04.08.2016 | Bundessozialgericht

Zur Genehmigung der Verlegung eines Praxissitzes

Ärzte oder Psychotherapeuten dürfen ihren Praxissitz nur verlegen, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen. Die Verlegung des Praxissitzes von einem nicht gut versorgten Stadtteil oder Bezirk in einen Bezirk mit einer bereits sehr hohen Überversorgung darf deshalb im Regelfall nicht genehmigt werden.

Eine Psychotherapeutin hatte eine Praxis in Berlin-Neukölln im Wege der Nachfolgezulassung übernommen und beantragte ein halbes Jahr später die Verlegung an ihre Wohnadresse im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg. Der Zulassungsausschuss lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass die schon jetzt ungleichmäßige Versorgung durch die Sitzverlegung verschärft werde. Der Widerspruch der Psychotherapeutin hatte jedoch Erfolg; der Berufungsausschuss gab dem Antrag auf Sitzverlegung statt und bezog sich dabei auf das Ergebnis einer Internetrecherche zur Versorgung mit Psychotherapeuten an den beiden Praxisstandorten. Außerdem lägen die Praxisstandorte nur etwa 5 Kilometer voneinander entfernt, sodass Patienten aus Neukölln die Praxis in Tempelhof-Schöneberg mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichen könnten.

Nachdem das Sozialgericht die Klage der Kassenärztlichen Vereinigung abgewiesen hatte, hat das Bundessozialgericht (BSG) das Urteil des Sozialgerichts am 3. August 2016 (Az. B 6 KA 31/15 R) geändert und den beklagten Berufungsausschuss zur Neubescheidung verurteilt.

Gründe der vertragsärztlichen Versorgung maßgebend

Ein Arzt oder ein Psychotherapeut habe einen Anspruch darauf, dass seine Sitzverlegung innerhalb des Planungsbereichs genehmigt wird, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen. Die Beurteilung, ob solche Gründe vorliegen, unterliege einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle; den Zulassungsgremien komme ein Beurteilungsspielraum zu. Diesen Beurteilungsspielraum habe der Berufungsausschuss hier überschritten. Er habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers verhindert werden soll, dass sich die Versorgung in Teilen von eigentlich gut versorgten großen Planungsbereichen (hier: Berlin) durch Praxissitzverlegungen verschlechtert. Angesichts der extrem unterschiedlichen Versorgung zwischen Berlin-Neukölln (Versorgungsgrad 87,7%) und Tempelhof-Schöneberg (Versorgungsgrad 344%) würden einer Verlegung des Praxissitzes vom schlechter zum besser versorgten Bezirk auch bei einer Gruppe wie den Psychotherapeuten in aller Regel Versorgungsgesichtspunkte entgegenstehen.

Allerdings könne nicht ganz ausgeschlossen werden, dass sich die Versorgungslage mit Blick auf die konkreten Praxisstandorte anders darstellt, als das nach den allgemeinen Versorgungsgraden in den Bezirken anzunehmen ist. Hierzu werde der Berufungsausschuss nähere Feststellungen zu treffen haben.

(BSG / STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 04.08.2016, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.