22.05.2013 |
Von Ulf Hausmann, MBA, Berlin *
Beim Stichwort 'Guerilla Marketing' denken viele zunächst an schrille Marketingaktionen, die kurzfristig viel Aufmerksamkeit erzeugen und ebenso schnell wieder verpuffen. Tatsächlich aber beginnt Guerilla Marketing viel früher – im Kopf der Kanzleiführung, die eine klare Vorstellung von der unternehmerischen Zukunft entwickelt hat und es schafft, diese Vision mit den begrenzten Zeit- und Kapitalressourcen einer Kanzlei dennoch beharrlich zu verfolgen. Dazu sind besonders auch Führungsqualitäten notwendig, um das gesamte Team "mit ins Boot" zu holen.
Foto: © ecovis
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Vielleicht kennen Sie betroffene Kollegen oder waren selbst schon einmal in der misslichen Lage: Die Kanzlei lief zunächst blendend – bis der Großkunde, der 20 Prozent des Umsatzes brachte, seine Nachfolge nicht regelte oder in die Insolvenz ging. Oder Sie hatten einen exzellenten Draht zu einer Big4-Firma und arbeiteten Spezialfälle im Auftrag ab, die aber wegen einer Strategieänderung der Big4-Firma nun doch nicht mehr bei Ihnen landen. Die Folge: Unvorgesehen kollabiert der Umsatz.
In so einer Situation fragen Sie sich: „Wo ist der Marketingschalter den ich in der Kanzlei für sofortigen Umsatzzuwachs umlegen muss?“. Kanzleimarketing ist aber nur dann mit geringem Ressourceneinsatz effektiv, wenn ihm die nötige Zeit gelassen wird. „Feuerwehraktionen“ sind immer teuer und ihr Ausgang ungewiss.
Guerilla Marketing für Kanzleien verbindet die Kraft einer klar durchdachten Strategie, und die Effektivität einfacher Handlungen, die jeder Einzelne in der Kanzlei täglich ausführt. Dadurch entfaltet es seine besondere Effizienz. Gleichzeitig ist das der nötige Nährboden, auf dem kreative Ideen für ungewöhnliche Marketingaktionen gedeihen.
Geeignet ist Guerilla Marketing für diejenigen Steuerkanzleien, die keine großen Werbebudgets einsetzen wollen oder können und stattdessen mit gesundem Menschenverstand, Ausdauer und Konsequenz ihre Ziele verfolgen, und dabei die Kreativität und das Innovationspotenzial ihres gesamten Kanzleiteams einsetzen.
Bei Workshops oder Vorträgen verteilen Berater gern aufwändige Flyer und teure Broschüren – die entweder widerwillig oder gar nicht auf Interesse stoßen. Das Ziel, auch nach einer Veranstaltung im Kopf der Zuhörer präsent zu bleiben, hat eine Steuerberaterin anders und elegant so gelöst: Bei einem Lohnsteuerworkshop für Kunden einer Bank verteilte Sie persönlich jeder Teilnehmerin einen Leinenbeutel mit ofenfrischen Brötchen samt süßem und herzhaftem Aufstrich – an Stelle der obligatorischen Werbeprospekte. Die Teilnehmer waren überrascht und hoch erfreut über den Snack für zu Hause oder das Büro, wo natürlich über die ungewöhnliche Spenderin gesprochen wurde. Auch für die Bank war das Ereignis insgesamt ein Erfolg, und die Steuerberaterin kann sich über Empfehlungen durch diese freuen.
Ein anderer Steuerberater hatte, bemerkenswerter Weise bei einem gemeinsamen Krankenhausaufenthalt, einen Arzt und einen Apotheker kennen gelernt. Beide waren nicht sonderlich zufrieden mit ihren Steuerberatern, aber auch nach Verlassen des Krankenhauses ergab sich noch kein Mandatswechsel. Einige Wochen später verschickte der Steuerberater den beiden eine Schachtel „Steuerspartabletten“ – ein kleiner Werbegag der Kanzlei. Am nächsten Tag meldeten sich sowohl Arzt als auch Apotheker zwecks Mandatsaufnahme.
So etwas funktioniert natürlich nicht ohne Weiteres: Die Kanzlei hatte für den Gesundheitsbereich Jahre an ihrem Image- und Know-how Aufbau gearbeitet, einen zielgruppenorientierten Internetauftritt, einen eigenen Branchennewsletter nebst Veröffentlichungen in der Gesundheitspresse. Auf solch einer soliden Basis können "Guerilla-Aktionen" effektiv eingesetzt werden.
Aus Sicht potenzieller Neumandanten gleicht eine Kanzlei der anderen. Überlegen Sie sich daher, durch welches Leistungsangebot, welche Art der Leistungserbringung, durch welche Kommunikation und welches Networking Sie signifikant anders agieren können als ihre relevanten Wettbewerber. Diese unternehmerische Aufgabe sollte Sie ganz selbstverständlich über die gesamte Zeit der Kanzleitätigkeit begleiten und führt besonders dann zu nachhaltigen Ergebnissen, wenn Sie Ihre Marketingideen und -pläne regelmäßig schriftlich fixieren. Erst aufgeschriebene Gedanken erreichen die nötige Klarheit.
Wichtig ist auch, sie immer wieder mit anderen zu diskutieren. Das heißt auch, nicht sofort alles aufzugeben, was nicht kurzfristig Erfolg zeigt, sondern genauer zu evaluieren, aus welchen Gründen bestimmte Maßnahmen nicht funktionieren – und weiter am Ball zu bleiben. Beziehen Sie das gesamte Team mit ein, damit die Kanzlei aus Erfolgen und Misserfolgen lernen kann. Auf dieser Basis können bessere und neue Ideen entstehen und erprobt werden. So bauen Sie über Jahre in Ihrer Kanzlei diejenigen Fähigkeiten auf, mit denen effiziente Maßnahmen schließlich "wie nebenbei passieren", z.B.:
Es ist wichtig, die Personen aller Ebenen in ein solches Kanzleimarketing einzubeziehen. Dabei kommt es jedoch zwangsläufig zu dem Konflikt, dass Marketingarbeitszeit auf Kosten des Abarbeitens der vorhandenen Aufträge geht. Bei Personen mit umsatzabhängiger oder unternehmerischer Vergütung wirkt sich das sogar kurzfristig negativ auf die Einkommenssituation aus, wenn die Kanzlei voll ausgelastet ist. Es existieren also strukturell bedingt Negativanreize in jeder Kanzlei, die der Umsetzung von Marketingaktivitäten entgegenwirken.
Es ist Aufgabe der Kanzleiführung, eine Unternehmenskultur und Anreizsysteme zu schaffen, die Marketingaktivitäten für die beteiligten Personen auch wirklich attraktiv werden lassen, wie beispielsweise:
Steuerberatung ist ein Vertrauensgeschäft, und Vertrauen kann nicht durch Werbeanzeigen aufgebaut werden. Dagegen kann es leicht durch Diskrepanzen zwischen vom Mandanten „wahrgenommenen Leistungsversprechen“ und erlebter Servicequalität zerstört werden.
Mandanten kommen meist mit existenziell relevanten Fragen und Aufgaben in die Kanzlei – und gehen bei der Beauftragung der Kanzlei ein Risiko ein: Sie können im Vorfeld nicht die Qualität und Leistungsfähigkeit der Kanzlei direkt einschätzen. Was sie beurteilen können, ist das, was sie in der Kanzlei erleben: Wie sind Kommunikation, Termintreue und das Kanzleiklima insgesamt, gibt es einen professionellen Marktauftritt?
Sie selbst und Ihre Mitarbeiterinnen sind diejenigen, die durch ihr persönliches Verhalten in der Interaktion mit den Mandanten Vertrauen erzeugen und so das Image der Kanzlei prägen. Zufriedene Mandanten sind gute Empfehler, und sie können ihr Vertrauen in die Kanzlei auf neue potenzielle Mandanten übertragen. Es kostet Ihren persönlichen und den Einsatz Ihres Teams, eine entsprechende Empfehlungskultur in der Kanzlei zu etablieren. Berücksichtigen Sie das als Kern in Ihrer Marketingstrategie.
* Autor:
Ulf Hausmann unterstützt Steuerberaterinnen und Steuerberater mit Markt-, Umsatz- und Führungsverantwortung über Beratung, Training und Coaching dabei, ihre Ziele effektiver zu erreichen. Er ist Experte für Kanzleimarketing, hat 10 Jahre die Marke Ecovis mit aufgebaut und 2013 Ulf Hausmann CONSULTING Innovationsdesign & Guerilla Marketing für Kanzleien gegründet.
(STB Web)
Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 22.05.2013, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.