25.02.2015 | Gestaltungsberatung

Einnahmen-Überschuss-Rechnung: BFH nimmt Stellung zur richtigen zeitlichen Zuordnung von USt-Vorauszahlungen

Von Susanne Christ, Rechtsanwältin/Fachanwältin für Steuerrecht, Köln *

In einem vom BFH entschiedenen Fall stritten die Beteiligten darüber, ob eine am 11. Januar 2010 gezahlte Umsatzsteuervorauszahlung für das 4. Quartal 2009 in Höhe von über 3.000 EUR als Betriebsausgabe in der Einnahmen-Überschussrechnung 2009 zu berücksichtigen war. Je nach Höhe des persönlichen Steuersatzes im einen und im anderen Jahr kann dies einen beachtenswerten Unterschied in der Steuerlast ausmachen.

Bei Mandanten mit sehr schwankenden Einnahmen sollte die voraussichtliche Entwicklung genau beobachtet werden, zumindest wenn größere Zahlungen bzw. Einnahmen zum Jahresende anstehen. (Foto: © apops - Fotolia.com)


Bei Einnahmen-Überschuss-Rechnern werden Forderungen und Verbindlichkeiten - im Unterschied zur Gewinnermittlung durch Bilanzierung - nicht zum Zeitpunkt der Entstehung besteuert, sondern erst zum Zeitpunkt der Zahlung. Es gilt das sog. Zufluss-/Abflussprinzip nach § 11 EStG und betrifft insbesondere Selbständige, greift aber auch bei den sog. Überschusseinkünften wie den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit oder Vermietungseinkünften. Während also bei der Bilanzierung im Allgemeinen auf den Zeitpunkt der Entstehung der Forderung bzw. Verbindlichkeit abgestellt wird und dadurch eine Zuordnung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgt, gilt für Einnahmen-Überschuss-Rechner ebenso wie für die Überschusseinkunftsarten das formale Kriterium des Zahlungsvorgangs.

Die Regelung zur zeitlichen Erfassung von Betriebsvorgängen ist notwendig, weil es sich bei der Einkommensteuer um eine Abschnittssteuer handelt, bei der in der Regel Vorgänge innerhalb eines Wirtschaftsjahres bzw. Kalenderjahres zusammengefasst besteuert werden.

Das Zufluss-Abfluss-Prinzip hat Vor- und Nachteile. Vorteilhaft ist, dass Einnahmen nicht schon mit Entstehung der Forderung der Einkommensteuer zu unterwerfen sind, sondern erst mit dem Zeitpunkt der Zahlung. Bei den Betriebsausgaben ist es genau umgekehrt. Nicht schon bei Entstehung der Verbindlichkeit ist die Ausgabe zu berücksichtigen, sondern erst im Zeitpunkt der Zahlung. In beiden Fällen gibt es Ausnahmen. Problematisch ist das Zufluss-Abfluss-Prinzip jedoch vor dem Hintergrund des progressiven Steuersatzes, der bei der Einkommensteuer gilt. Dadurch kann es - zum Vor- oder zum Nachteil des Unternehmens - zu einer Verlagerung in ein Kalenderjahr kommen, indem ggf. ein erheblich höherer oder niedriger Einkommensteuersatz als im Vorjahr gilt.

Beispiel:
Die Architektin A ermittelt ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG und unterliegt im Kalenderjahr 2013 bei der Einkommensteuer einem Steuersatz von 40 % (ohne Soli-Zuschlag und Kirchensteuer), während im Kalenderjahr 2014 für sie ein Steuersatz von 25 % gilt. Am 15. Dezember 2013 erhält sie eine Nebenkostenabrechnung für ihr Büro, in der der Vermieter eine Nachzahlung für 2011 in Höhe von 4.000 EUR berechnet. Überweist A noch 2013 die Nachzahlung, führt das zu einer Steuerersparnis von 1.600 EUR; überweist sie den Betrag erst 2014, erzielt sie lediglich einen Steuerersparnis von 1.000 EUR, also 600 EUR weniger als wenn sie 2013 gezahlt hätte.

Wichtig für Mandanten mit sehr schwankendem Jahreseinkommen

Diese Nachteile sind aus Vereinfachungsgründen hinzunehmen; nur in ganz krass gelagerten Ausnahmefällen besteht die Möglichkeit, eine abweichende Steuerfestsetzung im Billigkeitswege nach § 163 AO durchsetzen zu können. Das bedeutet, dass in der Beratungspraxis bei Mandanten, die über sehr schwankende Einnahmen verfügen, die voraussichtliche Entwicklung genau beobachtet werden sollte, zumindest wenn größere Zahlungen bzw. Einnahmen zum Jahresende anstehen. In den letzten Jahren haben in diesem Zusammenhang die Zahlungen von Umsatzsteuervorauszahlungen erheblich an Bedeutung gewonnen, weil diese als wiederkehrende Leistungen eingestuft werden.

Ausnahmen vom Zufluss-Abfluss-Prinzip bei wiederkehrenden Leistungen

Ausnahmsweise werden wiederkehrende Leistungen, wenn sie kurz vor Ende eines Kalenderjahres oder kurz nach Ende eines Kalenderjahres geleistet werden, dem Kalenderjahr zugeordnet, zu dem sie wirtschaftlich gehören. Als kurze Frist wird in der Regel eine Frist von zehn Tagen angesehen. Diese Regelung gilt sowohl bei Einnahmen als auch Ausgaben. Diese Frist war Gegenstand einer Entscheidung des BFH vom vom 11.11.2014 (Az. VIII R 34/12), der darin bestätigte, dass es sich hierbei um einen Zeitraum handelt, der nicht weiter ausgedehnt werden könne. Der am Verfahren beteiligte Steuerpflichtige, ein selbständig tätiger Rechtsanwalt mit Einnahmen-Überschuss-Rechnung, trug vor, dass die zehn-Tages-Frist zu verlängern sei, wenn sich die Abgabefrist für die Umsatzsteuervoranmeldung nach § 108 Abs. 3 AO verschiebe. Die Abgabefrist der Umsatzsteuervoranmeldung verschiebt sich danach, wenn das Ende der Abgabefrist auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt, auf den nachfolgenden Werktag.

Im Streitfall hatte der Rechtsanwalt am 11.1.2010 eine Umsatzsteuer-Voranmeldung für das 4. Quartal 2009 fristgerecht abgegeben und am selben Tag auch dem Finanzamt 3.357,69 EUR überwiesen. Diese Zahlung machte er im Rahmen der Einnahmen-Überschuss-Rechnung 2009 als Betriebsausgabe geltend. Da der 10.01.2010 in diesem Kalenderjahr ein Sonntag war, hatte sich die Abgabefrist auf den 11.01.2010 verschoben. Die Regelung des § 108 Abs. 3 AO müsse bei der zeitlichen Zuordnung von Zahlungen bei der Einkommensteuer berücksichtigt werden, so seine Argumentation.

Diese Auffassung teilt der BFH nicht; denn - so der BFH - bei der Regelung des § 11 EStG würde keine Fälligkeit geregelt; die Regelungen des § 108 Abs. 3 AO - die Einzelheiten zur Fälligkeiten regelt - kämen daher bei der Frage, was unter einer kurzen Frist im Sinne des § 11 EStG zu verstehen sei, nicht zur Anwendung. Damit bestätigte der BFH die Auffassung des Finanzamtes, dass die Umsatzsteuerzahlung für das 4. Quartal 2009 am 11.01.2010 einkommensteuerlich als Betriebsausgabe des Kalenderjahres 2010 einstufte.

Konsequenzen für die Praxis

Zunächst ist die Entscheidung des BFH zu begrüßen, da dadurch Klarheit darüber besteht, welchem Kalenderjahr eine Zahlung zuzuordnen ist. Je mehr Ausnahmen vom formalen Zufluss-Abfluss-Prinzip gemacht werden, desto schwieriger ist es, Zahlungen einkommensteuerlich richtig zuzuordnen.

Mandanten, bei denen erkennbar ist, dass in einem Kalenderjahr im Verhältnis zum Vorjahr der Einkommensteuersatz erheblich sinken oder steigen wird, sollten auf die Gestaltungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit den Umsatzsteuerzahlungen hingewiesen werden. Denn, wie das obige Beispiel zeigt, kann es hier - je nach Zahlungszeitpunkt - zu erheblichen Unterschieden bei der Einkommensteuer kommen.

Besteht die Aussicht, dass der Einkommensteuersatz im kommenden Jahr erheblich sinken wird - etwa weil eine Zusammenveranlagung in Betracht kommt - sollte die USt-Voranameldungen für die Zeiträume des gerade ablaufenden Kalenderjahres bis zum 10.01. des Folgejahres eingereicht - und vor allem bezahlt werden. Ist die USt-VA quartalsweise einzureichen, ist in der Regel eine Dauerfristverlängerung bewilligt, so dass die Abgabefrist erst am 10.02. des Folgejahres abläuft. Aber niemandem ist es verboten, die USt-Voranmeldung früher einzureichen. Ist das Unternehmen zur Abgabe von monatlichen USt-Voranmeldungen verpflichtet und ist die Dauerfristverlängerung gewährt, läuft die Abgabefrist für November des Vorjahres am 10.01. und für Dezember des Vorjahres am 10.02. des Folgejahres ab. Auch hier ist es möglich, die Voranmeldung für beide Monate bis zum 10.1 des Folgejahres einzureichen.

Keinen Gestaltungsmissbrauch riskieren

Entscheidend ist die Zahlung bis zum 10.01., nicht die Abgabe der USt-Voranmeldung. Allerdings werden Gestaltungen hierzu nicht anerkannt, wenn es sich um einen Gestaltungsmissbrauch handelt (vgl. § 42 AO). Deshalb sollte stets auch mit der Zahlung die entsprechende Umsatzsteuervoranmeldung eingereicht werden. Zudem kann das Finanzamt eine Zahlung nur mit einer entsprechende Steuerfestsetzung, dazu zählt auch eine USt-VA, richtig zuordnen. Kann es die Zahlung nicht zuordnen, wird in der Praxis der Betrag oft ohne nähere Ankündigung zurücküberwiesen.

Praxishinweis:
Wird eine Überweisung am 10.01. eines Jahres vorgenommen, erfolgt die Gutschrift beim Finanzamt oftmals einen oder mehrere Tage später. Das Finanzamt ordnet in seiner „Buchführung“ die Umsatzsteuerzahlung dann dem Folgejahr zu und ändert automatisch die für den Mandanten eingereichte Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Entscheidend für die Zuordnung zum Kalenderjahr ist der Abfluss der Zahlung beim Steuerpflichtigen, nicht der Zufluss beim Finanzamt. Hierauf ist zu achten und ggf. ist es sinnvoll, das Finanzamt schon bei Abgabe der Einkommensteuererklärung darauf hinzuweisen, damit es gar nicht erst zu einer fehlerhaften Einkommensteuerfestsetzung kommt.

Besonderheiten gelten bei Einzugsermächtigungen. Hier gilt die Zahlung grundsätzlich als im Fälligkeitszeitpunkt erfolgt, auch wenn die Abbuchung erst später erfolgt (vgl. dazu den Hinweis 11 „Umsatzsteuervorauszahlungen/ -Erstattungen“ EStH).

Übersicht

Ziel Zahlungszeitpunkt Besonderheiten
Umsatzsteuerzahllast soll als Betriebsausgabe des Vorjahres erfasst werden Zwingend: Zahlung bis zum 10.1 des Folgejahres
  • Bei quartalsweiser USt-VA: idealerweise auch Abgabe der USt-VA 4. VJ des Vorjahres bis zum 10.1 des Folgejahres, auch wenn Dauerfristverlängerung bewilligt ist und die Frist daher erst am 10.2 des Folgejahres abläuft
  • Bei monatlicher Abgabe mit Dauerfristverlängerung: auch die Dezember-Anmeldung des Vorjahres, die bis zum 10.2. des Folgejahres einzureichen ist, bis zum 10.1 des Folgejahres einreichen
  • Fristverschiebungen nach § 108 Abs. 3 AO (Ende der Frist auf Samstag/Sonntag/Feiertag) führen nicht zu einer Verlängerung der 10-Tages-Frist, also ggf. bis zum 10.1 zahlen
Umsatzsteuerzahllast soll als Betriebsausgabe des aktuellen Kalenderjahres erfasst werden Zahlung frühestens ab dem 11.1 des aktuellen Kalenderjahres Auch wenn die USt-VA am 10.1 einzureichen ist, sollte mit der Zahlung bis zum 11.1 gewartet werden, allerdings wegen der drohenden Säumniszuschläge bei verspäteter Zahlung auch nicht länger - Achtung! Bei Einzugsermächtigung gilt als Zahlungstag der Fälligkeitstag.

Achtung! Entscheidend ist der tatsächliche Zahlungszeitpunkt. Stellt sich später heraus, dass die Zuordnung zum Vorjahr steuerlich doch nicht so günstig ist, lässt sich das nicht mehr korrigieren.

Was ist bei Steuerguthaben zu tun?

Steuerguthaben überweist das Finanzamt erst nach Zustimmung zur entsprechenden USt-Voranmeldung. Hier lässt sich der Zeitpunkt der Gutschrift nicht so steuern wie bei eigenen Zahlungsverpflichtungen. Wer mit einer sehr hohen Gutschrift rechnet, und diese noch im Vorjahr verbuchen möchte, kann nur versuchen, durch möglichst frühzeitige Abgabe der USt-Voranmeldung eine Gutschrift noch bis zum 10.01. zu erreichen.

 

* Über die Autorin:

Susanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht. Sie führt eine eigene Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln und ist die Sprecherin des Erbrechtsausschusses des Kölner Anwaltsvereins. Susanne Christ ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Sie schreibt auch regelmäßig Fachartikel und Kommentare bei STB Web. 

E-Mail: s.christ@netcologne.de



(STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 25.02.2015, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.