11.10.2016 | AÜG-Reform

Es kommt: das neue Gesetz zur Arbeitnehmerüberlassung

Von RAin Andrea Mehrer, Fachanwältin für Arbeitsrecht *

Es geht voran: In der Sitzung des Bundestag am 22. September 2016 wurde der Entwurfs des Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes nach 1. Lesung in die Ausschüsse überwiesen.

"Neben den Fristen zur Höchstdauer der Überlassung müssen Unternehmen den Equal-Pay-Grundsatz, der erstmalig am 01.Oktober 2017 praktische Relevanz zeigen wird, kalkulieren.", sagt RAin Andrea Mehrer.

Nach dem Beschluss des Koalitionsausschusses am 10. Mai 2016 hat sich das Bundeskabinett am 01. Juni 2016 auf den Gesetzentwurf für das „Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze“ geeinigt. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, soll das Gesetz die Arbeitnehmerüberlassung auf ihre Kernfunktion beschränken, Missbrauch verhindern und die Stellung von Leiharbeitnehmern stärken.

Laut Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hat die Neuregelung drei zentrale Ziele: Erstens soll gute Arbeit auch fair bezahlt werden, zweitens soll dem Missbrauch bei Leiharbeit und Werkverträgen ein Riegel vorgeschoben werden und drittens erhalten Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Möglichkeit, die Bedingungen für mehr Flexibilität und Sicherheit auszuhandeln.

Unternehmerinnen und Unternehmer sollten sich unverzüglich mit dem Thema beschäftigen, da das Gesetz am 01. Januar 2017 in Kraft treten soll (Download des Gesetzentwurfs).

Übersicht über die Neuregelungen

Der Gesetzentwurf sieht im Wesentlichen folgende Regelungen vor:

  • Die Möglichkeit zur Überlassung eines Arbeitnehmers wird auf 18 Monate beschränkt.
  • Abweichungen sind durch tariflicher Öffnungsklauseln möglich: dann können auch nicht tarifgebundene Entleiher bis zu 24 Monaten auf der Basis von Betriebs- oder Dienstvereinbarungen Arbeitnehmer entleihen.
  • Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers gegen Entstehung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher.
  • "Equal Pay", also die gleiche Bezahlung des geliehen Arbeitnehmers wie der eigenen Mitarbeiter nach von 9 Monaten.
  • Falls für das Arbeitsverhältnis ein (Branchen-) Zuschlagstarifvertrag mit stufenweiser Aufstockung des Arbeitsentgelts bis "Equal Pay" gilt, besteht der Anspruch spätestens nach einer Einsatzdauer von 15 Monaten.
  • Der Einsatz von überlassenen Arbeitnehmern als Streikbrecher wird untersagt.
  • Leiharbeitnehmer werden bei den für die Mitbestimmung geltenden Schwellenwerten auch beim Entleiherbetrieb berücksichtigt.
  • Für die Abgrenzung von Werk- und Dienstverträgen zu Arbeitsverträgen werden von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelte Abgrenzungskriterien in den Gesetzeswortlaut des neuen § 611a BGB übernommen.
  • Bei verdeckter Arbeitnehmerüberlassung werden der vermeintliche Werkunternehmer und sein Auftraggeber auch bei Vorlage einer Verleiherlaubnis nicht besser gestellt als derjenige, der unerlaubt Arbeitnehmerüberlassung betreibt.
  • Der Betriebsrat hat erweiterte Rechte, insbesondere nun gesetzlich konkretisierte Einsichtsrechte in Unterlagen, die die Arbeitnehmerüberlassung betreffen.

Zur Umsetzung sind Änderungen des AÜG, des BGB, BetrVG und weiterer Gesetze vorgesehen.

Welche praktische Bedeutung haben die Neuregelungen?

Erfreulich für die Praxis ist die Festlegung auf eine konkrete Zeitspanne. Das ist nicht neu, auch in der Vergangenheit gab es im AÜG schon Regelungen zu einer befristeten Einsatzdauer von Leiharbeitern. Zuletzt aber stellte das Gesetz auf den Begriff  "vorübergehend" ab, ohne eine genaue Zeit zu nennen. Hier gibt es also tatsächlich eine klare Aussage.

Auch zum Eintritt der Auswirkungen der Gleichstellungsverpflichtung, der sogenannten "Equal-Pay"-Regelung, gibt es Klarheit: Leiharbeiter müssen schon nach 9 Monaten genauso wie vergleichbare Mitarbeiter im Entleiherbetrieb vergütet werden. Achtung: Auch Sachbezüge sind zu berücksichtigen, sie können in Geld gewährt werden.

Die Rechtsfolge hat sich grundsätzlich nicht geändert, denn Verträge, die ohne Erlaubnis abgeschlossen sind, sind erst einmal unwirksam. Neu ist aber, dass der Leiharbeitnehmer innerhalb eines Monats nach Eintritt der Unwirksamkeit schriftlich erklären kann, er halte am Vertrag mit dem Entleiher fest.

Die Änderungen sind außerdem im Rahmen der Antragstellung auf eine Erlaubnis relevant. Denn die Erlaubnis wird für den jeweiligen betroffenen Arbeitnehmer einzuholen sein, und nicht mehr allgemein beantragt werden können. Dadurch soll der Missbrauch durch die sogenannten "Vorratserlaubnis" eingedämmt werden.

Was also müssen Unternehmen beachten, die Leiharbeiter beschäftigen?

Neben den Fristen zur Höchstdauer der Überlassung müssen Unternehmen den Equal-Pay-Grundsatz, der erstmalig am 01.10.2017 praktische Relevanz zeigen wird, kalkulieren.

Wichtig ist, dass die künftigen Erlaubnisse auf die Person des jeweiligen Leiharbeitnehmers bezogen sind, und nicht etwa auf den Arbeitsplatz. Ein Arbeitsplatz kann also durchaus dauerhaft  mit Leiharbeitnehmern besetzt werden, aber eben mit immer wieder anderen Personen. Diese Regelung wird heftig kritisiert und in der Tat ist hier der beabsichtigte Schutz des Leiharbeiters nicht recht ersichtlich.

Außerdem werden Einsatzzeiten nach dem derzeitigen Entwurf nur dann zusammengerechnet, wenn zwischen den Einsätzen nicht mehr als 6 Monate liegen. Es wird sich zeigen, wie sich Unternehmen - aber auch die Behörden - darauf einstellen.

Unternehmen werden insbesondere folgende Punkte zu beachten haben:

  • Das Einsatzkonzept von Leiharbeitern muss überdacht und will neu kalkuliert werden.
  • Die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung bzw. dem Einsatz von Leiharbeitern muss neu beantragt werden.
  • Die Verträge mit den Zeitarbeitsfirmen müssen neu verhandelt und neu gefasst werden.
  • Die Verträge mit den Leiharbeitern müssen überarbeitet werden.
  • Kündigungsfristen sind zu beachten, um Änderungen fristgerecht umsetzen zu können.
  • Organisatorische Maßnahmen werden getroffen werden müssen, um geänderte oder ergänzte Aufzeichnungspflichten zu erfüllen.

Was müssen Unternehmen beachten, die Werkverträge vergeben?

Werkverträge und Arbeitsverträge unterscheiden sich grundlegend dadurch, dass der Werkunternehmer ein Unternehmer, also kein Arbeitnehmer ist. Das bedeutet, dass der Werkunternehmer nicht den Weisungen des Entleihers unterliegt, nicht in dessen Betrieb eingegliedert ist, sondern sich vielmehr selbst organisiert und auch eine eigene wirtschaftliche Verantwortung trägt. Das klingt einfach, eine Unterscheidung ist jedoch in der Praxis nicht leicht – selbst dann nicht, wenn die Parteien gar keine Umgehung einer gesetzlichen Regelung wollten.

Die Rechtsprechung ist daher äußerst umfangreich. Die wesentlichen Kriterien, die das Bundesarbeitsgericht entwickelt hat, werden nun in den neuen § 611a BGB übernommen.

Der Blick in das Gesetz sagt es: Es kommt darauf an, wie ein Vertrag „gelebt“ wird, nicht wie er bezeichnet wird und es bleibt bei der Einzelfallbetrachtung.

Unternehmen wird es nicht mehr genügen können, sich eine allgemeine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung vorlegen zu lassen, um Risiken zu vermeiden. Dem schiebt das Gesetz einen Riegel vor, nachdem von vornherein Arbeitnehmer informiert und in den Verträgen auch ganz klar als Leiharbeiter bezeichnet werden müssen.

Fazit

Zeit ist es, dass Klarheit für Arbeitnehmer und Unternehmen geschaffen wird, Entwürfe werden schon seit Jahren diskutiert. Zumindest mit der Höchstüberlassungsdauer wird dies erreicht. Allerdings soll schon nach 9 Monaten ein Gleichstellungsanspruch des Leiharbeitnehmers entstehen. Hier werden sich also die meisten Unternehmen schon entscheiden müssen, sofern sie nicht von den tariflichen Öffnungsklauseln und damit längeren Fristen Gebrauch machen können.

Ansonsten zielen die Regelungen nach wie vor auf eine Einzelfallprüfung ab, so dass möglicherweise einige Unternehmer das Gefühl haben, hier ändere sich nicht viel. Das ist jedoch gefährlich, nicht nur im Hinblick auf drohende Ordnungswidrigkeiten und auf Strafbarkeit im Hinblick auf unterlassene Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen, sondern auch mit Blick auf die Beiträge selbst. Hier kommen schnell 5-stellige Beträge zusammen, da die Behörden für mindestens 4 Jahre rückwirkend Beiträge einfordern können. Und die Unternehmen haben keine Chance, diese Beträge von Arbeitnehmern einzutreiben.

Im Ergebnis ist es also ratsam, sich frühzeitig zu informieren und Überlegungen anzustellen, wie Risiken vermieden werden können.

 

* Über die Autorin

Logo AGC Andrea Mehrer ist Rechtsanwältin, Gesellschafterin eines mittelständischen Unternehmens und Fachanwältin für Arbeitsrecht. Sie berät, schult und vertritt Unternehmen und Unternehmer in allen individuellen und kollektiven arbeitsrechtlichen Fragen.

Aktuelle Veranstaltung:
HR Experten Frühstück: Neues zur Arbeitnehmerüberlassung

Kontakt: ra.mehrer@mehrer-law.de | www.mehrer-law.de

 

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 11.10.2016, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.