22.06.2016 | Beratertipp

Minimalanspruch auf Krankenversicherung bei Beitragsrückständen - Teil 2: Die private Krankenversicherung

Von Susanne Christ, Rechtsanwältin/Fachanwältin für Steuerrecht, Köln *

Hier finden Sie Teil 1: Die gesetzliche Krankenversicherung

Die Höhe der privaten Krankenversicherung ist nicht abhängig vom Einkommen des Versicherten. Sinken die Einnahmen des Versicherten, werden dadurch die Beiträge zur Krankenversicherung - anders als in der gesetzlichen Krankenversicherung - nicht verringert. Da die Beiträge mit zunehmenden Alter zum Teil erheblich steigen, laufen privat Versicherte noch schneller als gesetzlich Versicherte Gefahr, die Beiträge nicht mehr zahlen zu können.

Sowohl in der gesetzlichen als auch in der privaten Krankenversicherung gibt es eine Art Nottarif, durch den eine Miniversorgung des Versicherten gewährleistet wird, wenn die Beiträge zur Krankenversicherung nicht gezahlt werden. (Foto: © sepy - Fotolia.com)

Einstufung in den sog. Notlagentarif

Kann die versicherte Person die Beiträge zur privaten Krankenversicherung nicht mehr zahlen, wird die Krankenversicherung die rückständigen Beiträge zunächst anmahnen, und spätestens nach drei Monaten das Versicherungsverhältnis ruhend stellen, wenn die Beiträge für mindestens einen Monat offen sind (vgl. § 193 VVG).

Es erfolgt eine Einstufung in den sog. Notlagentarif mit sehr begrenzten Leistungen und entsprechend geringem Beitrag. Vorteilhaft an dem 2013 eingeführten Notlagentarif ist, dass nur der geringe Beitrag zum Notlagentarif geschuldet wird und nicht die hohen ursprünglichen Beiträge weiterlaufen. Das klingt zunächst günstig, hat jedoch einen sehr reduzierten Versicherungsschutz zur Folge: Leistungen aus der Versicherung können dann nur noch

  • bei einer akuten Erkrankung und
  • bestehenden Schwangerschaft

in Anspruch genommen werden. Hier ist das Leistungsspektrum ähnlich ausgestaltet wie bei der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn das Versicherungsverhältnis ruht.

Etwas weitergehend ist die Versorgung von Kindern und Jugendlichen: hier werden die Kosten für medizinisch notwendige Heilbehandlungen wegen Krankheit oder Unfallfolgen sowie Vorsorgeuntersuchungen und Schutzimpfungen übernommen. Die gesetzliche Krankenversicherung ist hier großzügiger: denn die Familienversicherung läuft auch bei Beitragsrückständen ohne Einschränkung weiter.

Immerhin: Anders als vor Einführung der Krankenversicherungspflicht ist die private Krankenversicherung nicht mehr berechtigt, das Versicherungsverhältnis zu kündigen.

Werden die Beitragsrückstände einschließlich der Säumniszuschläge vollständig ausgeglichen, erfolgte eine Rückstufung in den ursprünglichen Tarif. Aber: Für die Zeit des Notlagentarifs werden keine Altersrückstellungen gebildet.

Hinweis: Die frühere Möglichkeit der privaten Krankenversicherung, den Versicherten bei Beitragsrückständen von mindestens 12 Monatsbeiträgen zwingend in den Basistarif einzustufen, ist abgeschafft. Nach alter Rechtslage konnte dann der Versicherte nur aufgrund neuer Gesundheitsprüfung in den ursprünglichen Tarif zurückkehren. Nunmehr besteht die Möglichkeit, nach Ausgleich sämtlicher rückständigen Beiträge einschließlich der weiteren dadurch entstandenen Kosten in den ursprünglichen Tarif zurückzukehren, vgl. § 193 Abs. 9 VVG.

Was tun, wenn die Beiträge zur privaten Krankenversicherung nicht mehr gezahlt werden können?

Ist absehbar, dass die Beiträge nicht mehr gezahlt werden können, sollten sich Betroffene

  1. mit der Krankenversicherung und
  2. mit dem Sozialamt in der Verbindung setzen

Mit der Krankenversicherung ist zu klären, ob und wenn ja, welche Einsparmöglichkeiten bestehen. So kann ggf. die Selbstbeteiligung erhöht werden; allerdings sollten genügend Rücklagen vorhanden sein, um dann die höheren Arztkosten zahlen zu können. Bestimmte Zusatzleistungen sind oft teuer. So lassen sich die laufenden Beiträge durch den Verzicht auf eine Chefarztbehandlung und durch Verzicht auf ein Zweibettzimmer deutlich verringern. Auch sollte ein Tarifwechsel ins Auge gefasst werden. Alternativ sollte auch ein Wechsel in den Basistarif geprüft werden, manchmal sind aber die Beiträge zum Basistarif höher als die aktuellen.

Wichtig! Zeichnet sich ab, dass die Beiträge in der bisherigen Höhe nicht mehr gezahlt werden können, sollte schnellstmöglich das Gespräch mit der Krankenversicherung gesucht werden, um Lösungen zu erarbeiten, bevor es zu Beitragsrückständen kommt.

Aber auch der Gang zum Sozialamt kann Entlastung bringen: Denn in bestimmten Fällen werden von der Sozialhilfe die Beitragszahlungen zur privaten Krankenversicherung teilweise übernommen. Kann auch der dann noch verbleibende Beitrag nicht mehr selbst gezahlt werden, wird ggf. noch ein Zuschuss zur privaten Krankenversicherung vom zuständigen Grundsicherungsträger übernommen. Auch hier sollte baldmöglich - etwa mit Hilfe der örtlichen Verbraucherzentralen oder Schuldnerberatungen - geklärt werden, welche Beiträge übernommen werden.

Übrigens: Es ist nicht möglich, „freiwillig“ in den sog. Notlagentarif zu wechseln. Nur wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen, hat die Versicherung den Versicherten in den Notlagentarif einzustufen. Insofern kann ein Versicherter die Einstufung in den Notlagentarif „provozieren“, indem er die Beiträge zur privaten Krankenversicherung einstellt. Allerdings hat das Versicherungsunternehmen die Möglichkeit, die Beitragsrückstände durch Vollstreckungsmaßnahmen einzutreiben. Aufgrund der bei solchen Maßnahmen entstehenden hohen Kosten, die ebenfalls von Versicherten zu tragen sind, ist ein solches Vorgehen nicht empfehlenswert.

Vergleich gesetzliche und private Krankenversicherung

Sowohl in der gesetzlichen als auch in der privaten Krankenversicherung gibt es eine Art Nottarif, durch den eine Miniversorgung des Versicherten gewährleistet wird, wenn die Beiträge zur Krankenversicherung nicht gezahlt werden.

Interessant ist der Unterschied zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung bei der Familienversicherung. Während in der gesetzlichen Krankenversicherung die Familienversicherung auch bei Beitragsrückständen nicht durch einen Nottarif eingeschränkt wird, gilt bei privat versicherten Familienangehörigen auch für sie der sog. Notlagentarif. Allerdings ist das Leistungsspektrum für Kinder und Jugendliche im Notlagentarif der privaten Krankenversicherung weitergehend als bei Erwachsenen. Bei Kindern und Jugendlichen werden zusätzliche zur Akutbehandlung noch Vorsorgeuntersuchungen und Schutzimpfungen übernommen.

Hier finden Sie Teil 1: Die gesetzliche Krankenversicherung

 

* Über die Autorin:

Susanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht. Sie führt eine eigene Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln und ist die Sprecherin des Erbrechtsausschusses des Kölner Anwaltsvereins. Susanne Christ ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Sie schreibt auch regelmäßig Fachartikel und Kommentare bei STB Web. 

E-Mail: s.christ@netcologne.de


(STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 22.06.2016, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.