27.03.2023 | Bundesfinanzhof
Der Bundesfinanzhof hat zwei wichtige Entscheidungen zur Organschaft bekanntgegeben. Zum einen wurde die Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung geändert und zum anderen ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof zur Steuerbarkeit der Innenumsätze gerichtet.
Für das Bestehen einer Organschaft ist danach weiter im Grundsatz erforderlich, dass dem Organträger die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft zusteht (Willensdurchsetzung). Die finanzielle Eingliederung liegt nunmehr aber auch dann vor, wenn der Gesellschafter zwar über nur 50 Prozent der Stimmrechte verfügt, die erforderliche Willensdurchsetzung bei der Organgesellschaft aber dadurch gesichert ist, dass er eine Mehrheitsbeteiligung am Kapital der Organgesellschaft hält und er den einzigen Geschäftsführer der Organgesellschaft stellt.
Innenumsätze doch steuerbar?
Des Weiteren soll vom Europäischen Gerichtshof geklärt werden, ob an der bisherigen Annahme der Nichtsteuerbarkeit sogenannter Innenumsätze weiter festzuhalten ist. Es handelt sich um das bereits zweite Vorabentscheidungsersuchen in dieser Sache, bei dem es nunmehr um eine Frage geht, die aufgrund der ersten Entscheidung des EuGH in diesem Verfahren zweifelhaft geworden ist.
Nach einer vor 100 Jahren vom Reichsfinanzhof begründeten Rechtsprechung, die später vom Gesetzgeber in das Umsatzsteuergesetz übernommen wurde, unterliegen Umsätze zwischen den Mitgliedern einer Organschaft nicht der Umsatzsteuer, weil die Organgesellschaft als "unselbständiger" Teil im Gesamtunternehmen des übergeordneten Organträgers angesehen wird. Zweifel an dieser Betrachtung ergeben sich daraus, dass der EuGH die Organgesellschaft als selbständig ansieht und die Organschaft nach seiner Rechtsprechung nicht zur Gefahr von Steuerverlusten führen darf. Letzteres könnte zu bejahen sein, wenn der die Leistung von der Organgesellschaft beziehende Organträger, wie im konkreten Streitfall, nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist.
Folgen für Gestaltungsinstrument bestimmter Unternehmen
Sollte der EuGH entscheiden, dass Innenumsätze entgegen der ständigen BFH-Rechtsprechung steuerbar sind, hätte dies weitreichende Folgen. Umsatzsteuerrechtlich dient die Organschaft als Gestaltungsinstrument für Unternehmen, die nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind (zum Beispiel Banken und Versicherungen, Unternehmen im Gesundheits- und Sozialwesen und im Bildungsbereich sowie Vermieter von Wohnungen). Nichtabziehbare Vorsteuerbeträge lassen sich bislang für derartige Unternehmen dadurch vermeiden, dass sie mit Dienstleistern Organschaften begründen, so dass die bezogenen Leistungen nicht steuerbar sind.
Hierzu:
(BFH / STB Web)
Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 27.03.2023, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.