprechung muss sich die Dispositionsbefugnis eindeutig aus dem Vertrag oder den Umständen ergeben, wenn die verschiedenen Schenkungsverträge in einer Urkunde zusammengefasst werden oder in zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Urkunden abgeschlossen werden.
Mit anderen Worten: werden die Schenkungsverträge innerhalb eines Notartermins in einer oder mehreren Urkunden beurkundet, spricht dies zunächst für das Fehlen einer Dispositionsbefugnis der zwischenerwerbenden Person (im Beispiel: der Tochter) und für die Schenkung von Schwiegervater an Schwiegersohn.
Dies musste auch leidvoll eine Familie erfahren, die beide Schenkungen in einer Urkunde beurkunden ließen. Diesen Umstand nahm das Finanzamt zum Anlass, hinsichtlich der Hälfte des Grundstücks eine Schenkung von Schwiegervater an Schwiegersohn zu bejahen und Schenkungsteuer in Höhe von knapp 9.000 EUR festzusetzen.
Glück im Unglück: das mit dem Fall befasste FG Rheinland-Pfalz teilte zwar die ständige Rechtsprechung, nach der es grundsätzlich an einer Dispositionsbefugnis fehlt, wenn in einer Urkunde mehrere Schenkungsverträge beurkundet werden; prüfte aber sowohl Vertragstext als auch die weiteren Umstände des Falls und kam zu dem Ergebnis, dass eine Kettenschenkung von Vater auf Tochter und Tochter auf Ehemann vorlag. Da die Revision nicht zugelassen war, legte die Finanzverwaltung Nichtzulassungsbeschwerde ein, die der BFH verwarf, vgl. Beschluss BFH vom 28.7.2022 – II B 37/21.
Das FG Rheinland-Pfalz listete in seiner Entscheidung die für und gegen eine Dispositionsbefugnis der Tochter sprechenden Indizien auf und kam zu dem Ergebnis, dass gewichtigere Indizien für das Vorliegen einer Dispositionsbefugnis sprechen.
In seiner Entscheidung ließ sich das Finanzgericht vor allem von dem Gedanken leiten, dass Eltern in der Regel kein Interesse daran haben, Schwiegerkindern zur Regelung der Erbfolge Immobilien zu übertragen. Gerade wenn das eigene Kind im ehelichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebt, der automatisch gilt, wenn kein Ehevertrag geschlossen wird, erhöht die Schenkung einer Immobilie an das eigene Kind im Hinblick auf das zukünftige Erbrecht des Kindes nach § 1374 Abs. 2 BGB dessen Anfangsvermögen. D.h. im Falle einer Scheidung würde diese Schenkung nicht in den Zugewinn des Kindes fallen und wäre nicht gegenüber dem Schwiegerkind im Rahmen eines Zugewinnausgleichs auszugleichen. Ganz anders wäre die Sachlage, wenn dem Schwiegerkind direkt von Schwiegereltern eine Immobilie geschenkt würde. Dieser Teil der Schenkung würde das Anfangsvermögen des eigenen Kindes dann nicht erhöhen.
Gegen eine Dispositionsbefugnis sprachen für das Finanzgericht die zum Teil im Schenkungsvertrag getroffenen Formulierungen und die zeitliche Enge beider Schenkungen. Diese Indizien wurden nach Auffassung des FG jedoch durch den mutmaßlichen Willen der Beteiligten entkräftet, nach dem Eltern grundsätzlich ihre Kinder und nicht ihre Schwiegerkinder beschenken wollen. Hinzu kam, dass ausdrücklich auf eine Zwischeneintragung der Tochter im Grundbuch verzichtet worden war. Ein solcher Verzicht wäre nicht erforderlich gewesen, wenn es sich um eine Schenkung von Schwiegervater an Schwiegersohn gehandelt hätte. Die vom FG getroffene Abwägung hätte aber auch zu einem anderen, für die Familie ungünstigeren Ergebnis führen können und zeigt, wie riskant es ist, sich auf eine zutreffende Abwägung der Gerichte zu verlassen. Deshalb sollten mehrere Schenkungen nach Möglichkeit nicht in einer Urkunde zusammengefasst oder zeitlich hintereinander beurkundet werden.
Praxishinweis: Auch wenn Immobilienschenkungen notariell beurkundet werden, sollten der Vertragstext genau auf den Wortlaut hin geprüft werden. Missverständliche Formulierungen sollten vermieden werden. Die Ausführungen des FG Rheinland-Pfalz, 17.12.2020 – 4 K 1417/19 im Urteil geben gute Hinweise, welche Formulierungen empfehlenswert sind. Gerade wenn aus steuerlicher Sicht beraten wird, sollten die vom FG entwickelten Klauseln beachtet werden.
Die Abwägung für und gegen eine Dispositionsbefugnis unterliegt einer Wertung. Wie diese getroffen wird, lässt sich naturgemäß nicht sicher vorhersagen.
Dieses Risiko lässt sich vermeiden, wenn die hintereinander gelagerten Schenkungen in verschiedenen Vertragsurkunden und zeitlich voneinander getrennt beurkundet werden. Dass kann zwar höhere Gebühren bei den Notariaten und den Grundbuchämtern auslösen; aber gerade wenn es um Kettenschenkungen von Immobilien geht, sind diese (zusätzlichen) Gebühren häufig erheblich geringer als die Schenkungsteuer, die erhoben würde, wenn eine Kettenschenkung nicht anerkannt wird.
Soll eine Immobilie im Rahmen einer Kettenschenkung zunächst auf eine Person übertragen werden, damit diese Person dann die Immobilie oder einen Teil davon auf eine andere Person überträgt, sollten diese beiden Schenkungsverträge nicht innerhalb einer Urkunde oder innerhalb eines Notartermins in mehreren Urkunden beurkundet werden. Jedenfalls dann, wenn es bei fehlender Anerkennung der Kettenschenkung zu einer höheren Schenkungsteuerbelastung kommt als bei Anerkennung der Kettenschenkung. Ebenso sollten missverständlichen Formulierungen vermieden werden.
Nach ständiger Rechtsprechung spricht eine gemeinsame Beurkundung der verschiedenen Schenkungsverträge grundsätzlich gegen die Dispositionsbefugnis der zwischenererbenden Person und damit gegen das Vorliegen einer (in der Regel steuerlich günstigeren) Kettenschenkung. Dies kann zwar durch Indizien widerlegt werden; aber ob es gelingt, die Finanzverwaltung oder die Finanzgerichte davon zu überzeugen, lässt sich nicht sicher vorhersagen.
Alternativ besteht die Möglichkeit, eine verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 ff AO vom Finanzamt einzuholen. Diese ist allerdings kostenpflichtig; die Kosten richten sich nach dem Gegenstandswert. Zu beachten ist dabei, dass der Antrag auf Ausstellung einer verbindlichen Auskunft nur zulässig ist, wenn sich der Sachverhalt noch nicht verwirklicht hat, d.h., diese muss vor Beurkundung der Schenkungsverträge erfolgen.
* Über die Autorin:
Susanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht mit eigener Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln. Sie ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und bei STB Web sowie Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Außerdem ist sie Mitautorin des Kommentars „Nachfolgebesteuerung“ (Schmid, Hrsg.), der 2019 im Nomos Verlag erschienen ist. E-Mail: s.christ@netcologne.de
Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 27.10.2022, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.