28.09.2023 | Niedersächsisches FG

Zum Umfang der erbschaftsteuerlichen Befreiung eines Familienheims

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat bereits ausgeführt, dass ein Grundstück im Zusammenhang mit der erbschaftsteuerlichen Befreiung eines Familienheims entweder im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches oder des Bewertungsgesetzes zu verstehen sei. Im Fall des BFH kam es auf eine Entscheidung zu dieser Frage jedoch nicht an, sodass diese offenblieb. Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) traf nun eine Weder-noch-Entscheidung.

Teletax
(Foto: © iStock.com/RonFullHD)

Unter den Voraussetzungen von § 13 Abs. 1 Nr. 4c Erbschaftsteuergesetz ist der Übergang der selbstbewohnten Immobilie (das sogenannte Familienheim) von der Erbschaftsteuer befreit. Im Streitfall hatte der Kläger durch Erbschaft sechs Flurstücke erworben. Fünf dieser Flurstücke waren nach § 890 Bürgerliches Gesetzbuch zusammengefasst als ein Grundstück im Grundbuch vereinigt. Das Niedersächsische Finanzgericht hat entschieden, dass nur die Grundfläche des mit dem Familienheim bebauten Flurstücks von der Erbschaftsteuer befreit ist (Urteil vom 12. Juli 2023, Az. 3 K 14/23).

Besonderheiten im Besteuerungsverfahren

Bei der Erbschaftsteuer erfolgt die Bewertung von Grundbesitz grundsätzlich durch das Finanzamt, in dessen Bezirk das entsprechende Grundstück liegt. Die so festgestellten Werte sind dann vom für die Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt als sogenannte Grundlagenbescheide in den Erbschaftsteuerbescheid zu übernehmen. Über die Steuerbefreiung für ein Familienheim wiederum entscheidet das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt.

Im Streitfall gab es die Besonderheit, dass das für die Bewertung zuständige Finanzamt drei der fünf im Grundbuch vereinigten Flurstücke in einem Bescheid zusammengefasst und für diese einen Gesamtwert festgestellt hatte. In der Erläuterung des Bescheides hatte das Bewertungsfinanzamt ausgeführt, dass die Steuerbefreiung für das Familienheim ggf. nur für das eine Flurstück zu gewähren sei, auf dem das Haus steht. So sah es auch das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt. Es übernahm in den Erbschaftsteuerbescheid nicht den festgestellten Gesamtwert für die drei Flurstücke und gewährte hierfür die Steuerbefreiung. Stattdessen rechnete es aus dem Gesamtwert den Wert des mit dem Einfamilienhaus bebauten Flurstücks heraus und gewährte nur in dieser Höhe die Steuerbefreiung. Der Kläger begehrte hingegen die Steuerbefreiung für den gesamten vom Bewertungsfinanzamt festgestellten Grundbesitzwert (also für alle drei Flurstücke).

Zivilrechtliche Betrachtung versus Bewertungsgesetz

Das Finanzgericht hatte sich hier mit der Frage zu beschäftigen, nach welchen Kriterien das Familienheim zu bewerten ist. Der Bundesfinanzhof hat bereits mit Urteil vom 23. Februar 2021 (Az. II R 29/19) ausgeführt, dass ein Grundstück im Zusammenhang mit § 13 Abs. 1 Nr. 4c Erbschaftsteuergesetz entweder im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches oder des Bewertungsgesetzes zu verstehen sei. Im Fall des Bundesfinanzhofs kam es auf eine Entscheidung zu dieser Frage jedoch nicht an, sodass diese offenblieb. Betrachtet man das Grundstück im zivilrechtlichen Sinne, so handelt es sich hierbei um einen vermessenen, im Liegenschaftskataster bezeichneten Teil der Erdoberfläche, der im Grundbuch als ein Grundstück eingetragen ist. Folgt man dem Bewertungsgesetz, so ist auf die wirtschaftliche Einheit abzustellen. Diese bestimmt sich nach der Verkehrsanschauung, wobei örtliche Gewohnheit, tatsächliche Übung, Zweckbestimmung und wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen sind.

Weder-noch-Entscheidung

Vorliegend traf das Finanzgericht eine Weder-noch-Entscheidung: Weder folgte es der zivilrechtlichen Sichtweise, da das mit dem Haus bebaute Flurstück nicht einzeln, sondern mit vier weiteren Flurstücken vereinigt im Grundbuch eingetragen war. Noch folgte das Gericht der vom Bewertungsfinanzamt vorgenommenen Grundstücksbewertung, die drei Flurstücke umfasste. Das Gericht vertrat vielmehr die Ansicht, dass das Erbschaftsteuerfinanzamt zu Recht nur das tatsächlich mit dem Familienheim bebaute Flurstück von der Steuer befreit hatte.

Dies folge aus der primären Anknüpfung des Erbschaftsteuerrechts an das Zivilrecht. Zudem sei es verfassungsrechtlich geboten, die Befreiungsnorm restriktiv auszulegen. Deswegen könne für die Steuerbefreiung nicht auf die wirtschaftliche Einheit im Sinne des Bewertungsrechts abgestellt werden. Stattdessen sei die Befreiung auf eine vorhandene katastermäßig kleinere Grundstücksfläche (und sollte diese nicht gegeben sein, gegebenenfalls auf eine Teilfläche) zu begrenzen. Den Hintergrund der restriktiven Auslegung der Norm sah das Gericht in einer möglichen Doppelbegünstigung naher Familienmitglieder durch hohe Freibeträge einerseits und die Freistellung des Familienheims andererseits. Personen mit "großem" Familienheim würden von der Befreiungsvorschrift nämlich in größerem Maße profitieren, als Personen mit kleiner oder keiner Immobilie, weil die Freibeträge zusätzlich zur Steuerbefreiung des Familienheims gewährt werden.

Revision anhängig

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat das Finanzgericht die Revision zugelassen. Diese wurde auch bereits eingelegt und unter dem Aktenzeichen II R 27/23 geführt. Es bleibt daher abzuwarten, wie sich der Bundesfinanzhof zu dieser Frage positioniert.

(Niedersächsisches FG / STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 28.09.2023, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.