21.09.2016 | Interview

"Smart Services" für Steuerberater

Von Alexandra Buba *

Big Data ist in aller Munde, und auch die Datev will nicht zurückstehen. Wie sie vor einiger Zeit ankündigte, sollen Steuerberater künftig vom Datenschatz, den sie erheben und generieren, stärker profitieren. Nur wie genau, ist noch offen.

Foto: Dr. Lars Meyer-Pries, DATEV eG

Man wolle künftig Daten nicht mehr nur lediglich verarbeiten, sondern sie unter Berücksichtigung des Datenschutzes nutzbar machen, verspricht die Nürnberger Genossenschaft. Die jetzt zur Verfügung stehende Menge und Qualität an digitalen Informationen sowie die Möglichkeiten einer intelligenten Verarbeitung ermöglichten völlig neue Angebote und Dienste. Entsprechende Smart Services sollen künftig zusammen mit den Mitgliedern entwickelt werden.

Noch ist das Zukunftsmusik. Zwar gibt es inzwischen wohl intern einige Ideen zu den Ankündigungen, konkrete Produkte aber noch nicht. Um ein Stimmungsbild einzuholen, ob Steuerberater diese überhaupt schätzen werden, lohnt ein Blick in die Gegenwart, in schon heute mögliche Datenanalysen. Eine davon sind die „Branchenauswertungen“, die die Genossenschaft seit etlichen Jahren anbietet. Wie kommen diese bei der Beraterschaft und den Mandanten an? Und was nutzen sie überhaupt? Ein Interview mit Dr. Lars Meyer-Pries, Leiter Softwareentwicklung Wirtschaftsberatung und fachliche Basis Rechnungswesen - DATEV eG.

STB Web:
Wie viele Steuerberater beraten heute ihre Mandanten mithilfe von Branchenauswertungen?

Dr. Lars Meyer-Pries:
Die Branchenauswertungen werden von rund 16.000 Kanzleien genutzt. Dabei ist die Intensität der Nutzung durchaus unterschiedlich und reicht von regelmäßig bis unregelmäßig, etwa für spezielle Beratungsanlässe wie Bankgespräche.

STB Web:
Was leisten die Auswertungen?

Dr. Lars Meyer-Pries:
Die Auswertungen informieren den Mandanten über seine eigene wirtschaftliche Lage und stellen einen Bezug zur Branche her, wodurch die Bewertung der eigenen Zahlen eine gewisse Relativierung erfährt und einen wichtigen Maßstab erhält. Vor allem erkennt der Mandant, ob er bei einer bestimmten Kennzahl oder Position besser, gleich oder schlechter als die Branche abgeschnitten hat.

Hinweise dieser Art sind die Grundlage für weiterführende Fragen und Analysen sowie letztendlich eine tiefer gehende betriebswirtschaftliche Beratung. Datengrundlage der Branchenauswertungen sind derzeit die im Rechenzentrum der Datev gesicherten Bestände der laufenden Buchhaltung sowie Abschlüsse, die im Zuge der Übermittlung an die Finanzämter eingereicht wurden, sofern hierfür die Zustimmung zur anonymisierten statistischen Auswertung gegeben wurde.  

STB Web:
Erkennen die Mandanten bereits mehrheitlich den Nutzen dieses Instruments?

Dr. Lars Meyer-Pries:
Die Einsicht in den Nutzen solcher Auswertungen ist sicherlich ausbaufähig. Oft ist es auch nicht damit getan, diese Auswertungen nur als Ergänzung zu turnusmäßigen Standardauswertungen an den Mandanten zu geben. Vielmehr sollte der Berater selbst durch einen regelmäßigen Benchmark mit der Branche Auffälligkeiten, Risiken, unplausible Entwicklungen und letztlich Beratungspotenziale ableiten und diese dem Mandanten näher bringen. Das ist ein guter und überzeugender Einstieg in die betriebswirtschaftliche Beratung und hat schon in vielen Fällen dazu geführt, dass die Mandanten ihre regelmäßigen Zahlen mit ganz anderen Augen sehen und ihre relative Entwicklung zur Branche mit Spannung beobachten.

STB Web:
Gibt es ein idealtypisches Anwendungsszenario?

Dr. Lars Meyer-Pries:
Sicherlich sind besonders die Anwendungsszenarien interessant, in denen der Mandant selbst mit vergleichenden Branchenwerten konfrontiert wird, etwa im schon angesprochenen Kreditgespräch oder auch im Rahmen einer Betriebsprüfung. Letztlich sollte aber keine betriebswirtschaftliche Beratung auf Basis von Buchführungs- oder Abschlussdaten ohne Branchenbezug erfolgen. Den ohne Kenntnis der Branchendaten fehlt ein wichtiger, relativierender Maßstab, wie die betrieblichen Kennzahlen zu interpretieren sind. Datenanalysen benötigen stets eine Vergleichsdimension. Wenn ein Mandant seinen Umsatz um zwei Prozent ausgeweitet hat, während die Branche im Schnitt um fünf Prozent gewachsen ist, dann stellen sich andere Fragen, als wenn er in der Spitze der Branchenentwicklung zu finden ist.

STB Web:
Hat das Instrument auch Grenzen? Wo liegen diese?

Dr. Lars Meyer-Pries:
Die Branchenauswertungen setzen voraus, dass unsere Mitglieder zustimmen, die im Rechenzentrum gespeicherten Daten für tiefer gehende statistische Analysen und Auswertungen in anonymisierter Form heranziehen zu können. Es gibt Branchen, in denen es nur relativ wenige Betriebe gibt - gerade dann wirken sich geringe Zustimmungsquoten heftig aus. Es gibt für diese Branchen dann keine Auswertungen, weil die statistische Qualität der Daten nicht gesichert ist. Es gibt insofern auch leider nicht für alle Wirtschaftszweige Branchenauswertungen. Darüber hinaus gibt es bei klassischen Branchenauswertungen auch Grenzen, die nicht statistisch, sondern fachlich bedingt sind: So spielt z.B. auch das Alter eines Unternehmens eine Rolle; derzeit wird aber nicht zwischen "reifen" und "jungen" Unternehmen unterschieden. Hier gibt es für die Zukunft noch zahlreiche Potenziale.  

STB Web:
Woraus speist sich die Datenbasis?

Dr. Lars Meyer-Pries:
Aus der laufenden Finanzbuchführung, die über Kontenwerte auf BWA-Positionen und Kennzahlen verdichtet werden, sowie aus Abschlussdaten. Während die Abschlussdaten eine typische Analyse und Kennzahlenbildung auf Bilanz- und GuV-Ebene ermöglichen, können die unterjährigen Daten im Kern zwar nur Aussagen über die Erfolgslage liefern, dafür aber relativ aktuell.

STB Web:
Wie könnten diese Daten in Zukunft erweitert, vertieft oder intensiver genutzt werden?

Dr. Lars Meyer-Pries:
Je aktueller und qualitativ hochwertiger die laufenden Finanzbuchführungen in der Breite sind, desto höher ist auch die Aussagekraft von Branchenvergleichen, die auf dieser Basis angeboten werden können. Alle Schritte in Richtung einer tagesaktuellen Buchführung unterstützen letztlich unmittelbar auch die Aussagekraft der auf dieser Basis ermittelten statistischen Durchschnittswerte.

Die Ausweitung der heutigen Daten aus dem Rechnungswesen um weitere Daten kann und wird zukünftig ebenfalls zu vertieften und noch aussagefähigeren Auswertungen führen. Dabei ist aber immer ein "Henne-Ei-Problem" zu lösen: Je mehr Mandanten bereit sind, die Daten für die Durchschnittsbildungen zur Verfügung zu stellen, desto mehr Nutzen kann die Auswertung dieser Daten für alle Teilnehmer schaffen. Insofern ist das auch als Ansporn zur Teilnahme und Nutzung der schon heute vorhandenen Möglichkeiten gemeint, um quasi automatisch weitere Vorteile durch erweiterte Grundgesamtheiten im Sinne von verfügbarem Datenmaterial erzielen zu können.

STB Web:
Wie wird sich das Tool "Branchenauswertungen" vor dem Hintergrund Big Data weiter entwickeln?

Dr. Lars Meyer-Pries:
Die derzeitigen Verfahren und Werkzeuge zur Berechnung der Branchenwerte sind noch relativ aufwändig und unflexibel. Durch Speicherformen und Werkzeuge, wie sie im Zuge von Big Data zuletzt aufgekommen sind, versprechen wir uns hier spürbare Fortschritte. Das betrifft auch die schon angesprochene Einbeziehung weiterer Daten über das Rechnungswesen hinaus sowie die automatische Erkennung von interessanten Relationen und Auffälligkeiten, die heute erheblich schwieriger aufgedeckt werden können. Die Datenanalyse kann letztlich erheblich mehr Daten in Breite und Tiefe berücksichtigen als heute noch.

STB Web:
Gibt es auch eine "Branchenauswertung" für Steuerberater? Oder ist dies STAX?

Dr. Lars Meyer-Pries:
Ja, Branchenauswertungen gibt es auch für Steuerberater, wenn auch ohne ein spezifisches BWA-Schema. Dieses ist aber auf Basis der neuen EÜR-Taxonomie geplant, die aufgrund ihrer Standardisierung perspektivisch auch Benchmarks mit externen Daten erlaubt, um hier einen möglichen, zukünftigen Bogen zu STAX zu schlagen.

* Das Gespräch führte Alexandra Buba, M. A., freie Wirtschaftsjournalistin

Weitere Informationen unter: www.medientext.com

(STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 21.09.2016, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.