23.10.2013 | Interview

Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung: Chancen, Tendenzen, Prognosen

Von Viola C. Didier * / Interview mit Jörg Hossenfelder

Das Marktforschungsunternehmen Lünendonk untersuchte 94 Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-Gesellschaften in Deutschland hinsichtlich ihrer Wachstumsziele, Entwicklungsprognosen und Leistungsfelder. Mit interessanten Ergebnissen.

Deutsche Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-Gesellschaften (WP-Gesellschaften) erreichten im Jahr 2012 ihre Wachstumsziele: Der Prognose aus dem Vorjahr in Höhe von 4,8 Prozent steht eine reale Umsatzsteigerung um durchschnittlich 4,6 Prozent gegenüber. Neben Wachstum aus eigener Kraft zeichnen auch Übernahmen und Fusionen für diese Entwicklung verantwortlich. Aufgrund von Honorardruck und dem Mangel an Fachkräften rechnen die Studienteilnehmer für das aktuelle Geschäftsjahr 2013 mit einer eher gleichbleibenden Umsatzsteigerung von 4,5 Prozent.

Steuerberatung heutiger und zukünftiger Umsatztreiber

Die Fakten: Im Geschäftsjahr 2012 haben die befragten WP-Gesellschaften durchschnittlich 45 Prozent des Umsatzes mit Steuerberatung inklusive Steuerdeklaration und Buchhaltung erzielt, während der Umsatz durch Rechtsberatung bei nur 6,2 Prozent lag. Auch für die Zukunft sehen die Beteiligten im Bereich „Tax“ die größten Wachstumsmöglichkeiten: 60,8 Prozent rechnen mit großen und 35,3 Prozent sogar mit sehr großen Wachstumschancen. Welche weiteren Tendenzen und Prognosen sich aus der aktuellen Lünendonk-Studie 2013 „Führende Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-Gesellschaften in Deutschland“ ableiten lassen, erklärt der Studienautor Jörg Hossenfelder im STB-Web-Interview.

Interview mit Studienautor Jörg Hossenfelder:

STB Web:
Herr Hossenfelder, können Sie uns etwas zum Hintergrund der Studie erzählen?

Foto: Jörg Hossenfelder

Jörg Hossenfelder:
Lünendonk befasst sich traditionell mit den Business-to-Business-Dienstleistungsmärkten. Diese tragen volkswirtschaftlich zu einer hohen Wertschöpfung bei, finden jedoch häufig wenig Beachtung. Bisher fehlte es an kontinuierlicher, strukturierter Analyse. Es ist daher unser Ziel, Entwicklungen, Trends und Player im Wirtschaftsprüfungsmarkt abzubilden.

STB Web:
Welchen Herausforderungen müssen sich Wirtschaftsprüfer und Steuerberater nach Ihren Erkenntnissen in Zukunft stellen?

Jörg Hossenfelder:
Sowohl aktuell als auch in den nächsten zwei bis drei Jahren sehen die Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-Gesellschaften den erhöhten Honorardruck und die erschwerte Rekrutierung von qualifiziertem Personal als wesentliche Behinderungsfaktoren.

STB Web:
Wie begegnen die Befragten dem Fachkräftemangel?

Jörg Hossenfelder:
Das Finden von qualifiziertem Fachpersonal ist eine Herausforderung für nahezu alle Unternehmen, nicht nur für die Wirtschaftsprüfer und Steuerberatung. Hier versuchen die Kanzleien, mit guten Einstiegsgehältern sowie Gratifikationen auf der einen und interessanten Karrieremöglichkeiten auf der anderen Seite im so genannten „war for talents“ zu bestehen.

STB Web:
Welche Geschäftsfelder versprechen nach den Studienergebnissen die größten Wachstumschancen?

Jörg Hossenfelder:
Unseren Analysen zufolge erwartet die Branche in den Segmenten Steuerberatung, Rechtsberatung und Managementberatung die größten Umsatzzuwächse. Dies ist auch ein Grund, warum sich ein Teil der WP-Gesellschaften diversifiziert, also breiter aufstellt. Ferner sind Chancen bei den Themen Outsourcing und IT auszumachen. Outsourcing bedeutet hier die Übernahme von Finanz- und Lohnbuchhaltung. IT-Themen sind Anwendungen in der Wirtschaftsprüfung sowie in der Finanz- und Lohnbuchhaltung, z.B. eigene Software-Lösung, Schnittstellen zu Datev, SAP u.a.

STB Web:
Welche Trends zeichnen sich außerdem in der Wirtschaftsprüfung aktuell ab?

Jörg Hossenfelder:
Seit einigen Jahren ist eine Marktkonsolidierung zu beobachten. Gründe hierfür sind Wachstumsmöglichkeiten in der Fläche und in der Leistungstiefe. Ferner legen WP-Gesellschaften vermehrt den Fokus auf wirtschaftsprüfungsfremde Services, also jedwede Leistungen außerhalb des Audit-Segments, beispielsweise Steuerberatung, Rechtsberatung, Corporate Finance, Unternehmens- und IT-Beratung. So ist es auch nicht überraschend, dass die Studienteilnehmer in den nächsten zwei bis drei Jahren im Segment „Audit/Prüfung“ die geringsten Umsatzzuwächse prognostizieren.

STB Web:
Was folgt daraus für mittlere und kleine Kanzleien?

Jörg Hossenfelder:
Mittelgroße und kleine WP-Gesellschaften, die sich einem Wachstumskurs verschrieben haben, müssen aufgrund der prognostizierten Entwicklungen handeln. So kann eine Spezialisierung nach Branchen oder Leistungen ebenso hilfreich für die Unternehmensentwicklung sein wie auch die Expansion in andere Regionen, beispielsweise durch Zukäufe oder Kooperationen.

STB Web:
Der Bereich „Legal“ macht bei den Befragten nur 6 Prozent des Umsatzes aus. Allerdings erwartet man gerade hier eine immense Wachstumsmöglichkeit. Woran liegt das?

Jörg Hossenfelder:
In unseren Expertengesprächen stellten wir fest, dass Mandanten wieder vermehrt in Steueroptimierungsmodelle investieren. Themen wie diese sind auch in juristischer Hinsicht zu prüfen respektive beinhalten rechtliche Fragestellungen.

STB Web:
Welche Konsequenzen ziehen die Befragten aus der immer stärkeren Internationalisierung mittelständischer Mandanten und den länderübergreifenden Tätigkeiten von nationalen sowie internationalen Finanzbehörden?

Jörg Hossenfelder:
Den WP-Gesellschaften bieten sich folgende Möglichkeiten: Entweder sie schließen sich einem Netzwerk an oder bauen aus eigener Kraft Niederlassungen im Ausland auf. Unsere aktuelle Analyse ergab, dass 18 Prozent der Teilnehmer beabsichtigen, Niederlassungen im Ausland zu gründen respektive bereits vorhandene auszubauen. 80 Prozent der Befragten unterhalten bereits Mitgliedschaften zu internationalen Netzwerken oder Kooperationen.

Zum Autor der Studie:

Jörg Hossenfelder ist Kommunikations- sowie Politikwissenschaftler und geschäftsführender Gesellschafter des Marktforschungsunternehmens Lünendonk GmbH. Die detaillierte Lünendonk®-Studie 2013 „Führende Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-Gesellschaften in Deutschland“ kann zum Preis von 1.950,- Euro bei Lünendonk bezogen werden.

 

* viola_didierViola C. Didier arbeitet in Stuttgart als freie Journalistin für Printmedien, Fachverlage, Online-Portale und Unternehmen. Ihre Spezialgebiete sind Recht und Steuern. Außerdem befasst sie sich mit den Themen Job und Karriere sowie Marketing, PR und Management. Viola C. Didier arbeitet darüber hinaus als freie Redakteurin und Fachlektorin. Die Juristin gründete 2003 das spezialisierte Redaktionsbüro RES JURA für Recht, Steuern und Wirtschaft.

 

(STB Web)

 

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 23.10.2013, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.