20.06.2023 | Analyse
Die gefühlte Inflation in der Eurozone liegt rund dreimal höher als die tatsächliche Teuerungsrate. In Deutschland beträgt die gemessene Inflation 6,1 Prozent, gefühlt sind es 18 Prozent. Eine aktuelle Analyse des Kreditversicherers Allianz Trade hat diese Entwicklung und ihre Treiber untersucht.
Die Abweichung sei nicht unerheblich, sagt Jasmin Gröschl, Senior Volkswirtin bei Allianz Trade, denn die gefühlte Inflation beeinflusse das Handeln der Verbraucher stark, zum Beispiel beim Kaufverhalten. Diese Diskrepanz spiele also gerade für die Wirtschaft und die Unternehmen sowie für die Zinspolitik eine wichtige Rolle.
Gründe für die Diskrepanz
Die Diskrepanz hat verschiedene Gründe. Verbraucher achten beispielsweise stärker auf Preisänderungen bei häufig anfallenden Einkäufen wie Lebensmittel und Getränke, Kraftstoff oder sonstigen Besorgungen im Supermarkt. Wenn dort diese Preise überdurchschnittlich steigen, neigen die Menschen dazu, eine wesentlich höhere Teuerung zu empfinden. Aber auch psychologische Aspekte, demografische und regionale Unterschiede, und individuelles Konsumverhalten können dazu führen, dass Verbraucher den Preisanstieg anders beurteilen als die offizielle Inflationsmessung.
Heterogene Inflationsraten in Europa
Allerdings fällt die Inflation in den einzelnen Ländern Europas sehr unterschiedlich aus. Im Mai 2023 reicht die Spanne von 2,8 Prozent in Griechenland bis 13 Prozent in Polen und 21,5 Prozent in Ungarn. "Schlüsselfaktoren bei der Inflation sind die geografische Nähe zu Russland, die Abhängigkeit von Energie- und Lebensmittelimporten, staatliche Eingriffe zur Senkung einzelner Preise und die Stärke der jeweiligen Währung", so Jasmin Gröschl.
Deutschsprachiger Raum
Im deutschsprachigen Raum hat Österreich mit 8,8 Prozent die höchste Inflationsrate, gefolgt von Deutschland mit 6,1 Prozent (gefühlt: 18 Prozent); in der Schweiz als Insel der Geldstabilität wurden im Mai 2023 2,2 Prozent gemessen.
Da der Tourismussektor im Warenkorb der harmonisierten Verbraucherpreise in Österreich fast dreimal so viel Gewicht hat wie in Deutschland, bestimmt er somit die höheren Inflationsraten. Der Unterschied besteht aber auch bei den staatlichen Unterstützungsmaßnahmen fort. In Deutschland hatten Tank-Rabatt, 9-Euro-Ticket bzw. nun 49-Euro-Ticket inflationsdämpfende Wirkung. In Österreich stiegen hingegen nach Ende der wesentlich stärkeren und längeren Mehrwertsteuersenkung die Preise im Anschluss besonders stark.
(Allianz Trade / STB Web)
Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 20.06.2023, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.