27.04.2023 | Gestaltungsberatung
Von RAin Susanne Christ, Fachanwältin für Steuerrecht
Der BFH hatte sich jüngst mit einem für die Praxis bedeutsamen Fall in Zusammenhang mit einer Trennung von Eheleuten zu beschäftigen. Haben Eheleute gemeinsam eine Immobilie zur Selbstnutzung erworben, stellt sich bei einer Trennung in der Regel die Frage nach der Weiternutzung der Immobilie. Nachfolgend zeigen wir, welche steuerlichen Auswirkungen dies haben kann und was in der Beratung unbedingt beachtet werden sollte.
In der Praxis wird im Trennungsfall häufig vereinbart, dass ein Ehepartner den Miteigentumsanteil des anderen entgeltlich übernimmt; sei es gegen Barzahlung oder beispielsweise als Ablösung eines Zugewinnausgleichsanspruch. Liegen zwischen Erwerb der Immobilie und Übertragung des Miteigentumsanteil weniger als zehn Jahre, kann nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG ein etwaiger Veräußerungsgewinn einkommensteuerpflichtig sein. Zu einem solchen Fall hat der BFH mit Urteil vom 14.2.23 (Az. IX R 11/21, STB Web berichtete) entschieden.
Wird eine Immobilie, die sich im Privatvermögen befindet, innerhalb von zehn Jahren seit ihrer Anschaffung entgeltlich veräußert, unterliegt der erzielte Veräußerungsgewinn grundsätzlich der Einkommensteuer. Ausnahmen gelten, wenn die Immobilie im Jahr der Veräußerung und den beiden Kalenderjahren davor zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde oder die Veräußerung zwangsweise erfolgte. Nicht der Spekulationssteuer unterliegen unentgeltliche Erwerbe, etwa wenn die Immobilie verschenkt oder vererbt wird. Dafür ist aber bei sich streitenden Eheleuten in der Regel kein Raum.
Wird eine Immobilie als Ausgleich für einen Zugewinnausgleichsanspruch übertragen, handelt es sich um eine entgeltliche Veräußerung, bei der – wenn zwischen Erwerb und Veräußerung weniger als zehn Jahre liegen – ein erzielter Veräußerungsgewinn steuerpflichtig ist. Es sei denn, die veräußernde Person hat die Wohnung im Jahr der Veräußerung und den beiden Kalenderjahren zuvor zu eigenen Wohnzwecken genutzt. War sie aber bereits ausgezogen, kommt es entscheidend darauf an, ob die „Behaltensfrist“ von zehn Jahren bereits abgelaufen ist oder noch nicht. Sind Sie beauftragt, die steuerlichen Folgen einer solchen Vereinbarung zu beurteilen, müssen sie auf diese Zusammenhänge hinweisen.
Zieht einer der Eheleute aufgrund einer Trennung aus der gemeinsamen Wohnung aus, wird dadurch die Nutzung dieser Wohnung zu eigenen Wohnzwecken beendet. Das gilt, wie der BFH aktuell in seiner Entscheidung betont, auch dann, wenn das gemeinsame minderjährige Kind zusammen mit dem anderen Elternteil in der Wohnung verbleibt. Zwar reicht es für die Nutzung zu Wohnzwecken im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG möglicherweise aus, wenn die steuerpflichtige Person diese Wohnung lediglich mitbenutzt oder ein Kind, für dass die steuerpflichtige Person unterhaltspflichtig ist, diese zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Dies gilt aber nicht, wenn das Kind minderjährig ist und die Wohnung zusammen mit dem anderen Elternteil bewohnt. Im Streitfall waren die Ehefrau und das gemeinsame Kind in der Wohnung verblieben, der Ehemann hingegen war ausgezogen.
Wer also aufgrund einer Trennung/Scheidung aus der gemeinsamen Wohnung auszieht, beendet damit in der Regel die Nutzung dieser Wohnung zu eigenen Wohnzwecken. Und zwar auch dann, wenn das eigene noch minderjährige Kind dort wohnen bleibt.
Im Streitfall hatte sich der Ehemann aufgrund einer zwischen den Eheleuten getroffenen Scheidungsfolgenvereinbarung verpflichtet, seinen Miteigentumsanteil an der neun Jahre zuvor erworbenen Ehewohnung auf die Ehefrau zu übertragen. Als er die Erfüllung seiner Verpflichtung verzögerte, drohte die Ehefrau ihm eine Zwangsversteigerung an, woraufhin er den Miteigentumsanteil an sie - innerhalb von zehn Jahren seit dem Erwerb – mit Gewinn veräußerte. Bei einer solchen Fallgestaltung handelt es sich, so der BFH, nicht um eine Zwangslage. Denn der Ehemann habe der Scheidungsfolgenvereinbarung nach steuerlicher Beratung zugestimmt. Die Androhung der Zwangsvollstreckung ist Folge der von ihm getroffenen Vereinbarung mit der Ehefrau und stelle keine Zwangslage dar. Durch die Erfüllung seiner Verpflichtung habe er lediglich wirtschaftliche Nachteile, die ihm bei einer Zwangsvollstreckung drohten, vermeiden wollen. Eine Zwangslage kann etwa bei einer drohenden Enteignung vorliegen. Somit habe die Finanzverwaltung und das zuvor mit dem Fall befasste FG den erzielten Veräußerungsgewinn zu Recht als einkommensteuerpflichtig behandelt.
Der Fall zeigt eindrücklich, dass bei der Trennung des Vermögens im Rahmen einer Scheidung oder Trennung von Eheleuten die steuerlichen Folgen sorgfältig geprüft werden müssen und insbesondere die Regelungen zu privaten Spekulationsgeschäften unbedingt beachtet werden müssen. Zugegeben, bei einer Trennung/Scheidung stehen andere Themen als die Steuer im Vordergrund und es ist in der Praxis ohnehin häufig auch ohne Berücksichtigung von steuerlichen Folgen schwer, Regelungen zwischen den zerstrittenen Parteien zu treffen.
Gleichwohl: die steuerlichen Folgen der getroffenen Regelungen müssen unbedingt beachtet werden. Denn wird versäumt, die Betroffenen auf steuerliche Nachteile hinzuweisen, kann dies eine Haftung begründen. Im vorliegenden Fall beispielsweise hätten die Parteien, insbesondere der Ehemann, bei der steuerlichen Prüfung der Scheidungsfolgenvereinbarung darauf hingewiesen werden müssen, dass der Veräußerungsgewinn einkommensteuerpflichtig ist, weil er bereits ausgezogen und die Spekulationsfrist noch nicht abgelaufen war. Hier hätte in der Beratung darauf hingewirkt werden müssen, den Ehemann zu einer Veräußerung nach Ablauf der Spekulationsfrist zu verpflichten.
Wird das versäumt, sollte versucht werden, eine Veräußerung so lange hinauszuzögern, dass sie erst nach Ablauf von zehn Jahren erfolgt, zumindest, wenn die „Behaltensfrist“ nicht mehr sehr lange läuft. Im Streitfall hätte knapp ein Jahr „überbrückt“ werden müssen. Hier sollte mit der Gegenseite entsprechend verhandelt werden, auch vor dem Hintergrund, dass ein Zwangsversteigerungsverfahren mit allem Mitteln verzögert werden würde, sollte ein solches vor Ablauf von zehn Jahren eingeleitet werden. Immerhin muss eine Immobilie vor Durchführung einer Zwangsversteigerung begutachtet werden, und in diesem Zusammenhang bestehen einige Möglichkeiten, das Verfahren zu verzögern.
Möglicherweise verstößt es sogar gegen Treu und Glauben, kurz vor Ablauf der Spekulationsfrist eine Zwangsversteigerung durchführen zu lassen. Denn Eheleute, auch wenn sie getrennt oder geschieden sind, sind verpflichtet, die Vermögensinteressen der anderen Partei angemessen zu berücksichtigen. Hier zu verhandeln oder Verzögerungsmaßnahmen zu ergreifen sind allerdings Notmaßnahmen; besser ist es, die Problematik der Spekulationssteuer bereits bei den Verhandlungen über die Scheidungs- oder Trennungsfolgen zu berücksichtigen. Erst recht, wenn der Auftrag darin besteht, diese steuerlich zu überprüfen.
* Über die Autorin:
Susanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht mit eigener Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln. Sie ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und bei STB Web sowie Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Außerdem ist sie Mitautorin des Kommentars „Nachfolgebesteuerung“ (Schmid, Hrsg.), der 2019 im Nomos Verlag erschienen ist. E-Mail: s.christ@netcologne.de
Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 27.04.2023, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.