25.11.2011 | Urteil

Urlaub bei Langzeiterkrankten: EuGH bessert nach

Durch eine nationale Regelung kann die Möglichkeit der Ansammlung von Urlaubsansprüchen aus Zeiten der Arbeitsunfähigkeit begrenzt werden, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH).  Eine derartige Frist müsse aber die Dauer des Bezugszeitraums deutlich überschreiten.

Im entschiedenen Fall hatte ein Angestellter einer deutschen Firma gemäß Tarifvertrag Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von 30 Tagen. Der Tarifvertrag sah vor, dass Ansprüche auf krankheitsbedingt nicht genommenen Urlaub nach Ablauf einer Übertragungsfrist von 15 Monaten nach dem Bezugszeitraum (Kalenderjahr) erlöschen. Das Arbeitsverhältnis endete nach 3-jähriger Arbeitsunfähigkeit und anschließender Rente wegen voller Erwerbsminderung. Der Angestellte verlangte erfolglos die Abgeltung des nicht genommenen Jahresurlaubs während der Krankheitsphase.

Strenge Voraussetzungen für Verlust des Anspruchs

In seinem Urteil vom 22.11.2011 (Az. C-214/10 – KHS AG/Winfried Schulte) bestätigte der EuGH zunächst seine bisherige Rechtsprechung, wonach das Unionsrecht einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die den Verlust des Urlaubsanspruchs am Ende eines Bezugszeitraums oder Übertragungszeitraums vorsieht. Voraussetzung für ein Erlöschen des Urlaubsanspruchs bei Langzeiterkrankung war bisher jedoch, dass der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit gehabt haben musste, seinen Urlaubsanspruch auszuüben.

Urlaub soll der Erholung dienen

Diese Voraussetzung hat der EuGH nunmehr relativiert. Das Gericht folgt dabei der Erkenntnis, dass ein Recht des Arbeitnehmers auf unbegrenztes Ansammeln von Ansprüchen auf Jahresurlaub bei Langzeiterkrankungen nicht mehr dem Urlaubszweck – sich von der Arbeit zu erholen – entsprechen würde. Daher könne ein Zeitraum, der wie im vorliegenden Fall 15 Monate beträgt, vernünftigerweise als Übertragungszeitraum angesehen werden, der dem Urlaubszweck nicht zuwiderläuft. Schließlich stelle er sicher, dass der Anspruch seine positive Wirkung für den Arbeitnehmer als Erholungszeit behalte, so die Richter. Folglich stehe das Unionsrecht im Fall eines während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähigen Arbeitnehmers einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten wie etwa Tarifverträgen nicht entgegen, die die Möglichkeit, Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub anzusammeln, dadurch einschränken, dass sie einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten vorsehen, nach dessen Ablauf der Anspruch erlischt.

Fazit

Mit der Entscheidung hat der EuGH den deutschen Gerichten auch den Weg geebnet, eine Verjährung von Urlaubsansprüchen nach Ablauf der 3-jährigen Regelverjährung anzunehmen. Unentschieden bleibt vorerst aber der Streit unter den Landesarbeitsgerichten, ob der Urlaubsanspruch überhaupt der Verjährung unterliegt. Dies wird abschließend wohl nur das Bundesarbeitsgericht entscheiden können. 



(EuGH / STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 25.11.2011, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.