25.07.2023 | OLG Oldenburg
In guten Zeiten macht man sich häufig wenig Gedanken über die Konsequenzen einer Unterschrift. Wird man dann beim Wort genommen, kann es existenzbedrohend werden. Im vorliegenden Fall war das Verhalten einer Bank allerdings sittenwidrig.
Eine 20-Jährige verdiente als Verkäuferin in einer Bäckerei monatlich rund 1.300 Euro netto. Sie unterschrieb neben ihrem Freund einen Darlehensvertrag über rund 90.000 Euro mit einer monatlichen Rate von knapp über 1.000 Euro. Der Freund wollte mit dem Geld alte Kredite umschichten und ein Auto kaufen.
Zwei Jahre später kündigte die Bank den Kreditvertrag, weil der Freund die Raten nicht mehr bediente. Sie stellte die Restforderung von rund 50.000 Euro fällig. Weil sie von dem zwischenzeitlichen Ex-Freund der jungen Frau das Geld nicht erhielt, verklagte die Bank die Frau vor dem Landgericht Osnabrück. Die Frau wurde zur Zahlung des Betrags verurteilt.
Die Bank handelte sittenwidrig
Hiergegen wandte sie sich an das Oberlandesgericht Oldenburg. Der Senat gab der Frau mit Urteil vom 29.6.2023 (Az. 8 U 172/22) Recht und wies die Klage der Bank ab: Die Frau sei keine echte Darlehensnehmerin, sondern habe lediglich eine Mithaftung übernommen. Es handele sich daher um eine einseitig belastende Vertragsabrede. Eine solche Abrede sei zwar möglich, im konkreten Falle aber wegen der Gesamtkonstellation und der offensichtlichen, krassen finanziellen Überforderung der Frau sittenwidrig und damit nichtig. Der Bank sei bei Vertragsschluss die emotionale Verbundenheit der Frau zu ihrem Freund bekannt gewesen, ebenso deren beengte finanzielle Verhältnisse, also die Tatsache, dass die Haftung die Frau finanziell ruinieren könne. Es widerspreche dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, wenn Banken eine solche Situation ausnutzten.
Die klagende Bank habe die sich daraus im konkreten Einzelfall ergebende Vermutung der Sittenwidrigkeit nicht widerlegen können. Insbesondere spreche es nicht gegen eine Sittenwidrigkeit, dass die junge Frau bei Vertragsschluss nichts von ihrer prekären Situation ahnte, weil sie irrtümlich glaubte, es gehe nur um 7.500 Euro für das Auto.
(OLG Oldenburg / STB Web)
Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 25.07.2023, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.