26.11.2020 | Fachartikel
Von Thomas Uppenbrink und RA Dr. Sascha Besau
Im Falle der Insolvenz eines Unternehmens stellt sich regelmäßig die Frage, ob und zu welchem Zeitpunkt die Gesellschafter ihre Kosten für den Erwerb der Beteiligung sowie etwaige Inanspruchnahmen aufgrund ihrer Beteiligung als Verluste im Rahmen der privaten Steuererklärung geltend machen können. Hierzu zählen insbesondere der Verlust des eingezahlten Stammkapitals, der Ausfall etwaiger Gesellschafterdarlehen, der Ausfall etwaiger Gesellschaftereinlagen in die Kapitalrücklage sowie die private Inanspruchnahme aus Sicherheiten bspw. Bürgschaften.
Gemäß § 17 I 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 Prozent beteiligt war.
Als Veräußerung im vorgenannten Sinne gilt auch die Auflösung einer Kapitalgesellschaft, die Kapitalherabsetzung, wenn das Kapital zurückgezahlt wird, und die Ausschüttung oder Zurückzahlung von Beträgen aus dem steuerlichen Einlagenkonto im Sinne des § 27 des Körperschaftsteuergesetzes; § 17 IV 1 EStG.
Im Umkehrschluss ist in der Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass Anteilseigner im vorgenannten Sinne grundsätzlich Verluste im Zusammenhang mit der Unternehmensinsolvenz geltend machen können (sog. veräußerungsgleicher Tatbestand). Uneinigkeit herrscht jedoch dahingehend, wann diese Verluste genau entstanden sind.
Die Entstehung eines Auflösungsverlustes setzt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 13.03.2018, Az.: IX R 38/16, NV; Urteil vom 13.10.2015, Az.: IX R 41/14) voraus, dass
Damit ist klargestellt, dass der Zeitpunkt des Insolvenzantrages allein noch nicht ausreicht, um den Verlust zu realisieren (BFH, Urteil vom 13.10.2015, Az.: IX R 41/14). Diese rechtliche Würdigung ist stringent, da mit Antragstellung noch keine Prüfung von dritter Seite erfolgt ist, ob überhaupt eine Insolvenzsituation vorliegt und welche finanziellen Mittel der Gesellschaft an die Anteilseigner zurückerstattet werden können.
Sofern das Insolvenzverfahren eröffnet wird, erkennt die Rechtsprechung (BFH, Urteil vom 13.10.2015, Az.: IX R 41/14) und Literatur im Lichte der obigen Voraussetzung eine Verlustrealisierung grundsätzlich erst dann an, wenn die Liquidation der Gesellschaft abgeschlossen ist. Erst dann stehe fest, ob und inwiefern eine Rückzahlung der Gesellschaft möglich sei und in welcher Höhe nachträgliche Anschaffungskosten entstanden seien.
Nach Ansicht des Bundesfinanzhofes (Urteil vom 13.03.2018, Az.: IX R 38/16, NV; Urteil vom 13.10.2015, Az.: IX R 41/14) stellt sich die Rechtslage jedoch anders dar, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird. In einem solchen Fall könne die Möglichkeit einer Zuteilung oder Zurückzahlung von Restvermögen an die Gesellschafter bereits ausgeschlossen werden.
Darüber hinaus hat der Bundesfinanzhof eine Verlustrealisierung bereits dann bestätigt, wenn aufgrund des Inventars und der Insolvenzeröffnungsbilanz der Insolvenzverwalter ohne weitere Ermittlungen und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit rechnen kann, dass das Vermögen der Gesellschafter nicht ausreicht, um Liquiditätsrückzahlungen an die Gesellschafter vorzunehmen (BFH, Urteil vom 13.10.2015, Az.: IX R 41/14). Der Insolvenzverwalter dürfte hierzu regelmäßig spätestens nach Ermittlung der Quote für die vorab zu befriedigenden Gläubiger in der Lage sein.
Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage empfiehlt es sich für betroffene Anteilseigner, frühzeitig (über ihren Berater) Kontakt mit dem Insolvenzverwalter aufzunehmen, um eine entsprechende Bestätigung einzuholen. Nach unserem Dafürhalten besteht zumindest eine Obliegenheit zur Auskunftserteilung.
Oft sind bei kleineren Verfahren die Insolvenzverwalter nicht zeitnah an den Buchhaltungen / den Jahresabschlüssen der Schuldnerunternehmen tätig. Ist der für den Gesellschafter zu realisierende Verlust von der Summe her wirtschaftlich so interessant, dann hilft nur die Kostenübernahmeerklärung für die zu erstellenden Buchhaltungen / Jahresabschlüsse.
In der Regel kann ein Steuerberater beauftragt werden, mit dem Insolvenzverwalter in Kontakt zu treten, um diesen zu fragen, ob er bereit wäre, die Buchhaltung / den Jahresabschluss zur Erstellung außer Haus zu geben.
Grundsätzlich muss dabei erklärt werden, dass von Seiten des Gesellschafters die Inanspruchnahme des Steuerberaters vollumfänglich bedient wird, da der Verwalter regelmäßig bei massearmen Verfahren keinerlei Belastungen für die Masse zulassen kann, wenn damit für das Verfahren selber damit keine wirtschaftlichen Vorteile verbunden sind.
Da der Verwalter im eröffneten Verfahren das alleinige Recht der Entscheidung hat, kann die Buchhaltung / der Jahresabschluss nur mit seiner Zustimmung erstellt werden.
Über die Autoren:
Thomas Uppenbrink ist Insolvenzverwalter und Sanierungsberater. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Thomas Uppenbrink & Collegen GmbH in Hagen (www.uppenbrink.de) und außerdem Inhaber der Autax-Consilium – Weiterbildung für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. E-Mail: info@uppenbrink.de.
Dr. Sascha Besau ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht sowie Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht. Er ist Partner der Partnerschaftsgesellschaft BESAU & PARTNER in Hürth (colognelegal.com). E-Mail: mail@colognelegal.com.
Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 26.11.2020, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.