30.06.2014 | Urteil

Stundenlohn von 3,88 Euro ist sittenwidrig

Das Sozialgericht Frankfurt a.M. hat klargestellt, dass ein Stundenlohn von 3,88 Euro sittenwidrig ist, ließ aber offen, ob der Leistungsausschluss für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, mit dem Europarecht vereinbar ist.

Die Mitglieder einer rumänischen Familie leben seit März 2014 in einer Wohnung in Frankfurt. Seit dem Bezug der Wohnung steht der Familienvater in einem Haushalts-Minijob-Verhältnis bei dem Wohnungseigentümer. Der Verdienst aus dem Minijob lag bei 100 Euro monatlich, wobei hierfür mindestens sechs Stunden wöchentlich zu arbeiten waren. Dies entspricht – bei durchschnittlich 4,3 Wochen pro Monat – einem Stundenlohn von allenfalls 3,88 Euro.

Hartz-IV-Antrag abgelehnt

Die Behörde hat einen von der Familie gestellten Antrag auf Gewährung von Hartz IV-Leistungen im März 2014 abgelehnt. Die Antragsteller seien nach dem Gesetz von Leistungen ausgeschlossen, weil sie sich als Ausländer allein zur Arbeitsuche hier aufhielten. Dies gelte trotz der Arbeitstätigkeit des Familienvaters. Denn diese Tätigkeit sei aufgrund des sehr geringen Verdienstes unerheblich. Die Erheblichkeitsgrenze liege bei einem Entgelt von 200 Euro monatlich.

Gericht widerspricht

Das Sozialgericht Frankfurt am Main sah die Sache im Beschluss vom 13.06.2014 (Az. S 32 AS 620/14 ER) anders. Der Familie stünden Hartz IV-Leistungen zu. Der Leistungsausschluss für arbeitsuchende Ausländer komme nicht zur Anwendung. Allerdings konnten die Richter die höchst umstrittene und beim EuGH anhängige Frage offenlassen, ob der gesetzliche Leistungsausschluss für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, mit dem Europarecht vereinbar ist. Denn das Gericht hat angenommen, dass bereits die gesetzlichen Voraussetzungen dieses Leistungsausschlusses nicht vorliegen. Der Familienvater sei aufgrund seines Minijobs als Arbeitnehmer und damit nicht als arbeitsuchend anzusehen. Dies gelte auch unter Zugrundelegung der Auffassung der Behörde, dass eine Arbeitnehmereigenschaft erst ab einem Verdienst von monatlich 200 Euro vorliege. Das hier vereinbarte Entgelt von 100 Euro monatlich für mindestens sechs Stunden Tätigkeit pro Woche sei sittenwidrig niedrig. Es liege deutlich unterhalb des diskutierten Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde.

Anspruch auf Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro

Im Übrigen liege es nahe, dass die Zwangslage und Unerfahrenheit des Arbeitnehmers ausgenutzt worden sei. Die hierdurch begründete Sittenwidrigkeit führe dazu, dass der übliche Lohn beansprucht werden könne. Wenn ein Stundenlohn von 8,50 Euro angesetzt würde, ergebe sich ein monatlicher Lohnanspruch von über 200 Euro. Daher sei der Familienvater als Arbeitnehmer und nicht als nur arbeitsuchend anzusehen. Deshalb seien er und seine Familie von dem Ausschlusstatbestand für Ausländer, die sich allein zum Zweck der Arbeitsuche in Deutschland aufhalten, nicht umfasst.

(SG Frankfurt a.M. / STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 30.06.2014, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.