27.09.2017 | Beratertipp

Tückisch, aber interessant: GmbH-Anteile gegen Versorgungsleistung

Von Susanne Christ, Rechtsanwältin/Fachanwältin für Steuerrecht, Köln *

Ein aktuelles BFH-Urteil rückt die Möglichkeiten der vorweggenommenen Erbfolge durch Übertragung von GmbH-Anteilen gegen Versorgungsleistung in den Blick. In welchen Fällen ergeben sich steuerliche Vorteile und was muss beachtent werden?

In der Regel wird die Versorgungsleistung im Zusammenhang mit einer Vermögensübertragung unter Familienangehörigen vereinbart. (Foto: © stakhov - Fotolia.com)

Versorgungsleistungen, die an den ehemaligen Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH geleistet werden, können nach § 10 Abs. 1a) Nr. 2 Satz 2 Buchstabe c EStG in voller Höhe als Sonderausgaben beim übernehmenden Gesellschafter-Geschäftsführer abzogen werden, wenn u.a.

  1. mindestens 50 Prozent der Gesellschaftsanteile an den neuen Gesellschafter übertragen werden und
  2. die Geschäftsführung vom neuen Gesellschafter übernommen wird.

Im Gegenzug müssen die Versorgungsleistungen nach § 22 Satz 2 Nr. 1a EStG bei dem bisherigen Gesellschafter-Geschäftsführer in voller Höhe als sonstige Einkünfte versteuert werden.

Praxishinweis: Für die Verpflichtung, die Versorgungsleistungen nach § 22 Satz 2 Nr. 1a EStG zu versteuer, ist es ohne Bedeutung, ob und ggf. in welcher Höhe sich der Sonderausgabenabzug beim Nachfolger tatsächlich steuermindernd auswirkt. Entscheidend ist allein, ob der Sonderausgabeabzug dem Grunde nach gegeben ist. Führt er - etwa wegen eines erzielten Verlustes ins Leere - sind beim Empfänger die Zahlungen dennoch zu versteuern.

BFH: Ein Nebeneinander ist nicht möglich

In einer aktuellen Entscheidung musste sich der BFH mit der Frage befassen, ob der Abzug der Versorgungsleistungen als Sonderausgaben die vollständige Aufgabe der Geschäftsführungstätigkeit durch den Erwerber der Versorgungsleistung voraussetzt. Im Streitfall war die Geschäftsführungstätigkeit nicht aufgegeben worden, der Erwerber der Geschäftsanteile war lediglich zusätzlich - neben dem bisherigen Geschäftsführer - zum Geschäftsführer bestellt worden. Der BFH hat in diesem Fall den Sonderausgabenabzug abgelehnt, weil er der Auffassung ist, dass die Voraussetzungen dafür nur dann vorliegen, wenn die neue Geschäftsführung an die Stelle des bisherigen tritt. Ein Nebeneinander ist daher nicht möglich (vgl. BFH Urteil vom 20.3.2017, Az. X R 36/16).

Übrigens: Auch die Übertragung eines Mitunternehmensanteils an einer Personengesellschaft nach § 10 Abs. 1 a Satz 2 Buchstabe a EStG oder eines Betriebes oder Teilbetriebs nach § 10 Abs. 1 a Satz 2 Buchstabe b EStG berechtigen zum Sonderausgabenabzug, nicht jedoch die Übertragung von Anteilen an einer Aktiengesellschaft.

Praktische Bedeutung für Regelungen zur vorweggenommenen Erbfolge

In der Regel wird die Versorgungsleistung im Zusammenhang mit einer Vermögensübertragung unter Familienangehörigen vereinbart. Die zu zahlenden Versorgungsrenten spiegeln dann nicht den tatsächlichen Wert der GmbH-Anteile wieder, sondern orientieren sich eher nach dem Versorgungsbedürfnis des Übertragenden und der Leistungskraft der neuen Gesellschafter. Deshalb werden die Versorgungsleistungen nicht als Veräußerungs- oder Anschaffungskosten eingestuft.

Anders ist es, wenn die Beteiligten Leistung und Gegenleistung nach kaufmännischen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen haben. Dann handelt es sich um einen entgeltlichen Erwerb, der als Veräußerung/Anschaffung einzustufen ist. In diesen Fällen ist für den Sonderausgabenabzug kein Raum. Zu der manchmal nicht ganz einfachen Abgrenzung zwischen "Unentgeltlichkeit" und "Entgeltlichkeit" hat das BMF 2010 - vor Inkrafttreten der jetzigen Fassung des § 10 Abs. 1a EStG - ausführlich Stellung genommen (vgl. BMF vom 11.3.2010, IV C 3 – S 2221/09/10004).

Noch ein Wort zur "Unentgeltlichkeit": das Rechtsinstitut der Versorgungsleistungen gegen Vermögensübertragung ist wegen der Verpflichtung zur Zahlung von Versorgungsleistungen tatsächlich nicht unentgeltlich; allerdings stehen sich Leistung und Gegenleistung nicht gleichwertig gegenüber, so dass die Praxis hier irreführenderweise von "unentgeltlicher" Übertragung spricht.

Abgrenzung zwischen "unentgeltlichen" und entgeltlichen Erwerb

Arten des Erwerbs Abgrenzungskriterien Steuerliche Behandlung
"Unentgeltlicher" Erwerb; in der Regel zwischen Verwandten, oft zur Durchführung der vorweggenommenen Erbfolge Erwerb der GmbH-Anteile gegen Versorgungsleistung, die Höhe der Versorgungsleistung wird durch Versorgungsbedürfnis des Übertragenden und Leistungsfähigkeit des Erwerbers bestimmt Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 a EStG bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen möglich; Aufwendungen für Versorgungsleistungen stellen beim Erwerber keine Anschaffungskosten dar
Entgeltlicher Erwerb Wiederkehrende Leistung wird nach kaufmännischen Gesichtspunkten anhand des Verkehrswertes der GmbH-Anteile ermittelt Kein Sonderausgabenabzug; Kosten für widerkehrende Leistungen stellen Anschaffungskosten für der Erwerber dar

Die Tücken: Sonderausgabenabzug führt nicht immer zur Einsparung von Einkommensteuern

Der Sonderausgabenabzug führt dazu, dass derjenige, der sich verpflichtet, Versorgungsleistungen zu erbringen, sie steuermindernd geltend machen kann. Zugleich ist der Rentenberechtigte verpflichtet, die Rentenzahlungen in voller Höhe nach § 22 Satz 2 Nr. 1a EStG als sonstige Einkünfte der Einkommensteuer zu unterwerfen. Das kann steuerlich vorteilhaft, aber auch nachteilig sein. Steuerlich vorteilhaft ist es, wenn  

  1. die die GmbH-Anteile erwerbende Person aufgrund ihrer Einkommenssituation einem hohen Einkommensteuersatz unterliegt, da sich dann der Sonderausgabenabzug steuerlich besonders hoch auswirkt, und
  2. die die GmbH-Anteile veräußernde Person keinem oder nur einem niedrigen Einkommensteuersatz unterliegt, da sich dann die Versteuerung der Rentenzahlungen nicht oder nur in eher geringem Umfang auswirkt.

Zu beachten ist, dass bei diesen Vergleichsberechnungen nicht nur die Einkommen der Veräußerer/Erwerber der GmbH-Anteile, sondern auch etwaiger Ehegatten/eingetragener Lebenspartner zu berücksichtigen sind, da sich die Steuersätze bei Zusammenveranlagung zum Teil erheblich verändern.

Ganz wichtig: Auch zu berücksichtigen sind die Auswirkungen auf die Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung, da in bestimmten Fällen auch sonstige Einkünfte nach § 22 Satz 2 Nr. 1a EStG in Bemessungsgrundlage für die Krankenversicherungsbeiträge einbezogen werden.

Vorteilhaft ist der Sonderausgabenabzug in der Praxis daher häufig dann, wenn sich die veräußernde Person der GmbH-Anteile bereits im Ruhestand befindet und durch die dann sinkenden Einkünfte einem eher niedrigen Steuersatz unterliegt, während die erwerbende Person der GmbH-Anteile noch beruflich aktiv ist und daher einem eher hohen Einkommensteuersatz unterliegt. Unterliegen veräußernde und erwerbende Person dem Spitzensteuersatz, führt der Sonderausgabenabzug "unterm Strich" nicht zu einer Steuerersparnis.

Praxistipp: Ist die Versteuerung der Versorgungsrente höher als die steuerlichen Ersparnisse bei dem Sonderausgabenabzug, kann die steuerliche Erfassung dadurch vermieden werden, dass bei der Geschäftsführerbestellung/-abberufung "Fehler" eingebaut werden. Bleibt beispielsweise der bisherige Geschäftsführer auch nach Übertragung der GmbH-Anteile im Amt, ist nach der jetzigen Entscheidung des BFH der Abzug der Sonderausgaben schon tatbestandlich nicht möglich; das führt dazu, dass die Versorgungsleistungen auch nicht beim Erwerber als sonstige Einkünfte nach § 22 Satz 2 Nr. 1a EStG zu versteuern sind. Liegen aber die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug vor, reicht es zur Vermeidung der Versteuerung nach § 22 Abs. 1 a EStG nicht aus, einfach auf den Sonderausgabenabzug in der Einkommensteuer zu verzichten. Entscheidend ist allein, ob die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug dem Grunde nach gegeben sind, nicht, ob sie geltend gemacht werden.

 

* Über die Autorin:

Susanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht mit eigener Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln. Sie ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und bei STB Web sowie Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. E-Mail: s.christ@netcologne.de

 

 

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 27.09.2017, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.