14.10.2016 | Erbschaftsteuerreform

Endlich: Neues Erbschaftsteuergesetz beschlossen

Von Susanne Christ, Rechtsanwältin/Fachanwältin für Steuerrecht, Köln *

Der Gesetzgeber hat es - wenn auch verspätet - doch noch geschafft und ist dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), das Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) zu reformieren, nachgekommen. Der Bundesrat hat den Neuregelungen am 14. Oktober 2015 zugestimmt. Es ist allerdings zu erwarten, dass auch gegen das neue Gesetz Klage eingereicht werden wird.

Das BVerfG hatte 2014 festgestellt, dass die in der bisherigen Fassung des ErbStG enthaltenen Vergünstigungen bei der Übertragung von Unternehmen gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen und den Gesetzgeber aufgefordert, dies bis zum 30. Juni 2016 zu ändern (vgl. BVerfG, Urt. v. 17.12.2014 – BvL 21/12).

Nachdem nach langem Hin und Her der Vermittlungsausschuss am 22. September 2016 eine Einigung erzielte, hat der Bundestag am 29. September 2016 die Änderungen beschlossen, denen nun auch der Bundesrat zustimmte. Damit hat das Gezerre um die Reform des ErbStG ein vorläufiges Ende; obschon sich bereits die Stimmen mehren, die den Unternehmen in der Neufassung gewährten Vergünstigungen immer noch als zu weitreichend einstufen. Es ist daher zu erwarten, dass auch gegen das neue ErbStG Klage beim BVerfG eingereicht werden wird.

Überblick über die Änderungen:

Betriebsvermögen bleiben weiterhin begünstigt. Dabei knüpft der Gesetzgeber an die bisherige Systematik an und stellt, unter nunmehr allerdings etwas erschwerten Voraussetzungen, 85 bzw. 100 Prozent des Betriebsvermögens weiterhin von der Erbschafts- und Schenkungsteuer frei. Voraussetzung für die Inanspruchnahme ist - wie bisher auch - dass das erworbene Unternehmen für eine bestimmte Zeit (fünf oder sieben Jahre) fortgeführt wird und die Lohnsumme in diesem Zeitraum dem des Erwerbsjahres entspricht.

Auch kommt es weiterhin auf den Umfang des sogenannten Verwaltungsvermögens an, allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: Bislang galt beim sog. Verwaltungsvermögen ein "Alles-oder-nichts-Prinzip", d.h. die Steuervergünstigung entfiel völlig, wenn das übernommene Betriebsvermögen zu mehr als 50 Prozent aus Verwaltungsvermögen bestand; lag sein Anteil darunter, wurde die Steuerbefreiung in vollem Umfang, also auch für das Verwaltungsvermögen gewährt. Nunmehr soll zwischen begünstigtem und nicht begünstigtem Vermögen unterschieden werden. Begünstigtes Vermögen ist solches, das überwiegend seinem Hauptzweck nach einer gewerblichen, freiberuflichen oder land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit dient. Von den Steuerbefreiungen erfasst werden soll zukünftig nur noch begünstigtes Vermögen. Das Alles-oder-Nichts-Prinzip ist - wie vom BVerfG gefordert - aufgegeben worden. Neu eingeführte wurde eine 10-Prozent-Grenze für das Verwaltungsvermögen; diese wird pauschal als unschädlich angesehen. Neu eingeführt wird die sog. Investitionsklausel, nach der für Verwaltungsvermögen Vergünstigungen gelten, wenn es in nicht zu Verwaltungsvermögen zählendes Vermögen investiert wird.

Ungemach droht bei Finanzmittel (etwa Bankguthaben, Lieferantenkredite): Diese werden dem begünstigten Vermögen nur zugerechnet, wenn sie nach Abzug der Schulden 20 Prozent des betrieblichen Vermögens nicht überschreiten. Darüber hinausgehende Finanzmittel werden anteilig den beiden Vermögensgruppen (begünstigtes/nicht begünstigtes Vermögen) zugerechnet.

Praktische Folgen für kleine und mittelgroße Unternehmen

Kleine und mittelgroße  Unternehmen sind vor allem von den Verschärfungen bei den Lohnsummen betroffen. Nunmehr müssen die Regelungen zu den Lohnsummen schon bei Unternehmen mit mehr als fünf Mitarbeitenden beachtet werden (bisher 20). Das BVerfG hatte gefordert, dass die Vergünstigungen nur dann gewährt werden sollen, wenn im Betrieb tatsächlich Arbeitsplätze erhalten bleiben. Aber: Nach der neuen Regelung können Unternehmen mit bis zu fünf Mitarbeitenden Arbeitsplätze abbauen und trotzdem die erheblichen Steuervergünstigungen in Anspruch nehmen.

Der Gesetzgeber hat die Grenze damit begründet, dass der die Unternehmen treffende bürokratische Aufwand zu hoch sei. Ob aber angesichts einer Steuerbefreiung von 85 bzw. 100 Prozent der geforderte bürokratische Aufwand bei der Erfassung der Lohnsummen tatsächlich zu hoch ist, ist anzuzweifeln. Im Gegensatz zu dem die Unternehmen treffenden tatsächlich sehr hohen bürokratischen Aufwand im Zusammenhang mit der Lohnbesteuerung und Erfassung der Sozialversicherung, dürfte die Erfassung der Lohnsummen der Mitarbeitenden ein eher zu vernachlässigender bürokratische Aufwand darstellen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass das BVerfG auch die Grenze von fünf Mitarbeitenden als zu hoch einstufen würde.

Übersicht über die geplante Lohnsummenregelung

Verschonung von 85 Prozent des Betriebsvermögen (Angaben in der Klammer: Inanspruchnahme der Verschonung von 100 Prozent nach §13a Abs. 10 ErbStG n.F.).

Anzahl der im Unternehmen Beschäftigten Zu erzielende Lohnsummen
0 bis 5 Beschäftigte – (–)
6 bis 10 Beschäftigte Innerhalb von fünf Jahren 250 Prozent (innerhalb von sieben Jahren 500 Prozent)

11 bis 15 Beschäftigte Innerhalb von fünf Jahren 300 Prozent (innerhalb von sieben Jahren 565 Prozent)

Mehr als 15 Beschäftigte Innerhalb von fünf Jahren 400 Prozent (innerhalb von sieben Jahren 700 Prozent)

Bei der Ermittlung der Lohnsummen (sowohl der aktuellen als auch der späteren) sind die Löhne und Gehälter folgender Personen nicht mit zu berechnen:

  • Beschäftigte, die sich im Mutterschutz befinden
  • Auszubildende
  • Beschäftigte mit Bezug von Krankengeld (Langzeiterkrankte)
  • Beschäftigte mit Bezug von Elterngeld
  • Saisonbeschäftigte, also solche, die nicht ausschließlich oder überwiegend in dem Betrieb tätig sind.

Bei der Ermittlung der Anzahl der im Betrieb Beschäftigten sind diese Personen ebenfalls, auch wenn sie dem Betrieb zuzurechnen sind, nicht zu berücksichtigen.

Wichtig! Geringfügig Beschäftigte sind sowohl bei der Ermittlung der Anzahl der im Betrieb Beschäftigten als auch bei der Ermittlung der Lohnsumme zu berücksichtigen. Zu den Vergütungen, die in die Lohnsummen einzubeziehen sind, zählen die Bruttogehälter der Beschäftigten, alle Geld- und Sachleistungen (also auch Sachbezug aufgrund der Gestellung eines Dienstwagens) und auch pauschal vom Arbeitgeber zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge und Steuern.

Teurer wird es bei Unternehmen ab einem Wert von 26 Millionen Euro

Bei Unternehmen mit einem Wert zwischen 26 Mio. Euro und 90 Mio. Euro wird der Verschonungssatz von 85 bzw. 100 Prozent allmählich abgeschmolzen; bei Vermögen ab ca. 90 Mio. Euro entfällt er in vollem Umfang. Zugleich besteht ein Anspruch auf Stundung der Steuer für sieben Jahre. Voraussetzung ist ein Antrag, Zinsen werden erst ab dem zweiten Jahr der Stundung erhoben.

Es besteht aber auch die Möglichkeit des Steuererlasses, wenn die Steuer nicht aus dem sog. verfügbaren Einkommen getilgt werden kann. Zum verfügbaren Einkommen zählen 50 Prozent des Privatvermögens des Erwerbers und 50 Prozent des übrigen, neben dem Betriebsvermögen erhaltenen Vermögens. Die Regelung führt dazu, dass Vergünstigungen (Stundung/Erlass der Steuer) auch dann noch möglich sind, wenn das begünstigte Vermögen auch über 90 Mio. Euro liegt.

Hintergrund dieser Regelung ist die ausdrückliche Anordnung des BVerfG, große Unternehmen nur dann von der Erbschaftsteuer zu verschonen, wenn dies zum Erhalt des Unternehmens erforderlich ist. Eine Definition, wann ein Unternehmen "groß" ist, hatte das BVerfG nicht mitgeliefert. Auch wenn zahlenmäßig von dieser Regelung nur verhältnismäßig wenige Unternehmen betroffen sind, war diese Regelung Gegenstand heftigster Auseinandersetzungen.

Nunmehr ist für große Unternehmen eine Regelung gefunden worden, die die

  • Abschmelzung der Steuerbefreiung kombiniert mit
  • der Möglichkeit, einen Antrag auf Erlass der Erbschaftsteuer zu stellen, soweit sie nicht aus sog. verfügbaren Einkommen, dass sich teilweise aus ererbten und bereits vorhandenen Privatvermögen zusammensetzt, gezahlt werden kann,
  • und der Möglichkeit, die zu zahlende Steuer auf sieben Jahre, teilweis zinsfrei, zu stunden.

* Über die Autorin:

Susanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht. Sie führt eine eigene Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln und ist die Sprecherin des Erbrechtsausschusses des Kölner Anwaltsvereins. Susanne Christ ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Sie schreibt auch regelmäßig Fachartikel und Kommentare bei STB Web. 

E-Mail: s.christ@netcologne.de

(STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 14.10.2016, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.