26.06.2013 | Beratertipp

Geänderte Regelung zu Erstattungsüberhängen von Kirchensteuer bei der Veranlagung 2012

Von Susanne Christ, Rechtsanwältin/Fachanwältin für Steuerrecht, Köln *

Weitgehend unbemerkt von den Betroffenen hat sich eine Änderung zur Behandlung von Erstattungsüberhängen bei der Kirchensteuer in das Einkommensteuergesetz eingeschlichen, die weitreichende praktische Auswirkung hat.

Die Änderung ist ab dem Veranlagungszeitraum 2012 anzuwenden, so dass in der Steuerberatung diese Änderung bei der Erstellung der aktuellen Einkommensteuererklärungen unbedingt berücksichtigt werden sollten, um Fehlberatungen zu vermeiden. Erfreulich ist, dass die Rechtsanwendung vereinfacht wurde.

Worum geht es?

Beendet ein Steuerpflichtiger seine Mitgliedschaft in der Kirche, führt der Kirchenaustritt häufig dazu, dass in einem Veranlagungszeitraum Kirchensteuer für ein vorangegangenes Kalenderjahr erstattet wird, ohne das gleichzeitig „neue“ Kirchensteuer zu zahlen ist.

Beispiel: Die Arbeitnehmerin Elke Esser ist zu Beginn des Jahres 2011 aus der Kirche ausgetreten, versäumte aber, ihre Lohnsteuerkarte entsprechend ändern zu lassen. Daher hat sie 2011 Kirchensteuer in Höhe von 2.000 EUR abgeführt. Diese machte sie bei ihrer Veranlagung 2011 als Sonderausgaben geltend, zugleich wurde diese Kirchensteuer in voller Höhe am 4.12.2012 erstattet, da sie im gesamten Jahr 2011 nicht mehr Kirchenmitglied war.

Im Veranlagungszeitraum 2012 ist eine Verrechnung der Kirchensteuererstattung nicht möglich, weil aufgrund der Beendigung der Kirchenmitgliedschaft 2012 keine Kirchensteuer mehr gezahlt wurde.

Es ergibt sich damit ein Erstattungsüberhang, dessen Behandlung bislang gesetzlich nicht geregelt war. In der Praxis hatte sich, mit Billigung der Rechtsprechung, folgende Lösung durchgesetzt:

  1. Eine Verrechnung des Erstattungsüberhangs mit anderen Sonderausgaben, etwa Beiträgen zur Krankenversicherung, wurde nicht zugelassen.
  2. Erstattungsüberhänge bei der Kirchensteuer wurden in das Jahr zurückgetragen, für das die Kirchensteuer gezahlt wurde; im Beispiel wäre dann die Einkommensteuerveranlagung 2011 zu ändern gewesen und der gewährte Sonderausgabenabzug für die gezahlte Kirchensteuer 2011 wäre im Änderungswege rückgängig gemacht worden. Diese Regelung führte dazu, dass zum Teil weit zurückliegende Veranlagungszeiträume geändert wurden und für diese Veranlagungszeiträume Einkommensteuern nachzuzahlen waren. In der Steuerberatung war es nicht immer einfach, den Mandanten diese Regelung zu erklären.
Regelung ab dem Veranlagungszeitraum 2012:

Nach dem neu in § 10 eingefügten Abs. 4 b EStG sind Erstattungsüberhänge aus Kirchensteuerzahlungen, die nicht mit Kirchensteuerzahlungen verrechnet werden können, ab dem Veranlagungszeitraum 2012 dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen, vgl. § 10 Abs. 4 b Satz 3 EStG. Das bedeutet, dass der Erstattungsüberhang im Jahr der Erstattung zu versteuern ist, ein Rücktrag in das Jahr, für dass die Erstattung erfolgt ist, ist (glücklicherweise) nicht mehr erforderlich. Anzuwenden ist diese Neuregelung für Erstattungsüberhänge ab dem Veranlagungszeitraum 2012. Deshalb wird diese Neuregelung erstmalig bei den jetzt anstehenden Steuerveranlagungen angewendet.

Beispiel: Die Frau Esser im Veranlagungszeitraum 2012 erstattete Kirchensteuer ist dem Gesamtbetrag der Einkünfte 2012 in Höhe von 2.000 EUR hinzurechnen, da keine Kirchensteuerzahlung im Jahr 2012 erfolgt ist, mit der diese Erstattung verrechnet werden kann.

Wann kommt es in der Praxis zu Erstattungsüberhängen?

  1. Eine Mandantin/ein Mandant ist aus der Kirche ausgetreten.
  2. In einem Kalenderjahr kommt es zu keinerlei Einkommens- oder Lohnsteuerzahlung (und mithin zu keiner Kirchensteuerzahlung), indem aber Kirchensteuer erstattet wird. Das ist vor allem praktisch bedeutsam, wenn Verluste vor- bzw. zurückgetragen werden, evt. noch kombiniert durch die Anwendung des Splittingtarifs bei Eheleuten.
  3. Praktisch kann diese Regelung auch bei der nun durchzuführenden gemeinsamen Veranlagung der Lebenspartnerschaften werden. Durch die nachträgliche Bewilligung des Splittingtarifs für eingetragene Lebenspartner aufgrund der aktuellen Rechtsprechung des BVerfG kann es zu einem hohen Erstattungsüberhangs bei den Lebenspartnern kommen, wenn sämtliche noch offenen Einkommensteuerveranlagungen innerhalb eines kurzen Zeitraums geändert werden und es zu hohen Erstattungen auch von Kirchensteuer innerhalb eines Kalenderjahres kommt. Das gilt insbesondere dann, wenn nur ein Partner Mitglied einer Kirche ist, da dann die Erstattung für mehrere Jahre schnell die im Jahr zu zahlende Kirchensteuer übersteigt.

 

* Über die Autorin:

Susanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht. Sie führt eine eigene Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln und ist die Sprecherin des Erbrechtsausschusses des Kölner Anwaltsvereins. Susanne Christ ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Sie schreibt auch regelmäßig Fachartikel und Kommentare bei STB Web. 

E-Mail: s.christ@netcologne.de

 

(STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 26.06.2013, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.