31.08.2023 | Kanzleimanagement

»Einfachheit zuerst!«

Von Manuel Maurer / Interview mit Zach Davis *

Warum kompliziert, wenn es auch einfach geht? So lautet die Maxime des Beratungsunternehmens Simple First, das auf Lösungen für Kapazitätsengpässe von Steuerkanzleien mit bis zu 50 Mitarbeitenden ausgerichtet ist. Wir sprachen mit Mitgründer und Geschäftsführer Zach Davis, der auch als Vortragsredner in der Branche bekannt ist, über die größten Herausforderungen für die Kanzleien, wo die eigentlichen Probleme liegen und ob diese sich überhaupt lösen lassen.

STB Web:
Zach, du bezeichnest dich als Kanzlei-Kapazitäts-Experte. Was genau dürfen wir uns darunter vorstellen, wie beschreibst du dein Tätigkeitsfeld?

Zach Davis:
Der größte Engpass in den meisten Kanzleien ist nicht die Auftragslage, sondern die vorhandene Kapazität. Dieses Problem auf eine sinnvolle und wirksame Weise zu lösen, ist mein Fokus - das war die kurze Antwort.

STB Web:
Und die etwas detailliertere?

Foto: © Zach Davis, Simple First Consulting GmbH

Zach Davis:
Es gibt in der Regel nicht den einen Knopf, die eine Kampagne, die eine Taktik – und plötzlich ist der Engpass innerhalb der Kanzlei gelöst. In der Regel sind es viele Bausteine, die sinnhaft ineinandergreifen müssen, um Engpässe nachhaltig zu lösen. Und das sieht für jede Kanzlei anders aus. Meine Aufgabe besteht darin, die größten Engpässe einer gegebenen Kanzlei zu identifizieren, wirksame Maßnahmen in Zusammenarbeit mit der Kanzlei zu implementieren und potenzielle Stolpersteine vorherzusehen. Es geht darum, sicherzustellen, dass wir uns dauerhaft um den wichtigsten Engpass der Kanzlei kümmern und nicht mit Themen beschäftigen, die grundsätzlich „nicht schaden“, aber nicht die aktuell größte Hebelwirkung haben. 

STB Web:
Kannst du ein paar Beispiele nennen?

Zach Davis:
Ein Klassiker hierbei ist beispielsweise, dass der Fokus auf die Rekrutierung gelegt und dabei die Mitarbeiterbindung vernachlässigt wird. Oder es werden neue Prozesse hinzugefügt, statt Unterbrechungen zu reduzieren, die von der Arbeit abhalten. Ein weiteres Beispiel sind aufwändige Mitarbeiterzufriedenheitsmaßnahmen, obwohl es vielleicht nur ein paar problematische Mandate sind, die Nerven kosten und gekündigt werden sollten.

STB Web: 
Fachkräftemangel und Mitarbeitergewinnung liegen ja weiterhin im Trend. Ist das Thema in den Kanzleien tatsächlich immer noch so drängend oder ist es auch ein bisschen anbieterseitig getrieben?

Zach Davis: 
Zweifellos gibt es in den letzten Jahren eine zunehmende Anzahl von Anbietern im Markt. Hierbei gibt es natürlich – das ist in jedem Markt so – eine inhaltliche Bandbreite und auch eine Qualitätsbandbreite. Die Verzweiflung in vielen Kanzleien, mit der Arbeit nicht hinterherzukommen ist so groß, dass oft Geld für irgendein Angebot ausgegeben wird, ohne es wirklich zu verstehen – in der Hoffnung, dass es etwas bringen wird.

STB Web: 
Was empfiehlst du diesen Kanzleien stattdessen?

Zach Davis:
Hier empfehle ich ausdrücklich, nichts einzukaufen, dass man nicht zumindest halbwegs versteht. Tieferes Nachfragen zur Sinnhaftigkeit und Zusammenhängen hilft unheimlich bei der Beurteilung. Ich unterstelle jeder Person, die ein Steuerberaterexamen bestanden hat, den nötigen Intellekt, um die Zusammenhänge 1-2 Ebenen tiefer zu verstehen als die angebotene Verkaufsshow eines Anbieters. Wenn man dies nicht anstrebt, kann es ein teures und frustrierendes Erlebnis werden.

Ich möchte hierbei betonen, dass es mir in keiner Weise um ein Bashing von anderen Anbietern geht. Es gibt Beispiele für sehr gute Anbieter. Da ich sehr oft nach Erfahrungen mit Anbietern gefragt werde und ständig Angebote (die unsere Kunden von Anbietern bekommen haben) zugeschickt bekomme und wir auch ständig nach Erfahrungen fragen, haben wir hier einen ganz guten Marktüberblick.

STB Web: 
Was sind denn schlussendlich die Hauptursachen des Kapazitätsproblems?

Zach Davis:
Neben den klassischen Aufgaben eines Steuerberaters sind in den letzten Jahren zahlreiche Sonderthemen hinzugekommen. Zudem gibt es mehr Menschen, die die Branche verlassen als Menschen, die eintreten. Weiterhin arbeiten immer mehr Menschen nur noch in Teilzeit. Nehmen wir noch die zunehmende Komplexität, gepaart mit dem Dulden von einzelnen Underperformern, und fertig ist die Mixtur der Überlastung, die wir an so vielen Stellen aktuell sehen und unter welcher speziell die Berufsträger leiden.

STB Web:
Kanzleiberatende, Marketing-Agenturen und Anbieter von digitalen Tools zur Effizienzsteigerung gibt es ja reichlich. Was unterscheidet euch von anderen Anbietern?

Zach Davis:
Wir sind mit keinem Lösungsweg verheiratet. Ohne irgendjemandem zu nahe treten zu wollen: Wenn man einen Hammer in der Hand hat, besteht die große Gefahr, alles vor einem Liegende als Nagel wahrzunehmen. Wenn jemand zum Beispiel auf Social Media Kampagnen zur Mitarbeitergewinnung spezialisiert ist – was wird derjenige dann wohl anbieten? Sofern die Mitarbeitergewinnung wirklich das Problem ist und die vorgeschlagene Kampagne das Problem auch mit hoher Wahrscheinlichkeit löst, ist dagegen überhaupt nichts einzuwenden. Das ist aber leider meistens nicht der Fall. Uns interessiert ausschließlich die Wirksamkeit und das Ergebnis: Wie hoch ist die Erfolgswahrscheinlichkeit und wie sieht das Aufwand-Nutzen-Verhältnis aus? Und das ändert sich ständig.

STB Web: 
Ich nehme an, dass euer Unternehmen nicht zufällig "Simple First" heißt...

Zach Davis: 
Simple steht für uns sowohl für Einfachheit in Bezug auf Lösungen als auch für die Unkompliziertheit auf menschlicher Ebene. Neulich meinte ein Mitarbeiter beim Besprechen eines Prozesses „das ist aber nicht wirklich simple first“ und hat einen Vereinfachungsvorschlag gemacht. Da ging mein Unternehmerherz auf.

STB Web: 
Ist die Suche nach einfachen Lösungen nicht auch ein Stück weit Komplexitätsverweigerung?

Zach Davis:
Drei Gedanken dazu, erstens: simple Lösungen sind nicht immer einfach in der Umsetzung – teilweise auch harte Arbeit. Wenn man Gewicht verlieren möchte (aus welchen Gründen auch immer), dann ist die Lösung grundsätzlich simpel: weniger Energie aufnehmen, als wir verbrauchen – nur ist das - wie vielleicht auch viele aus der Praxis wissen – nicht unbedingt einfach. Und wie so oft, steckt der Teufel auch im Detail. Häufig sind es Nuancen, die den Unterschied zwischen Frustration und Erfolg ausmachen.

Zweitens: Es geht vor allem darum, die niedrig hängenden Früchte – die Maßnahmen, die das beste Aufwand-Nutzen-Verhältnis haben – zu priorisieren und so nicht nur die größte Hebelwirkung zu garantieren, sondern auch um Kapazitäten zu schaffen, für die großen und komplexen Brocken.

Drittens: Komplexität entsteht in wachsenden Systemen automatisch. Dagegen können wir uns nicht wehren. Man ist also in der Regel gut beraten, nur die nötigste Komplexität selbst einzuführen, denn je simpler ein System oder eine Organisation aufgebaut ist, desto robuster UND flexibler ist sie.

Und wie schon Da Vinci gesagt haben soll: „Einfachheit ist die höchste Form der Vollendung.“

STB Web: 
Wie also kann man das Kapazitätsproblem lösen? Gibt es überhaupt eine Lösung hierfür?

Zach Davis:
Jede Kanzlei ist anders. Meistens jedoch besteht die Lösung aus einem Mix der folgenden Komponenten: Erste einfache Maßnahmen der schnellen Entlastung von Kanzleileitung und Mitarbeitern. Eine Arbeit an der Zufriedenheit der Mitarbeiter zur Vermeidung von Fluktuation. Ein Mix aus kurz- und mittelfristig wirkenden Maßnahmen der Fachkräftegewinnung. Eine Entlastung der Fachkräfte durch nicht-fachliche Mitarbeiter. Maßnahmen zur Steigerung der Produktivität und Profitabilität.

Den richtigen Mix zu finden, in einer Reihenfolge, die sinnvoll und machbar ist, mit wirksamen Maßnahmen – das ist die Kunst, auf die wir uns spezialisiert haben.

Zur Person:

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 31.08.2023, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.