20.04.2016 | Beratertipp

Minimalanspruch auf Krankenversicherung bei Beitragsrückständen - Teil 1: Die gesetzliche Krankenversicherung

Von Susanne Christ, Rechtsanwältin/Fachanwältin für Steuerrecht, Köln *

Hier finden Sie Teil 2: Die private Krankenversicherung

Schlagzeilen über die Krebserkrankung des Ex-Piraten Claudius Holler und seiner fehlenden Krankenversicherung schreckten in den vergangenen Wochen die Öffentlichkeit auf. Denn dieser Fall zeigt deutlich, dass längst nicht alle in Deutschland bei einer Erkrankung auf Leistungen aus der Krankenversicherung zurückgreifen können, obwohl doch spätestens seit dem 1.1.2009 in Deutschland eine flächendeckende Krankenversicherungspflicht gilt. 

Flankierend mit der Einführung der Krankenversicherungspflicht wurde die Verpflichtung der Krankenversicherungen begründet, Personen in ihrer Versicherung aufzunehmen, wenn sie zuletzt bei ihnen versichert waren und ein Kündigungsverbot bei Beitragsrückständen.

Und richtig: Mit Einführung der Krankenversicherungspflicht konnten zahlreiche Personen, die in der Vergangenheit aus welchen Gründen auch immer aus dem System der Krankenversicherung ausgeschlossen worden waren, in die Krankenversicherung zurückkehren. Das ist die gute Nachricht.

Die schlechte Nachricht ist, dass längst nicht jede Person auf Leistungen aus der Krankenversicherung zurückgreifen kann. Denn der Leistungsanspruch aus der Krankenversicherung ruht, wenn der Versicherte mit einem Betrag in Höhe von Beitragsanteilen für zwei Monate im Rückstand ist und trotz Mahnung nicht zahlt. Das gilt gleichermaßen für gesetzlich wie auch privat versicherte Personen (vgl. § 16 Abs. 3 a SGB für gesetzlich Versicherte und §193 Abs. 6 VVG für privat versicherte Personen).  Mit anderen Worten: die versicherte Person kann zwar nicht mehr bei Beitragsrückständen aus der Krankenversicherung rausfliegen, aber ihr können die Leistungen verweigert werden. Und zwar solange, bis sämtliche rückständigen Beiträge gezahlt sind.

Teil 1: Beitragsrückstände bei gesetzlich krankenversicherten Personen  

Der Leistungsanspruch einer gesetzlich versicherten Person ruht nach § 16 Abs. 3 a SBG V, wenn sie mit einem Betrag in Höhe von Beitragsanteilen für zwei Monate im Rückstand sind und trotz Mahnung nicht zahlt. Ist erst einmal ein hoher Rückstand angewachsen, muss dieser insgesamt und (!) außerdem die auf die Zeit des Ruhens entfallenden Beitragsanteile vollständig ausgeglichen werden, um das Ruhen der Krankenversicherung zu beenden. Da kommen schnell einige tausend Euro zusammen.

Praxistipp: Wer merkt, dass er die Beiträge zur Krankenversicherung nicht mehr zahlen kann, sollte sich möglichst sofort an die Krankenversicherung wenden, um eine Lösung zu finden. Den Kopf in den Sand stecken führt dazu, dass die Situation sich immer weiter verschlechtert und sich immer höhere Schulden anhäufen.

Werden sämtliche Beiträge ausgeglichen, besteht sofort wieder voller Versicherungsschutz.

Übrigens: Bei Personen, die hilfebedürftig im Sinne des zweiten oder zwölften Buches des SGB sind, ist der Eintritt des Ruhens des Versicherungsverhältnisses ausgeschlossen, vgl. § 16 Abs. 3a Satz 4 SGB V.

Beendigung des Ruhens der Krankenversicherung

Das Ruhen der Krankenversicherung kann aus verschiedenen Gründen beendet werden:

  1. Die offenen Beiträge werden vollständig bezahlt
  2. Wirksame Ratenzahlungsvereinbarung, solange die Raten vertragsgemäß entrichtet werden
  3. Die versicherte Person wird hilfebedürftig im Sinne des zweiten oder zwölften Buchs des SGB.

Leistungen aus der Krankenversicherung trotz Ruhens der Krankenversicherung.

Auch wenn der Hilferuf des Ex-Piraten etwas anders suggeriert, ganz schutzlos sind die Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung auch im Falle des Ruhens des Versicherungsverhältnisses nicht. Für folgende Behandlungen werden auch Leistungen gewährt, wenn das Versicherungsverhältnis ruht:

  • akute Erkrankungen
  • akute Schmerzzuständen
  • Schwangerschaft und Mutterschaft,
  • bestimmte Vorsorgeuntersuchungen nach § 25, 26 SGB V.

Welche Leistungen dazu zählen und welche nicht, ist nicht immer leicht zu klären. So kann ein Leistungsanspruch auch bei Behandlungen, die über einen längeren Zeitraum erforderlich sind, bestehen, etwa bei chronischen Erkrankungen wie Diabetes oder koronare Herzkrankheit. Denn auch bei chronischen Erkrankungen sind an säumige Beitragszahler die notwendigen Leistungen zu erbringen, ohne die eine Verschlimmerung des Krankheitszustandes und damit ein akuter Krankheitszustand zu erwarten ist. So werden üblicherweise die Insulinbehandlung bei Diabetikern und die Dialyse bei Nierenversagen übernommen.

Medizinisch aufschiebbare Maßnahmen werden während der Ruhensphase jedoch nicht übernommen. So besteht beispielsweise kein Anspruch auf Schutzimpfungen und zahnärztliche Vorsorgeleistungen.

Ist die Maßnahme von §§ 25, 26 SBG V erfasst, werden sie auch bei Ruhen der Krankenversicherung übernommen.

Übrigens - kein Ruhen des Versicherungsverhältnisses für Familienangehörige: Mitversicherte Familienmitglieder haben nach einem Schreiben des Bundesgesundheitsministeriums an den Spitzenverband Bund der Krankenkassen vom 23. Januar 2009 auch bei säumigen Beitragszahlungen des Versicherten Anspruch auf die Krankenversicherung. Eine gesetzliche Klarstellung gibt es dazu jedoch nicht.

Ob nach den dargestellten Grundsätzen der Ex-Pirat Claudius Holler, wenn er denn gesetzlich krankenversichert ist, tatsächlich keinen Anspruch auf die erforderliche Krebsbehandlung hat, ist mehr als fraglich, hängt aber von den Umständen des Einzelfalles ab. Allgemein dürfte es sich bei der Krankenbehandlung von Krebspatienten nicht um eine medizinisch aufschiebbare Maßnahme handeln.

Zusammenfassung:

Gesetzlich Krankenversicherte, deren Versicherungsverhältnis wegen Beitragsrückständen ruht, haben zwar nicht den vollen Anspruch aus der Krankenversicherung, aber Maßnahmen, die absolut notwendig sind, werden trotz des Ruhens - ebenso wie bestimmte Vorsorgemaßnahmen - übernommen. Das Ruhen der Krankenversicherung endet u.a., wenn sämtliche rückständigen Beiträge gezahlt werden oder wenn die versicherte Person hilfebedürftig im Sinne des zweiten und zwölften Buches des SGB wird.

Hier finden Sie Teil 2: Die private Krankenversicherung


* Über die Autorin:

Susanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht. Sie führt eine eigene Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln und ist die Sprecherin des Erbrechtsausschusses des Kölner Anwaltsvereins. Susanne Christ ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Sie schreibt auch regelmäßig Fachartikel und Kommentare bei STB Web. 

E-Mail: s.christ@netcologne.de



(STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 20.04.2016, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.