25.01.2024 | Beratungspraxis
Von RAin Susanne Christ, Fachanwältin für Steuerrecht
Fortbildungsleistungen können unter bestimmten Voraussetzungen von der Umsatzsteuer befreit sein. Da – gerade im Bereich der Supervision – vielfach die Aufträge von nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Personen und Einrichtungen wie Kitas, Pflegeheime und Kommunen erteilt werden, ist die Umsatzsteuerbefreiung sehr attraktiv.
Eine zu zahlende Umsatzsteuer wäre ein echter Kostenfaktor und würde, wenn die Umsatzsteuer nicht weitergereicht werden kann, den Nettoerlös schmälern. In der Praxis gibt es allerdings viel Verunsicherung darüber, wann eine Fortbildungsleistung von der Umsatzsteuer befreit ist. Gerade wenn eine Betriebsprüfung ins Haus steht, ist die Sorge groß, dass nachträglich auf sämtliche Umsätze Umsatzsteuer erhoben wird. Nachfolgend zeigen wir Ihnen, welche Regelungen gelten.
Supervisionsleistungen und andere berufsbezogene Fortbildungsleistungen sind nach § 4 Nr. 21 a Doppelbuchstabe bb UStG von der Umsatzsteuer befreit, wenn eine Bescheinigung der für das Unternehmen zuständigen Landesbehörde vorliegt, die bestätigt, dass es sich um eine berufsbezogene Fortbildung im Sinne des § 4 Nr. 21 a UStG handelt und die durchgeführte Fortbildung der Fortbildung entspricht, die bescheinigt wurde.
Für die Inanspruchnahme der Umsatzsteuerbefreiung muss also einerseits die Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde vorliegen und bei der durchgeführten Fortbildungsleistung muss es sich um die Fortbildung handeln, für die die Bescheinigung ausgestellt wurde. Dieser Punkt ist wichtig, denn beides wird von den Finanzämtern, beispielsweise im Zusammenhang mit einer Betriebsprüfung, überprüft.
Hat es das Unternehmen versäumt, sich eine solche Bescheinigung ausstellen zu lassen, kann die Umsatzsteuerbefreiung nach nationalem Recht nicht in Anspruch genommen werden, selbst wenn materiell die Voraussetzungen dafür vorliegen. Allerdings kann der Antrag auf Ausstellung einer solchen Bescheinigung auch rückwirkend und für bereits lange zurückliegende Zeiträume gestellt werden und wird tatsächlich, wie die praktische Erfahrung zeigt, für die Vergangenheit auch ausgestellt, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Die Ausstellung der Bescheinigung kann auch dann noch nachgeholt werden, wenn sich das Finanzamt bei einer Betriebsprüfung auf den Standpunkt stellt, die erbrachten Leistungen seien umsatzsteuerpflichtig, weil die Bescheinigung fehlt. Gleichwohl sollte möglichst vor Durchführung der Fortbildungsveranstaltungen geklärt sein, ob die Umsatzsteuerbefreiung gewährt wird.
Praxistipp: Liegen die Voraussetzungen für eine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 a Doppelbuchstabe bb UStG vor, sollte die Ausstellung der Bescheinigung bei der zuständigen Landesbehörde möglichst frühzeitig gestellt werden. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass die Landesbehörde die Auffassung vertritt, dass die erbrachten Fortbildungsleistungen nicht umsatzsteuerbefreit sind, insbesondere, wenn die Leistungen dem Bereich der Freizeitgestaltung zuzuordnen sind oder wenn es sich eher um eine Beratung und nicht um eine Fortbildung handelt. Werden solche Bedenken frühzeitig sichtbar, kann sich das betroffene Unternehmen besser darauf einstellen, indem es die zu zahlende Umsatzsteuer einkalkuliert oder das Angebot modifiziert.
Die Gesetzgebung hatte in den vergangenen Jahren eine Reform dieser komplizierten Regelung angestrebt und wollte das zweigeteilte Verfahren vereinfachen. Allerdings blieb es bislang bei dem Vorhaben. Ein Vorteil an der bisherigen Regelung ist immerhin, dass es möglich ist, vor Durchführung der Leistung durch die zuständige Landesbehörde beurteilen zu lassen, ob die Maßnahme die materiellen Voraussetzungen für eine Umsatzsteuerbefreiung erfüllen.
Vielfach, doch leider nicht immer, sind die zuständigen Landesbehörden kooperativ und helfen dabei, das Angebot so zu fassen, dass die Voraussetzungen für die Umsatzsteuerbefreiung erfüllt werden.
Die Bescheinigung kann übrigens auch durch die Finanzverwaltung beantragt werden, wenn sie der Auffassung ist, dass die erbrachte Leistung die materiellen Voraussetzungen der Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 a UStG erfüllt.
Fehlt einem Unternehmen die entsprechende Bescheinigung, besteht die Möglichkeit, trotzdem die Leistungen als umsatzsteuerbefreit behandeln zu lassen, wenn stattdessen die Voraussetzungen des Artikels 132 Abs. 1 Buchstabe j MwStSystRL erfüllt sind. Denn nach dieser Regelung sind bestimmte Fortbildungsleistungen unmittelbar nach EU-Recht von der Umsatzsteuer befreit, auch wenn die Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde nicht vorgelegt wird.
Nach Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe j MwStSystRL sind öffentlich-rechtliche und gleichgestellte Einrichtungen von der Umsatzsteuer befreit; davon erfasst sind auch Aus- und Fortbildungen sowie berufliche Umschulungen von Privatlehrer*innen, wenn sie für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handeln. Supervisionsleistungen, erfüllen, wie der BFH in seiner Entscheidung vom 22.6.2022 (Az. XI R 32/23) festgestellt hat, diese Voraussetzungen und sind deshalb, wenn sie unmittelbar gegenüber den auftraggebenden Personen (in der Regel die Arbeitgeber*innen) erbracht werden, aufgrund EU-Rechts umsatzsteuerbefreit.
Wird die Supervision also unmittelbar gegenüber den Institutionen erbracht, die diese den eigenen Beschäftigten anbietet, ist diese Leistung grundsätzlich von der Umsatzsteuer auch dann befreit, wenn die nach nationalem Recht erforderliche Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde nicht vorgelegt werden kann. Diese Regelung war schon häufig der Rettungsanker für Betroffene.
Stellt sich das Finanzamt im Rahmen einer Betriebsprüfung auf den Standpunkt, dass die erbrachte Fortbildungsleistung umsatzsteuerpflichtig sei, sollte zweigleisig gefahren werden. Wenn noch nicht geschehen, sollte unverzüglich ein Antrag auf Ausstellung der Bescheinigung rückwirkend für den Prüfungszeitraum bei der zuständigen Landesbehörde gestellt werden und es sollte geprüft werden, ob die Voraussetzungen von Art. 132 Abs. 1 Buchstabe j MwStSystRL vorliegen. Liegen diese vor, bedarf es keiner Bescheinigung, sondern dann ist die Umsatzsteuerbefreiung auch ohne Bescheinigung zu gewähren.
Über die Autorin:
Susanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht mit eigener Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln. Seit Juni 2023 ist sie Sprecherin des Erbrechtsausschusses beim Kölner Anwaltsverein. Daneben ist sie langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und bei STB Web sowie Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Außerdem ist sie Mitautorin des Kommentars „Nachfolgebesteuerung“ (Schmid, Hrsg.), der 2019 im Nomos Verlag erschienen ist. E-Mail: s.christ@netcologne.de
Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 25.01.2024, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.