20.07.2016 | Bundesverfassungsgericht

Nichtanerkennung von Altersvorsorgeaufwendungen als vorweggenommene Werbungskosten verfassungsgemäß

Mit am 20. Juli 2016 veröffentlichten Beschlüssen hat das Bundesverfassungsgericht zwei Verfassungsbeschwerden gegen die steuerliche Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen im Geltungsbereich des Alterseinkünftegesetzes vom 5. Juli 2004 nicht zur Entscheidung angenommen.

Die gesetzgeberische Qualifizierung von Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben und die vorgesehene höhenmäßige Beschränkung des Sonderausgabenabzugs sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, so das Bundesverfassungsgericht. Die Frage des Verstoßes gegen das Verbot der Doppelbesteuerung könne erst in den Veranlagungszeiträumen der Rentenbesteuerung zum Gegenstand der verfassungsrechtlichen Beurteilung gemacht werden.

Die Beschwerdeführerin in einem der beiden Verfahren (2 BvR 290/10) machte in ihrer Einkommensteuererklärung erfolglos den Arbeitnehmeranteil zur gesetzlichen Rentenversicherung als vorweggenommene Werbungskosten steuermindernd geltend. Einspruch und Klage der Beschwerdeführerin blieben ohne Erfolg.

Der Beschwerdeführer im anderen Verfahren (2 BvR 323/10) ist als Steuerberater und vereidigter Buchprüfer nichtselbständig tätig. Er beantragte im Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren beim zuständigen Finanzamt erfolglos, die von ihm zu leistenden Beiträge an das Wirtschaftsprüfer-Versorgungswerk als vorweggenommene Werbungskosten auf der Lohnsteuerkarte einzutragen. Einspruch und Klage des Beschwerdeführers blieben ebenfalls ohne Erfolg.

Vermögensbildende oder versicherungsspezifische Komponenten

Mit ihren Verfassungsbeschwerden rügen die Beschwerdeführer im Wesentlichen eine Verletzung ihrer Rechte aus dem grundgesetzlichen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Dem folgten die Karlsruher Richterinnen und Richter nicht. Der Gesetzgeber habe Altersvorsorgeaufwendungen einfachrechtlich als Sonderausgaben qualifiziert, woran er von Verfassungs wegen nicht gehindert ist. Der Bundesfinanzhof weise zu Recht darauf hin, dass die an die gesetzliche Rentenversicherung und berufsständische Versorgungseinrichtungen zu leistenden Beiträge ihrer materiellen Rechtsnatur nach nicht in vollem Umfang Werbungskosten des Beitragszahlers darstellen. Altersvorsorgeaufwendungen in Form von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung und berufsständischen Versorgungseinrichtungen würden neben ihrer Bestimmung zur Erzielung zukünftiger Einkünfte anders als üblicherweise vorweggenommene Werbungskosten zugleich vermögensbildende oder versicherungsspezifische Komponenten aufweisen.

Gesetzgeber hat weiten Spielraum

Soweit sich der Gesetzgeber mit der Umstellung auf die nachgelagerte Besteuerung der Alterseinkünfte von dem Prinzip der Ertragsanteilsbesteuerung gelöst habe, möge es vorzugswürdig erscheinen, die Aufwendungen nunmehr der Sphäre der Einkünfte und den Werbungskosten zuzuordnen. Dem Gesetzgeber stehe jedoch ein weiter Spielraum zu, der mit der einheitlichen Zuweisung von Altersvorsorgeaufwendungen zu den Sonderausgaben nicht überschritten sei.

Verbot doppelter Besteuerungbegründet keinen Anspruch auf bestimmte Abzugsfähigkeit 

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seien lediglich die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird. Damit sei keine Aussage darüber verbunden, ob die Besteuerung von Altersbezügen vor- oder nachgelagert zu erfolgen hat. Das Verbot doppelter Besteuerung könne sowohl durch entsprechende Regelungen in der Aufbau- als auch in der Versorgungsphase gewahrt werden. Aus dem Verbot doppelter Besteuerung lässt sich kein Anspruch auf eine bestimmte Abzugsfähigkeit der Beiträge in der Aufbauphase ableiten.

Höhenmäßige Beschränkung des Sonderausgabenabzugs auch verfassungsgemäß

Die vorgesehene höhenmäßige Beschränkung des Sonderausgabenabzugs für Altersvorsorgeaufwendungen auf jährlich bis zu 20.000 Euro beziehungsweise 40.000 Euro (§ 10 Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG) ist nach den aktuellen Beschlüssen verfassungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.

(BVerfG / STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 20.07.2016, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.