23.11.2011 | Beratertipp

Rückstellung für Nachbetreuungsaufwand bei Versicherungsverträgen prüfen

Von Susanne Christ, Rechtsanwältin/Fachanwältin für Steuerrecht, Köln *

Der BFH hat kürzlich entschieden, in welchem Umfang Rückstellungen für die Verpflichtung der Nachbetreuung von Versicherungsverträgen zulässig sind. Gerade zum Jahresende kann durch die Bildung dieser Rückstellungen der Gewinn erheblich verringert werden. Voraussetzung ist allerdings, dass der Gewinn durch Bestandsvergleich ermittelt wird. Im Einzelfall sollte ein Wechsel der Gewinnermittlungsart von der Einnahmen-Überschuss-Rechnung zur Bilanzierung geprüft werden.

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Ungewisse Verbindlichkeiten aus schwebenden Geschäften berechtigen im Allgemeinen nicht zur Bildung einer Rückstellung. Allerdings gelten u.a. Ausnahmen bei Vorleistungen und Erfüllungsrückständen. Ist ein Versicherungsvertreter verpflichtet, für von ihm vermittelte Versicherungsverträge später den Vertrag während dessen oft jahrelangen Laufzeit auch zu verwalten und den Kunden – etwa bei Adress- und Namensänderungen - zu betreuen, kann er berechtigt sein, eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstandes zu bilden. Das hat der BFH in seinen aktuellen Urteilen vom 19.07.2011, X R 9/10 und X R 48/08 ausdrücklich bestätigt. Zugleich hat er sehr ausführlich dazu Stellung genommen, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen und wie der Rückstellungsbetrag zu ermitteln ist.

Praxishinweis: Praktisch bedeutsam ist diese Entscheidung nur für Unternehmen, die ihren Gewinn durch Bestandsvergleich ermitteln. Bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung können Rückstellungen nicht gebildet werden. Liegen bei einem solchen Unternehmen die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung wegen Erfüllungsrückständen vor, sollte im Beratungsgespräch geklärt werden, ob der Gewinn zukünftig durch Bilanzierung  ermittelt werden soll, um so die Rückstellungsbildung zu ermöglichen. Hierbei sollten dem Mandanten die Vor- und Nachteile der jeweiligen Gewinnermittlungsart erläutert werden. Auch sollte berücksichtigt werden, dass durch Bildung der Rückstellung die Besteuerung nicht vermieden, sondern lediglich auf den Zeitpunkt der Auflösung der Rückstellung verschoben wird. Dieser Zusammenhang ist Mandanten häufig nicht bewußt.

Voraussetzungen für die Bildung der Rückstellung wegen Erfüllungsrückstandes dem Grunde nach

Versicherungsvertreter sind oftmals verpflichtet, die von ihnen vermittelten Verträge während ihrer Laufzeit zu betreuen, Fragen des Kunden zu beantworten, Änderungen der Daten zu erfassen oder Vertragsanpassungen einzupflegen. Erhalten sie von den Versicherungsunternehmen dafür eine sog. Betreuungs-oder Folgeprovision, gibt es keinen Erfüllungsrückstand; eine Rückstellung darf nicht gebildet werden.

Wird – und dies ist in der Praxis gar nicht so selten – mit der Abschlussprovision auch die spätere Betreuung des Versicherungsvertrages vergütet, entsteht für den Unternehmer ein Erfüllungsrückstand, die grundsätzlich rückstellungsfähig ist. Vorausgesetzt, es besteht eine rechtliche und nicht nur moralische Verpflichtung zur Betreuung der Verträge.

Art der Provisionszahlung Auswirkungen auf Gewinnermittlung
Neben Abschlussprovision werden während der Vertragslaufzeit laufend eine Betreuungs- bzw. Folgeprovision gezahlt Kein Erfüllungsrückstand, da Betreuungsaufwand durch Betreuungsprovision laufend abgegolten wird,

keine Bildung einer Rückstellung
Abschlussprovision, eine Betreuung des Verträge wird nicht vereinbart Kein Erfüllungsrückstand, da keine Rechtspflicht zur Betreuung der Verträge besteht; freiwillig übernommene Leistungen begründen keinen Erfüllungsrückstand,

keine Bildung einer Rückstellung
Abschlussprovision wird auch für die rechtlich verpflichtende Betreuung der Verträge gezahlt Erfüllungsrückstand, da eine Rechtspflicht zur Vertragsbetreuung besteht, dem Grunde nach besteht Verpflichtung zur Bildung einer Rückstellung wegen ungewisser Verbindlichkeiten

Rückstellung dem Grunde nach zulässig
Unternehmen ermittelt Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG Bildung einer Rückstellung bei dieser Gewinnermittlungsart nicht zulässig, um Rückstellung bilden zu können, muss zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich, §§ 4 Abs.1, 5 EStG gewechselt werden

Achtung!
Rückstellungen dürfen nur für die Betreuung bereits abgeschlossener Verträge gebildet werden. Aufwand für Werbeleistungen mit dem Ziel, weitere Vertragsabschlüsse zu erzielen, sind nicht rückstellbar.

Höhe des Rückstellungsbetrages ist sorgfältig zu ermitteln – umfangreiche Nachweispflichten für den Steuerpflichtigen

Liegen die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung vor (Zahlung einer Abschlussprovision und rechtliche Verpflichtung zur Vertragsbetreuung), muss der Rückstellungsbetrag ermittelt werden.  Hierzu hat der BFH in seiner Entscheidung klargestellt, dass eine oberflächliche Schätzung des Aufwandes nicht ausreicht, um den Rückstellungsaufwand festzustellen.

Praxishinweis: Der BFH betonte, dass die Feststellungslast ausschließlich beim Steuerpflichtigen liegt. Das bedeutet, dass Ihr Mandant auf eigene Kosten umfangreiche Aufzeichnungen über den zu erwartenden Aufwand anfertigen muss, um die von ihm gebildeten Rückstellungen ausreichend nachzuweisen.

a. Keine Rückstellung für eigene Arbeitskraft

Beschäftigt der Steuerpflichtige keine Mitarbeiter, ist die Bildung einer Rückstellung ausgeschlossen, da Aufwand für die eigene künftige Arbeitskraft des Betriebsinhabers nicht rückstellungsfähig ist.  Hier könnte die Beschäftigung des Ehegatten zur Bestandspflege in Betracht kommen, um die Rückstellungsfähigkeit zu begründen.

b. Vertragsbezogener Nachweis des voraussichtlichen Zeitaufwandes

Maßgebend für die Höhe der Rückstellung ist der jeweilige Zeitaufwand pro Vertrag und Jahr. Diesen zu ermitteln ist nicht einfach, wie die Ausführungen des BFH zeigen. Er verlangt zum Nachweis des voraussichtlichen Zeitaufwands die im Folgenden genannten (umfangreichen) Aufzeichnungen. Diese Aufzeichnungen müssen vertragsbezogen erstellt werden; allerdings verlangt der BFH nicht, dass diese Angaben für sämtliche Verträge ermittelt werden. Es reicht, wenn fundierte Stichproben – z.B. anhand eines bestimmten Prozentsatzes der Verträge oder nach bestimmten Anfangsbuchstaben der Kundennamen – herangezogen werden und diese Ergebnisse auf sämtliche Verträge hochgerechnet werden. Wichtig ist dem BFH, dass durch die Zusammenstellung eine hinreichende Rückstellungswahrscheinlichkeit gewährleistet werden kann.

Liste der erforderlichen Angaben zur Ermittlung des rückzustellenden Betrages
  • Beschreibung der einzelnen Betreuungstätigkeiten; die Darstellung muss die Finanzverwaltung und ggf. auch die Finanzrichter in die Lage versetzen, anhand der rechtlichen Anforderungen zu prüfen, ob der Aufwand für die jeweilige Tätigkeit zur Bildung einer Rückstellung berechtigt;
  • Zeitaufwand für die jeweilige Tätigkeit, wenn sie im Einzelfall anfällt;
  • Häufigkeit der jeweiligen Tätigkeit über die Gesamtlaufzeit des jeweiligen Vertrages;
  • Höhe der Personalkosten pro Stunde Betreuungszeit;
  • die Laufzeit bzw. Restlaufzeit der einzubeziehenden Verträge; dabei ist vor allem auch der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass ein Teil der Verträge vorzeitig gekündigt und aufgelöst wird und damit der Betreuungsaufwand nur für einen Teil der zunächst geplanten Vertragslaufzeit anfällt.
Praxishinweis: Nicht ausreichend sind allgemeine Schätzungen, wie etwa Aufwand von 20 Minuten je Jahr und Vertrag ohne nähere Begründung. Die Urteile des BFH zeigen, dass die Bildung der Rückstellung sehr genau zu begründen ist.

Legt der Steuerpflichtige die erforderlichen Unterlagen nicht vor, ist das Finanzamt berechtigt, die Rückstellung und die damit verbundene Gewinnminderung nicht anzuerkennen. Die Rückstellungen können allerdings jedes Jahr für die in dem betreffenden Jahr neu abgeschlossenen Verträge gebildet werden.

* Über die Autorin:

Susanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht. Sie führt eine eigene Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln und ist die Sprecherin des Erbrechtsausschusses des Kölner Anwaltsvereins. Susanne Christ ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Sie schreibt auch regelmäßig Fachartikel und Kommentare bei STB Web. 

E-Mail: s.christ@netcologne.de


(STB Web)


Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 23.11.2011, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.