23.05.2012 | Beratertipp

Aktuelle steuerliche Praxisempfehlungen für eingetragene Lebenspartnerschaften

Von Susanne Christ, Rechtsanwältin/Fachanwältin für Steuerrecht, Köln *

Beantragen eingetragene Lebenspartner die Gewährung des Splittingtarifs im Wege der  Zusammenveranlagung bei der Einkommensteuer, und lehnt das Finanzamt dies ab, besteht Anspruch auf Aussetzung der Vollziehung. Dies jedenfalls hat der BFH in seiner jüngst veröffentlichten Entscheidung (Beschluss vom 5.3.2012, AZ III B 6/12) so entschieden. Was bedeutet das im Detail für die Praxis?

Um seine steuerlichen Rechte zu wahren, ist es unbedingt erforderlich, gegen die getrennte Veranlagung von eingetragenen Lebenspartnern fristgerecht Einspruch einzulegen und das Ruhen des Verfahrens zu beantragen. (Foto: tiburonstudios / iStock.com)


Zwar tendiert der BFH in seiner Entscheidung dahin, die bestehende Rechtslage – nach der nur Eheleute und nicht auch die gleichgeschlechtliche eingetragene Lebenspartnerschaft den Splittingtarif beanspruchen darf – als verfassungsgemäß einzustufen; er hält es aber nicht für ausgeschlossen, dass das BVerfG, dem diese Frage vorliegt, die Frage anders beantwortet. Insbesondere ist nicht ausgeschlossen, dass das BVerfG in der bestehenden Regelung einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot sieht und von seiner bisherigen Rechtsprechung abrückt. Diese rechtliche Unsicherheit führt im Ergebnis dazu, dass der BFH im Entscheidungsfall die bereits vom FG gewährte Aussetzung der Vollziehung bestätigte.


Was bedeutet das für die Praxis?


1. Gegen Ablehnung der Zusammenveranlagung Einspruch einlegen

Da die Einkommensteuerbescheide nach wie vor nicht wegen der Frage der Zusammenveranlagung von eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern für vorläufig erklärt werden, muss – wenn die Finanzverwaltung die gemeinsame Veranlagung ablehnt und zwei getrennte Einkommensteuerveranlagungen durchführt – gegen diese Einkommensteuerbescheide Einspruch eingelegt werden. Andernfalls würde die getrennte Veranlagung bestandskräftig, eine spätere Änderung wäre – wenn das BVerfG zugunsten der eingetragenen Lebenspartner entscheidet – dann aus verfahrensrechtlichen Gründen grundsätzlich nicht mehr möglich.


2. Aussetzung der Vollziehung beantragen

a) Aussetzungsantrag bei der Einkommensteuerfestsetzung

Soll bereits jetzt eine Gleichstellung mit Ehegatten erreicht werden, kann dazu ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt werden. Der BFH hat – wie oben erläutert – den Anspruch auf Aussetzung der Vollziehung bestätigt. Vorbereitet wurde diese Entscheidung durch zahlreiche Entscheidungen der Finanzgerichte, die immer öfter Aussetzung der Vollziehung gewährten, z.B. Niedersächsiches FG, Beschluss v. 15.6.2011, 3 V 125/11, FG Köln, Beschluss v. 07.12.2011, 4 V 2831/11.

Leider konnten sich die Bundesländer in dieser Frage nicht einigen, so dass eine bundeseinheitliche Regelung nicht besteht. Aber - immerhin – in manchen Bundesländern, wie z.B. in Nordrhein-Westfalen, soll Anträgen auf  die Aussetzung der Vollziehung landesweit stattgegeben werden.

Achtung! Den Mandanten sollte unbedingt bewußt sein, dass die Aussetzung der Vollziehung nur zu einer vorläufigen Regelung führt. Werden beispielsweise aufgrund der gewährten Aussetzung Einkommensteuern erstattet, muss dieser Erstattungsbetrag (ggf. einschließlich Zinsen in Höhe von 0,5 % je Monat) zurückgezahlt werden, sollte das BVerfG zu dem Schluss kommen, dass die bestehende Rechtslage verfassungsgemäß ist und eingetragene Lebenspartner den Splittingtarif nicht beanspruchen dürfen. Dies den Mandanten zu vermitteln, ist in der Praxis manchmal nicht einfach, da überwiegend damit gerechnet wird, dass das BVerfG die bestehende Rechtslage kippen wird und Gegenmeinungen dazu nicht wahrgenommen werden.

b) Einstweiliger Rechtsschutz zur Einstufung in günstigere Lohnsteuerklassen

Ist einer der Lebenspartner oder sind sogar beide angestellt tätig, kann im einstweiligen Rechtsschutz die Einstufung in die Steuerklassen IV/IV mit Anwendung des Faktorverfahrens oder Einstufung in Steuerklassen III/V beantragt werden. Auch hier mehren sich finanzgerichtliche Entscheidungen, die die Einstufung in diese Steuerklassen vorläufig zulassen. Ebenso wie bei der Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuer sollte auch hier das Bewußtsein dafür geschärft werden, dass es später zu Steuernachzahlungen kommen kann, wenn sich herausstellt, dass eingetragene Lebenspartner keinen Anspruch auf die günstigen Lohnsteuerklassen haben.

Da sich die Höhe der Lohnsteuer nicht auf die später tatsächlich festgesetzte Einkommensteuer auswirkt, ist es nicht unbedingt erforderlich, um die Aussetzung der Vollziehung zu „kämpfen“. Wer seine Einkommensteuerveranlagung mittels Einspruch offen hält, hat die Möglichkeit, später die Einkommensteuer ändern zu lassen, wenn das BVerfG die bestehende Regelung für verfassungswidrig hält. Diese Rechte bestehen auch dann, wenn keine Aussetzung der Vollziehung beantragt bzw. gewährt wird.  


Wichtig - Zusammenhang mit Lohnersatzleistungen beachten
!

Anders ist es, wenn zu erwarten ist, dass ein Lebenspartner Lohnersatzleistungen beziehen wird. Droht beispielsweise einem Lebenspartner in näherer Zukunft Arbeitslosigkeit, sollte er sich – wenn möglich - im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes in Steuerklasse III einstufen lassen. Erhöht sich bei Einstufung in Steuerklasse III sein Nettogehalt etwa um 500 EUR, erhöht sich in der Regel auch die Bemessungsgrundlage für die Lohnersatzleistungen um diesen Betrag. Sind beide Partner angstellt tätig, kann statt der Steuerklassenkombination III/V auch die Steuerklassen IV/IV mit Faktorverfahren gewählt werden. Wenn nicht beide Partner exakt dasselbe verdienen, erhöht sich bei dieser Steuerklassenkombination das Nettogehalt beider Partner und damit auch die Bemessungsgrundlage für Lohnersatzleistungen.


Zusammenfassung:

Um seine steuerlichen Rechte zu wahren, ist es unbedingt erforderlich, gegen die getrennte Veranlagung von eingetragenen Lebenspartnern fristgerecht Einspruch einzulegen und das Ruhen des Verfahrens zu beantragen. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist zwar – auch aufgrund der aktuellen Entscheidung des BFHs - erfolgsversprechend, aber nicht erforderlich, um später eine  Änderung der Einkommensteuerfestsetzung zu bewirken, sollte das BVerfG den Splittingtarif für eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern bestätigen. Sind Lohnersatzleistungen zu erwarten, sollte im einstweiligen Rechtsschutz eine günstigere Steuerklasse beantragt werden, um so den Nettolohn und damit die Bemessungsgrundlage für die Lohnersatzleistungen zu erhöhen.


* Über die Autorin:

Susanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht. Sie führt eine eigene Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln und ist die Sprecherin des Erbrechtsausschusses des Kölner Anwaltsvereins. Susanne Christ ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Sie schreibt auch regelmäßig Fachartikel und Kommentare bei STB Web. 

E-Mail: s.christ@netcologne.de


(STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 23.05.2012, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.