23.02.2023 | FG Münster

Zivilrechtliche Umdeutung auch im Steuerrecht

DKB

Wird gegenüber dem Finanzamt eine Stellungnahme abgegeben, die nicht als Einspruch ausgelegt werden kann, kommt gleichwohl eine Umdeutung in einen solchen in Betracht. Dies hat das Finanzgericht Münster entschieden. Grundsätzlich sei die zivilrechtliche Umdeutung auch im Steuerrecht anerkannt.

Im Hinblick auf eine beabsichtigte Haftungsinanspruchnahme für Steuerschulden einer KG richtete das Finanzamt schriftliche Anfragen an die beiden Kläger. Nachdem bis auf einen Fristverlängerungsantrag des Prozessvertreters der beiden Kläger keine weitere Rückmeldung erfolgt war, erließ das Finanzamt jeweils Haftungsbescheide, die es beiden Klägern an ihre Privatanschrift zustellte. Innerhalb der Einspruchsfrist nahm der Prozessbevollmächtigte für beide Kläger inhaltlich zu den zuvor gestellten Anfragen Stellung. Die Haftungsbescheide waren ihm zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Schreiben nicht bekannt. Nach Kenntnisnahme der Bescheide trug der Prozessvertreter vor, seine Schreiben seien als Einsprüche zu werten. Da die Einspruchsfrist zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war, verwarf das Finanzamt die Einsprüche wegen Fristablaufs als unzulässig.

Einsprüche zu Unrecht als unzulässig verworfen

Die Klage, mit der die Kläger lediglich die isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidungen beantragten, hatte Erfolg. Das FG Münster hat in seinem Urteil vom 12. Januar 2023 (Az. 8 K 1080/21) ausgeführt, dass das Finanzamt die Einsprüche zu Unrecht als unzulässig verworfen habe. Die Haftungsbescheide seien zunächst wirksam an die Privatadressen der Kläger zugestellt worden, da der Prozessvertreter zuvor keine Vollmachten vorgelegt habe. Die innerhalb der Einspruchsfrist eingegangenen Schreiben könnten zwar nicht als Einsprüche ausgelegt, aber in solche umgedeutet werden.

Umdeutung auch im Steuerrecht anerkannt

Diese zivilrechtliche Vorschrift des § 140 BGB regelt, dass ein nichtiges Rechtsgeschäft, das den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts entspricht, in ein wirksames Rechtsgeschäft umgedeutet werden kann, wenn ein entsprechender Wille anzunehmen ist. Grundsätzlich sei die Umdeutung auch im Steuerrecht anerkannt.

Im Streitfall sei erkennbares Ziel der beiden Stellungnahmen des Prozessvertreters, auf dessen Kenntnishorizont abzustellen sei, die Verhinderung der Haftungsinanspruchnahme der Kläger gewesen. Dieses Ziel habe er aber nach Erlass der Haftungsbescheide nur durch Einlegung von Einsprüchen erreichen können. Es sei kein vernünftiger Grund ersichtlich, weshalb er nicht gegen die Bescheide Einsprüche eingelegt hätte, wenn ihm deren Existenz bekannt gewesen wäre.

Der Senat hat die Revision zugelassen. Diese ist beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen VII R 7/23 anhängig. 

(FG Münster / STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 23.02.2023, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.