28.11.2018 | Kanzleimanagement und Digitalisierung

KI in der Steuerberatung

Von Alexandra Buba / Interview mit Prof. Dr. Peter Fettke

Künstliche Intelligenz spielt in immer mehr Bereiche des Lebens hinein und macht auch vor der Steuerberatung nicht halt. Ob KI eine Bedrohung des Beraterberufs an sich darstellt, wie Steuerberaterinnen und Steuerberater sie nutzbringend einsetzen können und wie sie die gesamte Branche verändern wird, weiß Prof. Dr. Peter Fettke, der das „Center of Competence Tax Technology“ am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Saarbrücken leitet.

Wenn künstliche und natürliche Intelligenz sich treffen, nützt dies dem Mandanten - vor allem aber der Kanzlei. (Foto: © Alexander Limbach - Fotolia.com)

STB Web:
Herr Prof. Dr. Fettke, müssen die Steuerberater Konkurrenz seitens der Künstlichen Intelligenz (KI) befürchten?

Prof. Dr. Peter Fettke:
Nein, das müssen sie nicht. Das Aufgabenfeld in der Steuerberatung ist so komplex, dass dies in absehbarer Zeit nicht durch KI abgedeckt werden wird. Allerdings wird sie ganz erheblichen Einfluss auf die Branche haben, da KI-Systeme beispielsweise in Zukunft vielfältige Routineaufgaben eines Steuerberaters übernehmen werden.

STB Web:
Wo fängt KI für sie als Wissenschaftler überhaupt an?

Prof. Dr. Peter Fettke:
Es gibt den schönen Satz „Sobald es funktioniert, nennt es keiner mehr KI“ von John McCarthy, einem der Gründungsväter der KI. Tatsächlich verschiebt sich die Grenze zu dem, was wir als Künstliche Intelligenz wahrnehmen, permanent. Hätte man vor einigen Jahren vielleicht noch ein Navi oder einen Schach-Computer als KI empfunden, sind solche Dinge heute nur eine „App“.

STB Web:
Sie haben sich im Rahmen eines Forschungsprojekts mit möglichen Einsatzfeldern von KI in der Steuerberatung beschäftigt – welche sind das?

Prof. Dr. Peter Fettke:
Wesentlich für künftige Beratungsdienstleistungen wird die Verarbeitung von Massendaten werden. Die Analyse etwa der Fibu-Daten wird es erlauben, auffällige Buchungen, steuerliche Muster und Anomalien zu erkennen.

Prof. Dr. Peter Fettke
Foto: Prof. Dr. Peter Fettke

Soll heißen: Wo heute die Programme der Finanzverwaltung nur regelbezogen nach Auffälligkeiten recherchieren, wird dies künftig auch regellos mit kognitiven Diensten und Prozessassistenten funktionieren.

Daneben werden vermutlich Chatbots die ganz einfachen Beratungsanfragen beantworten, und KI wird künftig Standardproceduren unterstützen, dem Kanzleimitarbeiter etwa den nächsten Arbeitsschritt empfehlen und ihn gleichzeitig mit den notwendigen Informationen dafür versorgen. Es wird den persönlichen digitalen Assistenten geben, den Sie nicht mehr mit dem Navi, sondern eher mit dem Beifahrer im Auto vergleichen dürfen.

STB Web:
...der aber auch seine Berechtigung hat, oder glauben Sie, dass KI irgendwann der natürlichen Intelligenz ebenbürtig sein wird?

Prof. Dr. Peter Fettke:
Künstliche Intelligenz ist nicht besser als natürliche, aber in vielen Bereichen erzielen wir hervorragende Ergebnisse.

STB Web:
Wir alle, und nicht nur Angehörige des steuerberatenden Berufs, könnten davon aber dennoch verunsichert sein. In welcher Ausgangsposition sehen Sie denn die Steuerberatungsbranche?

Prof. Dr. Peter Fettke:
Tatsächlich ist sie nicht nur einem gewissen Technologiedruck ausgesetzt, sondern auch einem Bedarfssog. Es gibt eine Reihe von globalen, universellen Trends, die mit Technik zunächst einmal gar nichts zu tun haben. Einer davon ist die Tatsache, dass Kunden - und damit wir alle - immer mehr für immer weniger Geld haben wollen. Das spüren alle in der Wirtschaft Tätigen. Außerdem gibt es Liberalisierungstendenzen, die den Beratermarkt betreffen; das sehen sie an der Umsatzsteuerdienstleistung, die der Online-Händler Amazon anbietet. Hinzu kommt ein veränderter Personalbedarf: Durch die zunehmende Automatisierung von Routinetätigkeiten wird zwar weniger gering, aber dafür mehr hoch qualifiziertes Personal benötigt.

STB Web:
Trotz KI?

Prof. Dr. Peter Fettke:
Ja. 

STB Web:
Wie reagieren denn Berater ihrer Einschätzung nach auf den Technologiedruck?

Prof. Dr. Peter Fettke:
Es gibt derzeit drei verschiedene Gruppen: Die erste verweigert sich der Modernisierung total. Die zweite Gruppe flüchtet sich in ganz bestimmte Beratungsfelder und bietet absolute Highend-Dienstleistungen im Steuerberatungsbereich an, beispielsweise im Bereich des Steuerstrafrechts. Daneben beobachte ich eine dritte Gruppe, das sind oft Kanzleien ab einer Größe von 50 oder 60 Mitarbeitern, die sehr genau erkannt hat, dass die technologische Entwicklung phantastische Chancen bietet. Von solchen Kanzleien bekomme ich gerade viele Anfragen, nicht nur im Steuerbereich.

STB Web:
Die sie wie beantworten?

Prof. Dr. Peter Fettke:
Zunächst einmal kläre ich, dass ich kein Technologie- oder Unternehmensberater, sondern Wissenschaftler bin. Ein paar Hinweise kann ich ihnen aber schon mit auf den Weg geben: Im ersten Schritt sollten sie sich ein Netzwerk schaffen, dass all das beinhaltet, von dem sie glauben, dass es sie in der Zukunft weiter bringen wird. Danach sollten sie ihre Prozesse hinterfragen und erst im dritten Schritt auf die tatsächlichen IT-Systeme schauen und möglicherweise in KI-Komponenten investieren.

STB Web:
Wer wird denn aus Ihrer Sicht technologiegetrieben letztlich das Rennen in der Branche machen?

Prof. Dr. Peter Fettke:
Es ist im Moment noch völlig offen, wie sich das entwickelt. Während wir im Privatbereich bereits neue technische Ökosysteme wie Amazon oder Google haben, die fest etabliert sind, sind in der Steuerberatung noch verschiedene Modelle denkbar: Es könnte ganz neue technische Anbieter geben - wir sehen eine Reihe von Start-ups und Spin-Offs in diesem Segment. Daneben könnten sich aber auch Unternehmen mit Datenschätzen zusammenschließen oder neue Geschäftsmodelle von Beratern aller Coleur entstehen. Möglich sind natürlich auch entsprechende Hybridmodelle.
 

Prof. Dr. Peter Fettke Prof. Dr. Peter Fettke ist Professor für Wirtschaftsinformatik an der Universität des Saarlandes sowie Leiter der Forschungsgruppe „Geschäftsprozessmanagement“ am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Saarbrücken.

Alexandra BubaDas Gespräch führte Alexandra Buba. Sie ist freie Journalistin und spezialisiert auf die Themen der Steuerberatungsbranche (www.medientext.com). Alexandra Buba schreibt regelmäßig für die STB Web-Redaktion.


Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 28.11.2018, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.