20.11.2013 | Weinkolumne

buten un binnen - wagen un winnen

Winzerin Eva Fricke (36) hat aus dem Nichts eines der spannendsten Weingüter im Rheingau aufgebaut und wurde kürzlich als „Newcomer des Jahres“ bei der „FALSTAFF WEIN TROPHY 2013“ ausgezeichnet. Damit lebt die gebürtige Bremerin den Wahlspruch der Bremer Kaufmannschaft "draußen und drinnen – wagen und gewinnen".

Das Interview führte Viola C. Didier *

Frau Fricke, Sie haben sieben Jahre als Betriebsleiterin des renommierten Wreinguts Josef im Rheingau gearbeitet. Was haben Sie in dieser Zeit dort gemacht?

Winzerin Eva Fricke hat ihr Handwerk von
Grund auf gelernt. Für das Management
Ihres Betriebs absolvierte sie nach dem
Weinbau- und Önologie-Studium noch ein
betriebswirtschaftliches Studium an der EBS.

Das Weingut Leitz hat seit 2004 einen enormen Erfolgs- und Wachstumskurs hingelegt, neben diversen Auszeichnungen gekrönt von dem Titel Winzer des Jahres für Johannes Leitz im Gault Millau. Aus den zunächst vereinbarten drei Jahren wurden sieben Jahre Beschäftigung. Mein Aufgabenfeld dehnte sich schnell über die Weinbergsarbeiten aus hin zu sämtlichen Kellerarbeiten sowie Vertriebsaufgaben im In- und im Ausland. Die ständig wachsenden Aufgaben im Betrieb Leitz waren für mich neu, eine große Herausforderung, und dabei merkte ich, was ich noch alles zu lernen habe, um tatsächlich einen eigenen Betrieb aufbauen zu können. Berufsbegleitend habe ich auch noch ein Intensivstudium für Management an der EBS absolviert, um betriebswirtschaftliche Grundlagen zu erlernen.

Sie sind gebürtige Bremerin, kommen also nicht aus einer Winzerfamilie, sondern haben sich bewusst für diesen Beruf entschieden und sich selbstständig gemacht. Ein mutiger Schritt!

Meine Liebe zum Wein entdeckte ich während eines Schulpraktikums in Südafrika im Sommer 1995. Nach dem Abitur schrieb ich mich für ein Weinbau- und Önologie-Studium an der Fachhochschule Geisenheim ein und absolvierte mehrere Praktika in Frankreich, Italien, Spanien und Australien. Den zunächst geplanten Aufbau eines eigenen Weingutes habe ich 2004 nur ganz klein begonnen. Mich selbstständig zu machen stand also schon fest, bevor ich im Weingut Leitz meine Beschäftigung begonnen habe, und das war auch vertraglich so geregelt. Herrn Leitz habe ich kennengelernt als ich für erste Versuche Rieslingtrauben aus Schieferböden gesucht habe. Aus dem Traubenverkauf entstand mehr: Mein Beschäftigungsverhältnis bei Herrn Leitz, der damals seinen Betrieb vergrößerte und jemanden zunächst nur für den Außenbetrieb gesucht hat. 2006 habe ich schließlich das Weingut mit heutigem Sitz in Kiedrich und Weinbergen in Lorch neu gegründet. Damals habe ich mit 0,24 ha und weniger als 600l angefangen. Mittlerweile ist die Betriebsfläche auf fast 4 ha angewachsen, in 2012 bewirtschaftete ich 2,4 ha und habe 1,5ha Bewirtschaftungsverträge. In 2013 ist die Rebfläche auf insgesamt 5 ha aufgestockt worden, davon 3,2 ha eigene ökologische Bewirtschaftung in Lorch.

Welches war Ihr erster Jahrgang als Winzerin?

In 2004 und 2005 habe ich nebenher mit kleinen Mengen versuchsweise Wein ausgebaut, 2006 war mein erster richtiger Jahrgang aus einem eigenen Weinberg der mir im Winter 2005/2006 zur Pacht angeboten wurde. Das war die Lorcher Krone, bis heute der trockene Topwein meines Portfolios.

Sie wurden gerade als „Newcomer des Jahres“ bei der „FALSTAFF WEIN TROPHY 2013“ ausgezeichnet. Was macht den Charakter Ihrer Weine aus?

Ich denke, dass meine Weine – wie die vieler Kollegen aus Lorch – geprägt sind von den mineralischen Schiefer- und Quarzitböden. Das macht unsere Weine besonders elegant und verleiht ihnen im Rheingau eine besondere Position. Lorch und Lorchhausen sind die letzten Rheingauer Weinbaugemeinden, bevor das Rheingaugebiet auf das Mittelrheingebiet trifft. Die Weinbergslagen sind im Gegensatz zum mittleren oder oberen Rheingau – dort findet man sandige Loess-Lehmböden mit Quarzit, Ton oder Flussbettsedimenten – geprägt von steinigen, zum Teil richtig kargen Steilhängen. Zudem ist der obere Rheingau bis Rüdesheim zu 100 Prozent südlich ausgerichtet, während Lorch weiter nördlich rheinaufwärts liegt und eher süd-westlich ausgerichtet ist, was ein etwas kühleres Klima und einen etwas filigraneren Typ Wein hervorbringt, als den klassischen saftigen „Rheingau Riesling“.

Charakterlich würde ich also die Lorcher Weine eher zu dem Gebiet Mittelrhein zuordnen. Geschmacklich drückt sich das in einer fast salzig anmutenden Mineralität aus, die Säure, Restzucker, Alkohol und Extrakt ergänzt und unseren Weinen besondere Finesse und Eleganz verleiht.

Welche Pläne – im Hinblick auf Ihre Weine und Ihren Weinanbau – haben Sie für die Zukunft?

Meinen Weinanbau in Lorch habe ich vor drei Jahren nach ökologischen Richtlinien umgestellt. Allerdings bisher ohne betriebliche Zertifizierung, da wir auch noch Trauben aus einigen, noch konventionellen Bewirtschaftungsverträgen beziehen. In den nächsten Jahren sollen diese aber auch umgestellt werden, da ich langfristig auf eine betriebliche Zertifizierung für ökologischen Weinbau hinarbeite.

Vom Nordseestrand ins
Rheingau-Land: Eva Fricke

Aktuell exportieren wir fast 70 Prozent unserer Weine unter anderem in die USA, nach Kanada, Skandinavien, Australien, Japan und Hongkong. Ich denke, dass ich diese Ausrichtung auch beibehalten werde. Allerdings möchte ich zudem den innerdeutschen Absatz weiter aufbauen und wir haben bisher nur wenige Endverbraucher als Kunden. Für die Zukunft müssen wir über Verkostungstage und Kundenveranstaltungen nachdenken.

Nach wie vor gibt es in Deutschland mehr Winzer als Winzerinnen. Was machen Winzerinnen anders die männlichen Kollegen? Gibt es da überhaupt Unterschiede?

Dass es mehr Winzer als Winzerinnen gibt, ist nicht nur im Weinbau sondern in fast allen Handwerksberufen der Fall und hat nicht zuletzt auch mit physischen Anforderungen oder Fragen der Familienplanung zu tun. Delegieren macht Spaß und ist auch eine Herausforderung, aber selbst „Hands on“ tagtäglich in einem technischen Beruf zu arbeiten ist noch etwas anderes.

Qualitativ, sensorisch oder geschmacklich gibt es für mich keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Es wird immer von den „Winzerinnen“ gesprochen, als wäre das nun ein neues Zeitalter der Weinbereitung. Aber von wem haben „wir Frauen“ denn gelernt? Zumindest in den meisten Fällen von Männern und ich hatte großartige Lehrer. Ich glaube daher nicht, dass ich etwas anders mache, nur weil ich eine Frau bin. Genauso möchte ich nicht, dass meine Weine getrunken werden, nur weil ich eine Frau bin, sondern weil ich – hoffentlich – Qualität erzeuge und darüber hinaus langfristig einen eigenen Stil und eine Marke aufbaue, die ihre Kunden, Liebhaber und Märkte findet.

Frau Fricke, bitte verraten Sie uns abschließend noch Ihren absoluten Lieblingswein! Welchen Wein dürfen unsere Leser auf keinen Fall verpassen?

Es gibt den „Seligmacher“, unseren absoluten Publikumsliebling, aber mein persönlicher Lieblingswein des Jahrganges 2012 ist der Lorcher Schlossberg QbA. Das ist der Wein, der am genauesten dem Bild entspricht, das mir beim Probieren der Trauben im Herbst 2012 in den Sinn kam. Ein Herbst mit idealen Reife- und Lesebedingungen und Weinen mit wunderschönen Aromen. Ich liebe diesen Wein besonders, weil er so ausgewogen ist und für „pure Frucht“ steht.

* Die Juristin Viola C. Didier arbeitet in Stuttgart als freie Journalistin und gründete 2003 das spezialisierte Redaktionsbüro RES JURA für Steuern, Recht und Wirtschaft (www.resjura.de). Sie twittert unter @RES_JURA

Mehr über die STB-Web-Weinkolumne lesen Sie hier: "Wein und Steuern – eine verheißungsvolle Verbindung"