26.02.2014 | Interview
Von Viola C. Didier / Interview mit StB Karl-Heinz Herrmann *
Wer in einen Riestervertrag eingezahlt hat, der sollte auch Anspruch auf die Riesterzulage und einen zusätzlichen Sonderausgabenabzug haben. Doch die Finanzverwaltung klammert „passiv Versicherte“, also Personen, die als Pflichtversicherte aus der gesetzlichen Versicherung ausgeschieden sind, aus. Zu Unrecht, findet Steuerberater Karl-Heinz Herrmann und zog bis vor den Bundesfinanzhof.
STB Web:
Herr Herrmann, worum geht es genau in dem Urteil des Finanzgerichts München?
StB Karl-Heinz Herrmann
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Karl-Heinz Herrmann:
In dem Verfahren sollte geklärt werden, ob ein früher Pflichtversicherter in der gesetzlichen Rentenversicherung und aktuell Angehöriger eines berufsständischen Versorgungswerks einen Anspruch auf unmittelbare Riesterförderung hat. Dies bedeutet, er hätte als Ehegatte eines pflichtversicherten Steuerpflichtigen nicht nur einen abgeleiteten – mittelbaren – Anspruch auf Riester-Zulagenförderung, sondern zudem einen Anspruch auf zusätzlichen Sonderausgabenabzug.
STB Web:
Für wen hat die Entscheidung letztendlich Auswirkungen – und welcher Art?
Karl-Heinz Herrmann:
Der Ausgang des Verfahrens vor dem BFH hat – im Falle eines Obsiegens – Auswirkungen auf alle Bundesbürger, egal ob verheiratet oder alleinstehend, welche in früheren Jahren im Rahmen einer Pflichtmitgliedschaft bei der deutschen Rentenversicherung Entgeltpunkte erworben haben und gegenwärtig nicht Pflichtmitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung sind. Diese Gruppe hätte dann nämlich – wenn zudem ein Riestervertrag angespart wird – einen unmittelbaren Anspruch auf Zulage und Sonderausgabenabzug.
STB Web:
Das Finanzgericht hatte die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen. Der BFH sah dies jedoch anders und hielt den Fall sehr wohl als grundsätzlich bedeutend. Hat Sie das überrascht?
Karl-Heinz Herrmann:
Nun, von Überraschung kann man nicht sprechen, beschäftigt mich das Thema doch schon seit Jahren. Richtig ist jedenfalls, dass ich erfreut war, zu erfahren, dass der BFH meiner Nichtzulassungsbeschwerde stattgegeben hat und die Rechtsfrage nun doch als klärungsbedürftig ansieht.
STB Web:
Kürzlich ist auch noch das Bundesfinanzministerium beigetreten – was bedeutet das für den Fall?
Karl-Heinz Herrmann:
Der Beitritt des BMF zeigt meines Erachtens, dass meine Argumente wohl doch nicht aus der Luft gegriffen sind und das beklagte Finanzamt offenbar „Schützenhilfe“ bekommt. Wichtig ist mir aber auch die Feststellung, dass sich das Finanzamt streng an die Vorgaben und Argumente der Finanzverwaltung hielt, was nun aber scheinbar dazu führt, dass weitere stichhaltige und den BFH überzeugende Argumente und Rechtsgrundlagen von Seiten der Finanzverwaltung nicht vorgebracht werden können.
STB Web:
Mit welchem Ergebnis rechnen Sie? Glauben Sie, der BFH wird Ihrer Argumentation folgen?
Karl-Heinz Herrmann:
„Vor Gericht und auf hoher See – ist man in Gottes Hand“. Ich wage daher keine Prognose wie sich der BFH entscheiden wird. Womöglich trifft in dieser Sache gar nicht der BFH die letzte Entscheidung, sondern das Bundesverfassungsgericht. Der weitere Verlauf bleibt daher wirklich spannend – zumindest für alle, die sich – wie ich – dafür einsetzen, dass die Riesterrente eine Bürgerrente sein soll, die allen Bundesbürgern beim Aufbau einer kapitalgedeckten, ergänzenden Altersversorgung hilft.
STB Web:
Was sollten Betroffene jetzt tun?
Karl-Heinz Herrmann:
Hier sehe ich drei Alternativen:
1. Betroffene, also passiv Versicherte, welche bislang noch keinen Riestervertrag abgeschlossen haben, brauchen lediglich den Ausgang des Verfahrens abzuwarten, um gegebenenfalls dann zu entscheiden, ob noch ein Riestervertrag abgeschlossen wird.
2. Betroffene, welche bislang nur den Mindestbeitrag in einen Riestervertrag einbezahlten, sollten bei einem positiven Ausgang des Verfahrens mit ihrem Altersvorsorgeberater und/oder Steuerberater sprechen ob eventuell der Mindestbeitrag auf den Maximalbeitrag – 2.100 Euro abzüglich Zulagenanspruch – erhöht wird.
3. Betroffene, die bislang bereits mehr als den Mindestbeitrag in einen Riestervertrag einbezahlten, sollten mit ihrem Steuerberater sprechen, um gegebenenfalls Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid einzulegen. Da insoweit im Normalfall eine vorläufige Festsetzung noch nicht erfolgt ist, kann durch einen Verweis auf das anhängige Verfahren (BFH-Az. X R 11/13) ein Ruhen des Verfahrens erreicht werden.
STB Web:
Herr Herrmann, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Viola C. Didier.
Zum Verfahren:
Nach erfolgloser Klage vor dem FG München (Az. 7 K 2772/09 v. 05.03.2012) hat der Bundesfinanzhof der Nichtzulassungsbeschwerde stattgegeben. Seither ist die Revision unter dem Aktenzeichen X R 11/13 anhängig. Mit Schreiben vom 15.11.2013 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) seinen Beitritt zum Verfahren erklärt.
Zur Person:
Steuerberater Karl-Heinz Herrmann ist gelernter Bankkaufmann, langjähriger Verbandsprüfer (GenG), seit 1995 Steuerberater und seit 2002 Gesellschafter/Geschäftsführer bei J. Vilsmeier & K.-H. Herrmann. Er ist außerdem Dozent an der Sparkassenakademie in Bayern sowie Fachbuchautor (Riester-, Eichel- oder Rüruprente?, BoD-Verlag, 2009). Mehr Informationen zu Veröffentlichungen und zum Verfahren: www.vilsmeier-herrmann.de
* Viola C. Didier arbeitet in Stuttgart als freie Journalistin für Printmedien, Fachverlage, Online-Portale und Unternehmen. Ihre Spezialgebiete sind Recht und Steuern. Außerdem befasst sie sich mit den Themen Job und Karriere sowie Marketing, PR und Management. Viola C. Didier arbeitet darüber hinaus als freie Redakteurin und Fachlektorin. Die Juristin gründete 2003 das spezialisierte Redaktionsbüro RES JURA für Recht, Steuern und Wirtschaft.
Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 26.02.2014, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.