29.04.2021 | Interview

Subventionsbetrug: Hat der Berater seinen Job gemacht?

Otto-Schmidt-Verlag

Von Alexandra Buba / Interview mit RAin Dr. Barbara Bischoff, Fachanwältin für Strafrecht

Monatelanges Warten auf dringend benötigte Coronahilfe oder massenweise Auszahlung von unberechtigt beantragten Gelder? Wie beurteilt dies die Fachanwältin für Strafrecht, Dr. Barbara Bischoff? Was sollten Berater*innen und ihre Mandant*innen tun, wenn sie den Verdacht haben, betroffen zu sein? Und reagiert die Politik adäquat? Fragen und Antworten nach und aus Münster.

STB Web:
Über die Medien vermittelte die Politik den Eindruck, als sei die Missbrauchsquote bei den Corona-Hilfen im Vergleich zu anderen Sozialleistungen oder Subventionen besonders hoch. Wie beurteilen Sie dies aus Ihrer strafrechtlichen Einschätzung heraus?

Foto: RAin Dr. Barbara Bischoff

Dr. Barbara Bischoff:
Dies ist tatsächlich mehr als nur ein Eindruck, denn er lässt sich mit konkreten Zahlen unterlegen. So bezifferte die "Welt am Sonntag" die Anzahl der Fälle, in denen ermittelt werde, auf etwa 25.000. Die polizeiliche Kriminalstatistik weist für 2020 einen Anstieg vermeintlicher Subventionsbetrugsdelikte auf 7.585 im Vergleich zu 2019 aus, wo dies erst 318 gewesen waren. Und diese Zahlen beziehen sich jetzt größtenteils auf das Instrument der Soforthilfe, die nachgelagerten Instrumente der Überbrückungshilfe sind davon bislang größtenteils noch gar nicht erfasst.

STB Web:
Was sind Ihrer Ansicht nach die Ursachen dafür?

Dr. Barbara Bischoff:
Meiner Einschätzung nach gibt es zwei Fallgruppen: Bei der ersten sind vermeintliche Täter betroffen, die überwiegend aus Unwissenheit gehandelt haben. Zu Beginn waren die Modalitäten vergleichsweise unklar; die Antragsformulare haben sich beinahe täglich geändert. Die zweite Fallgruppe ist dagegen mit hoher krimineller Energie vorgegangen: Es wurde überlegt, wo gezielt massenhaft gefälschte Anträge gestellt werden konnten.

STB Web:
Welche Fälle treffen Sie in Ihrer Praxis überwiegend an?

Dr. Barbara Bischoff:
Bei mir tauchen derzeit vor allem solche Fälle auf, in denen direkt zurückgezahlt wurde. Die Ermittlungsbehörden leiten trotzdem das Strafverfahren ein, das durch den Rückzahlungsvorgang früher ins Rollen gebracht wurde, als wenn der Fall erst später bei der Abrechnung aufgefallen wäre.

STB Web:
Zur Anzeige gelangen also diejenigen Fälle, in denen die Betroffenen das vermeintlich unrechtmäßig erhaltene Geld bereits von sich aus zurückerstattet haben?

Dr. Barbara Bischoff:
Ja, genau. Auf diese werden die Behörden momentan als erste Fälle aufmerksam und verfolgen sie. Dabei muss ich sagen, dass die Ermittlung in diesen Masseverfahren ziemlich schwierig ist, und die Chancen aus Verteidigersicht bei bereits freiwillig erfolgter Rückzahlung sehr gut sind, eben weil die Rechtslage so unübersichtlich war – ein Aspekt, den die Strafverfolgung sehr wohl berücksichtigen muss.

STB Web:
Wer wird denn verurteilt?

Dr. Barbara Bischoff:
Oftmals ist da nicht viel, wenn man Akteneinsicht nimmt und sich die Ermittlungsergebnisse ansieht. Das zentrale Belastungsdokument ist momentan fast immer nur diese E-Mail, in der steht 'Es tut mir ja so schrecklich leid, dass ich dies getan habe, deshalb zahle ich zurück'. Ein derartiges 'Geständnis' ist meiner Erfahrung nach im Moment der wesentliche Aspekt, der eine Verurteilung bedingt.

STB Web:
Der – zumindest verspätet – Ehrliche ist also der Dumme. Und alle anderen gehen straflos aus?

Dr. Barbara Bischoff:
Noch, muss man wohl sagen, denn natürlich werden die Behörden früher oder später beginnen, alle Fälle zu überprüfen und Zahlen und Belege anfordern. Dabei wird noch einiges ans Licht kommen und viele der bereits freiwillig offenbarten Fälle, wären später auch ermittelt worden.

STB Web:
Wie schätzen Sie die Maßnahme der Bundesregierung aus dem März 2021 ein, als die Auszahlung der Hilfen aufgrund der hohen Missbrauchsrate für einige Tage vollständig gestoppt wurde?

Dr. Barbara Bischoff:
Als sehr problematisch. Hier hatten sich einige schwarze Schafe als Steuerberater oder Rechtsanwältin ausgegeben und daraufhin wurden sehr, sehr viele zu Unrecht bestraft, die in dieser Zeit dringend auf ihnen zustehende Gelder warten mussten. Besonders schwierig fand ich diese Situation vor dem Hintergrund, dass die Auszahlung ja ohnehin im Vorfeld so schleppend gelaufen war.

Das hat im Übrigen auch vielfach dazu geführt, dass großer Druck auf die Berater*innen ausgeübt wurde. Mandant*innen wollten Rechenschaft darüber, wo ihre Hilfsgelder denn blieben, da sie doch bei den Unternehmerkollegen flossen. Der Vorwurf, der Berater würde seinen Job nicht machen, stand häufig im Raum.

STB Web:
Wie hätte der Staat Ihrer Meinung nach stattdessen reagieren sollen?

Dr. Barbara Bischoff:
Man hätte die einfachen Überprüfungsmöglichkeiten nutzen müssen. So wurden im Land Berlin etwa zeitweise die gestellten Anträge nicht einmal mit den Gewerbeanmeldungen abgeglichen. Außerdem hätte man mit Hochdruck daran arbeiten müssen, eine sichere Identifizierungsmöglichkeit für die Berater zu schaffen. Schlussendlich muss man aber auch sagen, dass Missbrauch in einem gewissen Rahmen schlichtweg in Kauf zu nehmen ist, wenn man schnelle und unbürokratische Hilfen bieten will und dazu sehr viel Geld in den Topf legt.

STB Web:
Was raten Sie Unternehmer*innen und ihren Berater*innen, die unsicher sind, ob sie eventuell auch strafrechtlich Relevantes verwirklicht haben?

Dr. Barbara Bischoff:
Sie sollten möglichst schnell eine Rückzahlung veranlassen und dabei aber auf keinen Fall ein Geständnis abgeben. Es sollte stattdessen der allgemeinere Hinweis erfolgen, dass man sich aufgrund der unklaren Rechtslage nicht mehr so sicher sei, ob man das Geld tatsächlich berechtigterweise erhalten habe. Für den Fall, dass die Polizei einen Termin zur Vernehmung mitteilt, sollte man diesen auf jeden Fall absagen, einen Anwalt oder eine Anwältin einschalten und auf diese Art und Weise Akteneinsicht nehmen. Denn letztere ergibt eben sehr oft, dass es außer besagtem Geständnis keinerlei Ermittlungsergebnisse gibt.

STB Web:
Was erwartet denn Betroffene im Regelfall, wenn sie tatsächlich belangt werden?

Dr. Barbara Bischoff:
Da wir derzeit noch vor allem über die 9.000-Euro-Soforthilfe-Fälle reden, ist dies normalerweise höchstens eine Geldstrafe; bei einer vernünftigen Verteidigungsstrategie lässt sich oftmals auch eine Einstellung gegen Geldauflage, mit etwas Glück sogar nur gegen die bereits erfolgte Rückzahlung als Auflage, erreichen. Bei einer Einstellung auch gegen Auflage bleibt die Unschuldsvermutung unangetastet.

STB Web:
Glauben Sie, dass besondere Zeiten wie diese generell den Stellenwert von Moral, adäquatem Verhalten und Strafe beeinflussen?

Dr. Barbara Bischoff:
Kriminalität und inadäquates Verhalten gibt es zu jeder Zeit. Wesentlich ist nicht der Zusammenhang zu einer krisenhaften Zeit, sondern zu der Kombination der Phänomene 'große Geldtöpfe' und 'fehlende Kontrollmöglichkeiten'. Diese befördert Betrug in hohem Maße und hat erst einmal gar nichts mit Moral zu tun. Dies ließ sich etwa auch vor drei Jahrzehnten bei der deutschen Wiedervereinigung genau so beobachten.

RAin Dr. Barbara BischoffDr. Barbara Bischoff ist Fachanwältin für Strafrecht und Partnerin der wirtschafts- und steuerstrafrechtlich ausgerichteten Anwaltspraxis MINOGGIO Wirtschafts- und Steuerstrafrecht mit Büros in Hamm und Münster (www.minoggio.de). E-Mail: bischoff@minoggio.de. Außerdem arbeitet sie als Lehrbeauftragte an der Frankfurt School of Finance, der FOM Hochschule und der Steinbeis Hochschule Berlin und ist Mitglied im Arbeitskreis Kontaktgespräche mit den Finanzämtern für den Steuerberaterverband Westfalen-Lippe.

Alexandra BubaDas Gespräch führte Alexandra Buba. Sie ist freie Journalistin und spezialisiert auf die Themen der Steuerberatungsbranche (www.medientext.com) und schreibt regelmäßig für die STB Web-Redaktion.

 

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 29.04.2021, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.