25.09.2013 | Beratertipp

Schenkungssteuer: Abfindung für Verzicht auf künftigen Pflichtteil

Von Susanne Christ, Rechtsanwältin/Fachanwältin für Steuerrecht, Köln *

Dem Rat, frühzeitig sein Erbe zu ordnen, kommen immer mehr Mandanten nach. Dies ist auch gut so, denn dadurch lassen sich vielfach sehr unschöne Konflikte nach dem Erbfall vermeiden. In der Steuerberatung ist es allerdings wichtig, auch die steuerlichen Auswirkungen der ins Auge gefassten Gestaltungen zur vorweggenommenen Erbfolge im Blick zu behalten und die Mandanten darüber aufzuklären. Da gilt insbesondere auch dann, wenn wie in dem jetzt vom BFH entschiedenen Fall, Regelungen zu den zukünftig entstehenden Pflichtteilsrechten getroffen werden.

Im mit Urteil vom 16.05.2013 (Az. II R 21/11) entschiedenen Sachverhalt verzichtete einer von vier Brüdern auf seinen gegenüber der noch lebenden Mutter zukünftig entstehenden Pflichtteilsanspruch. Zivilrechtlich ist eine solche Vereinbarung nach § 311 b Abs. 5 BGB zwischen Geschwistern zulässig. Jeder der drei Brüder zahlte als Ausgleich für den Verzicht 150.000 EUR.

Verzicht auf künftigen Pflichtteil gegen Zahlung einer Abfindung unterliegt der Erbschaftsteuer

Finanzverwaltung und Rechtsprechung behandeln Abfindungszahlungen für den Verzicht auf einen künftigen Pflichtteilsanspruch vor Eintritt des Erbfalls als freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, also als Schenkung. Der BFH hat diese Auffassung bereits ausführlich in seiner Entscheidung 25.5.1977 (Az. II R 136/73) begründet und hält, wie die aktuelle Entscheidung zeigt, auch weiterhin daran fest.

Streitig war in dem vorliegenden Fall allerdings, wer Steuerschuldner, also Zuwendender der unentgeltlichen Zuwendungen ist.  

Keine (fiktive) Zuwendung der künftigen Erblasserin

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass es sich um eine (fiktive) freigebige Zuwendung der Mutter (künftige Erblasserin) an den verzichtenden Sohn handele. Der BFH teilte diese Auffassung nicht. Die Mutter, die zivilrechtlich nicht zwingend dem Pflichtteilsverzichtsvertrag zustimmen muss, vgl. § 311 b Abs. 5 BGB, dürfe nicht ohne ihre Mitwirkung Steuerschuldnerin werden. Dies wäre aber der Fall, wenn ihr die Zuwendung fiktiv zugerechnet würde, da bei einer freigebigen Zuwendung auch die Zuwendende, also die Schenkerin nach § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG Steuerschuldnerin wird. Für die Begründung einer Steuerschuldnerschaft der Mutter fehle es aber an einer gesetzlichen Grundlage, so der BFH.

Freigebige Zuwendung des künftigen Erben

Stattdessen handele es sich um eine freigebige Zuwendung des künftigen Erben (bzw. im Entscheidungsfall, da drei Brüder jeweils Abfindungen leisteten, um drei freigebige Zuwendungen der künftigen Erben) an den künftigen Pflichtteilsberechtigten (4. Bruder).

Besonderheiten bei der Steuerklasse beachten!

Auch wenn lediglich die Brüder Beteiligte der Schenkung seien, müsse bei der Bestimmung der Steuerklasse berücksichtigt werden, dass es sich um einen Anspruch handele, der von der Mutter herrühre. Deshalb müsse für die Besteuerung die Steuerklasse zur Mutter (!) berücksichtigt werden.

Das bedeutet, dass bei der Berechnung der Schenkungsteuer die gegenüber der Mutter bestehende Steuerklasse nach § 15 Abs. 1 Ziff. 2  ErbStG zu berücksichtigen ist. D.h., es ist der persönliche Freibetrag in Höhe von 400.000 EUR und die der Steuerklasse I zuzuordnenden günstigen Steuersätze in Höhe von 7 – 30 % (statt des Freibetrages für Geschwister in Höhe von 20.000 EUR und Steuersätzen zwischen 15 % und 43 %) zu gewähren.  Allerdings hat der BFH, da dieser Punkt in dem vorliegenden Verfahren nicht entschieden werden musste, dazu nichts näher erläutert.

Die von der Rechtsprechung entwickelte Lösung ist in der Regel steuerlich günstig, da der Pflichtteilsberechtigte (Sohn) in der Regel gegenüber der (künftigen) Erblasserin (Mutter), eine bessere Steuerklasse hat als gegenüber dem künftigen Erben (Brüder). In Ausnahmefällen, etwa bei erheblichen Vorerwerben, kann diese Regelung sich jedoch auch als ungünstig erweisen. Deshalb sollte in der Beratung stets auch nach den Vorerwerben gefragt werden.

Wichtig! Kommt es später zum Erbfall, zählen die Abfindungszahlungen zu den Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG und mindern so die erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage. Da zwischen dem Zeitpunkt der Gewährung der Abfindung und dem Erbfall in manchen Fällen sehr lange Zeiträume liegen, sollten Sie Ihre Mandanten hierauf besonders darauf hinweisen und anregen, dass sie die Unterlagen dazu sorgfältig aufbewahren.

Berechnung der Schenkungssteuer

Wird – wie der BFH entschieden hat – für die Schenkung zwischen den Brüdern die Steuerklasse der Mutter angewendet, dürften alle innerhalb von zehn Jahren einzubeziehende Erwerbe zusammen zu rechnen sein, so dass auf die Summe der drei Abfindungszahlungen zuzüglich etwaiger Vorerwerbe der Freibetrag und die Steuersätze gegenüber der Mutter anzuwenden sind. Wie der so ermittelte Steuerbetrag auf die Erwerbe zu verteilen ist, blieb in der Entscheidung ebenfalls offen. Hier dürfte es wohl zu einer anteilsmäßigen Verteilung der gesamten berechneten Steuer auf die drei Erwerbe kommen.

Unsicherheiten bei der Berechnung Mandanten gegenüber offenlegen und ggf. verbindliche Auskunft einholen

Wie die Ausführungen zeigen, hat der BFH zu der Frage der Berechnung der Schenkungsteuer in der Entscheidung keine Stellung genommen. Die daraus resultierenden Unwägbarkeiten bei der Berechnung sollten Sie Ihren Mandanten gegenüber offen legen. Ist dies Ihren Mandanten zu unsicher, sollten Sie den Mandanten die Durchführung der (kostenpflichtigen) verbindlichen Auskunft beim Finanzamt empfehlen. Allerdings ist diese nur zulässig, solange der Sachverhalt, der zu beurteilen ist, noch nicht verwirklicht wurde. Das bedeutet, die verbindliche Auskunft muss vor (!) Abgabe der Verzichtserklärung eingeholt werden.

Zusammenfassung

Zahlt ein künftiger Erbe einem künftigen Pflichtteilsberechtigten eine Abfindung für den Verzicht auf das künftige Pflichtteilsrecht vor Eintritt des Erbfalls, handelt es sich

  1. um eine freigebige Zuwendung zwischen zukünftigen Erben und zukünftigen Pflichtteilsberechtigten,
  2.  die darauf zu erhebende Erbschaftsteuer berechnet sich nach der Steuerklasse des zukünftigen Pflichtteilsberechtigten zum zukünftigen Erblasser und
  3. der zukünftige Erbe kann die Abfindungszahlung im Erbfall nach § 10 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG als Nachlassverbindlichkeit abziehen.

Die von der Rechtsprechung entwickelte Lösung ist in der Regel steuerlich günstig, da die Schenkung in der Regel einer günstigen Steuerklasse ; unterliegt. In Ausnahmefällen, etwa bei erheblichen Vorerwerben, kann diese Regelung sich jedoch auch als ungünstig erweisen.

 

* Über die Autorin:

Susanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht. Sie führt eine eigene Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln und ist die Sprecherin des Erbrechtsausschusses des Kölner Anwaltsvereins. Susanne Christ ist langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Sie schreibt auch regelmäßig Fachartikel und Kommentare bei STB Web. ;

E-Mail: s.christ@netcologne.de

 

(STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 25.09.2013, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.