06.11.2016 | Studie

Soziale Gängelwerke

Unternehmen haben soziale Netzwerke für sich entdeckt – und laden den Beschäftigten damit oft eine zusätzliche Belastung auf, zeigt eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie.

Ein bisschen wie Facebook sein – das wünschen sich manche Chefs für ihre Firma. Mitarbeiter sollen über eine gemeinsame Plattform einfacher in Kontakt kommen, Ideen austauschen, Wissen teilen oder Projekte bearbeiten. Einige deutsche Konzerne haben bereits firmeneigene Netze eingerichtet, beispielsweise die Siemens Blogosphere, das Telekom Social Network, Connect.BASF oder ConNext von Continental.

Passendes Werkzeug oder Belastung ohne Mehrwert?

Bei der Einführung solcher Netzwerke stehen betriebswirtschaftliche Überlegungen im Vordergrund. Vernachlässigt wird dagegen häufig die Frage, was sie für die Beschäftigten bedeuten. Wie wirken sich neue Formen der Kommunikation auf Arbeitsbedingungen und Anforderungen aus? Welche Herausforderungen ergeben sich daraus für die betriebliche Mitbestimmung? Eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie kommt zu differenzierten Ergebnissen. So erweist sich Social Media für manche Mitarbeiter als das passende Werkzeug, um sich mit Kollegen zu vernetzen. Viele empfinden diese Form der Kommunikation allerdings als Belastung, erkennen nicht unbedingt einen Mehrwert oder fühlen sich nicht gut genug vorbereitet.

Der Studie zufolge können soziale Netzwerke...

  • Mehrarbeit bedeuten und den sowieso schon hohen Termin- und Leistungsdruck weiter erhöhen; anstatt andere Kanäle wie E-Mail zu ersetzen, kommen Social Media meist noch hinzu;
  • ständige Unterbrechungen während der Arbeitszeit verursachen und die Anforderungen an Multitasking erhöhen;
  • zu einer Entgrenzung der Arbeitszeiten führen – zum Beispiel aufgrund permanenter Erreichbarkeit;
  • zu Selbstausbeutung und psychischen Belastungen führen, da die Grenzen zwischen Erwerbsarbeit und anderen Lebensbereichen verschwinden;
  • eine kleinteilige Zerlegung und Aufteilung von Tätigkeiten auf mehrere Personen ermöglichen; letztlich könnten Aufgaben dadurch leichter an eine anonyme Masse von Crowd Workern („Klickarbeitern“) im Internet ausgelagert werden;
  • von Arbeitgebern zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle genutzt werden; theoretisch können unbemerkt und überall Daten über das Nutzerverhalten aufgezeichnet werden;
  • die Belegschaft in Nutzer und Nichtnutzer von Social Media spalten. Während die Nutzer der Netzwerke enger zusammenrücken, könnten andere abgehängt werden – insbesondere für ältere Beschäftigte kann dieser sogenannte „Digital Divide“ ein Problem darstellen.

Die Untersuchung zeigt, dass es um weit mehr als nur ein Technikthema geht: Soziale Netzwerke seien ein Baustein der grundlegenden Veränderungen von Erwerbsarbeit, so die Autorin, im Zuge deren von jedem Einzelnen mehr Selbstdisziplin, Flexibilität und Transparenz erwartet werden. Betriebs- und Personalräte müssten zum Schutz der Mitarbeiter eingreifen.

(Böckler / STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 06.11.2016, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.