04.08.2015 | Sozialgericht Berlin

Kassenpatienten können nur im akuten Notfall auf private Psychotherapie ausweichen

Auch im Notfall darf ein gesetzlich Krankenversicherter eine nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Psychotherapeutin nur dann in Anspruch nehmen, wenn er auf eine Akutbehandlung angewiesen und ein zugelassener Therapeut nicht erreichbar ist. Dies entschied das Sozialgericht Berlin.

Kassenpatienten müssen oft mehrere Monate auf eine Psychotherapie warten - zu lange, wenn bei einer schwerwiegenden Erkrankung dringender Behandlungsbedarf besteht. Wer in der Not ohne Absprache mit seiner Krankenkasse auf eine private Therapie ausweicht, läuft indes Gefahr, auf seinen Kosten sitzen zu bleiben. Die Verkürzung von Wartezeiten für eine psychotherapeutische Versorgung ist eines der Ziele des am 23. Juli 2015 in Kraft getretenen Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Im vorliegenden Fall benötigt der Antragsteller aufgrund einer schwerwiegenden Depression psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung. Ohne dies mit seiner gesetzlichen Krankenkasse abzusprechen, begann er im Dezember 2014 eine Verhaltenstherapie bei einer Psychotherapeutin, die von der Krankenkasse zur vertragsärztlichen Versorgung nicht zugelassen war.

Eilantrag abgelehnt

Nachdem seine Krankenkasse eine Kostenübernahme abgelehnt hatte, lehnte das Sozialgericht Berlin seinen Eilantrag zur Verpflichtung der Kasse zur Kostentragung ab. Gesetzlich bestehe grundsätzlich nur ein Anspruch auf psychotherapeutische Behandlung durch zugelassene Leistungserbringer. Andere Ärzte dürften nur in Notfällen in Anspruch genommen werden. Die Inanspruchnahme eines nicht zugelassenen Psychotherapeuten komme damit nur dann in Betracht, wenn der Versicherte auf eine Akutbehandlung angewiesen und ein zugelassener Leistungserbringer unter zumutbaren Bedingungen nicht erreichbar sei.

Keine Akutbehandlung erkennbar

Zwar bedürfe der Antragsteller dringend einer Behandlung. Es sei jedoch nicht erkennbar, dass die von ihm in Anspruch genommene Therapie eine Akutbehandlung darstelle: Seine Depression bestehe seit 2011, die Behandlung habe jedoch erst im Dezember 2014 begonnen. Der zweite Termin sei erst drei Monate später im März 2015 gewesen. Seitdem finde lediglich eine Sitzung pro Monat statt.

Versorgungslücke lag nicht vor

Auch eine Versorgungslücke, die unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens ausnahmsweise zur Behandlung durch nicht zugelassene Therapeuten berechtige, liege nicht vor. Aufgrund der Notwendigkeit einer zügigen Behandlung habe die Krankenkasse eine gesteigerte Beratungspflicht gehabt. Dementsprechend habe sie dem Antragsteller mehrere Praxen und Terminvermittlungsstellen genannt.

Die Entscheidung (Beschluss vom 24. Juli 2015, Az. S 72 KR 1702/15 ER PKH) ist noch nicht rechtskräftig. Der Antragsteller kann sie mit der Beschwerde zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in Potsdam anfechten.

(SG Berlin / STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 04.08.2015, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.