21.11.2012 | Finanzierung

Crowdinvesting: Lieschen Müller und Otto Normalverbraucher als Teilhaber?

von Alexandra Buba, Wirtschaftsredakteurin, Nürnberg *

In den Vereinigten Staaten schaffte Barack Obama mit dem so genannten JOBS Act einen rechtlichen Rahmen dafür, dass Unternehmen Kapital von Privatanlegern einsammeln können. Dies geschieht überwiegend auf Internetplattformen und findet seit einem Jahr auch in Deutschland etliche Nachahmer. Aber kann das so genannte Crowdinvesting eine ernsthafte Finanzierungsalternative für den deutschen Mittelstand werden?

„Was, Cloud?“, fragt die Dame vom Wirtschaftsforschungsinstitut auf die Frage, ob man sich in ihrem Haus schon mit dem Thema „Crowdinvesting“ beschäftigt habe. Diese einfach Verständnisfrage macht schon deutlich: Verlässliche Aussagen darüber, ob die Mittelbeschaffung jenseits von Börse und Bank ganz unmittelbar vom Privatanleger in Zukunft eine wesentliche Rolle in der Finanzierungsstrategie von Unternehmen spielen wird, gibt es derzeit nicht. Auch rechtliche Regelungen jenseits von Kreditwesengesetz, Wertpapierprospektgesetz und Vermögensanlagengesetz fehlen bislang ebenso wie eine klare Einordnung durch die BAFin.

Dafür ist in den vergangenen Monaten eine ganze Reihe von Plattformen wie Seedmatch, Companisto oder Innovestment im Internet entstanden, die nur den Geschäftszweck haben, kapitalsuchende Unternehmen und investitionswillige Privatleute zusammen zu bringen. „Wir wollen, dass jeder in gute Geschäftsideen investieren kann, egal wie viel Geld er hat“, heißt es zum Beispiel bei Companisto, einer Plattform, die selbst durch Crowdinvesting entstanden ist. Wer möchte, kann dort im Moment noch in eine Taxi-App investieren, alle übrigen Projekte sind bereits abgeschlossen, da die gewünschte Summe zusammengetragen wurde. In der Regel sind dies 100.000 Euro, das Durchschnittsinvest pro Investor liegt bei 250 Euro.

Obergrenze: 100.000 Euro ohne Prospekt

Dass viele Start-ups exakt 100.000 Euro einsammeln wollen, ist kein Zufall, sondern hängt damit zusammen, dass bis zu dieser Summe keine Pflicht zur Erstellung eines Verkaufsprospekts besteht, in der Folge natürlich auch keine Prospekthaftung ausgelöst werden kann. Unter der Maßgabe dieser derzeit geltenden Rechtslage in Deutschland ergibt sich daraus für die Beratung unmittelbar eine klare Eingrenzung der Mandate, für die Crowdinvesting als Finanzierungsinstrument überhaupt relevant sein kann.

Für die überwiegende Zahl der Investitionsvorhaben, mit denen Steuerberater konfrontiert werden, reichen 100.000 Euro mitnichten aus. Das reduziert den Kreis der Mandanten, für die sich Crowdinvesting möglicherweise eignet, im Wesentlichen tatsächlich auf die Existenzgründer, und zwar speziell jene aus kapitalextensiven Branchen der Dienstleistung. Oftmals suchen gerade Geschäftsideen mit Bezug zum Internet auf diesem Wege Geldgeber – und finden sie auch.

Darüber hinaus gibt es sicherlich auch vereinzelte Projekte, die etablierten Unternehmen nur einen geringen Kapitalaufwand abverlangen – den sie in der Regel aber wenn nicht aus dem laufenden Geschäft, so doch über die Bank finanzieren. Damit fahren sie deutlich günstiger als per Crowdinvesting, dessen Gebühren als Zins ausgedrückt zwischen fünf und zehn Prozent liegen.

Wenn die Bank keinen Kredit gewährt

Anders als der Bankkredit hat aber das „Massenkapital“ eigenkapitalähnliche Züge, sofern es als typisch stille Beteiligung ausgestaltet wird. Dies ist bei den deutschen Plattformen neben dem Modell des unverbrieften Genussrechts gängige Praxis. Die Erhöhung der Eigenkapitalquote verbessert die Bonität, das mag in der Folge dazu führen, dass dadurch ein Kredit gewährt wird, den das Kreditinstitut zuvor versagte.

„Aber Crowdinvesting ist ganz klar nichts für Unternehmen, die aus triftigen Gründen kein Geld von der Bank bekommen. Soll heißen, dass es sich hier eigentlich um Unternehmen handelt, die hinsichtlich ihrer Performance grundsätzlich finanzierungswürdig sind, aber wegen zu geringem Eigenkapital, fehlender Sicherheiten oder aus anderen geschäftspolitischen Gründen von Banken kein Geld erhalten“, sagt Steuerberater Dr. Rainer Schenk aus Berlin. Es gehe darum, zukunftsfähige Projekte zu fördern, und der Anleger wolle letztlich Gewinn mit seinem Investment erzielen. So nehmen einige Plattformbetreiber längst nicht mehr jedes Unternehmen oder jede Geschäftsidee auf, sondern behalten sich in der Regel eine Auswahl vor. Umgekehrt bedarf es nicht unbedingt einer Plattform, um als Unternehmen Crowdinvesting zu betreiben – solange es nur 100.000 Euro sind, darf jeder in Deutschland auch in Eigenregie öffentlich Geld einsammeln.

Im besten Fall fällt Abgeltungssteuer an

Wer solches gibt, geht stets das Risiko des Totalverlusts ein, im besten Fall werden die ; Gewinne um die Abgeltungssteuer geschmälert. „Crowdinvesting ist etwas, das ich tun kann, wenn ich wenig Geld habe und damit spielen will“, sagt Markus Feck, Finanzjurist bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, „es ist eben Private Equity für den Normalsterblichen, und es kann auch schon was Ordentliches dabei raus kommen.“

Beispiele, die dies eindrucksvoll belegen könnten, gibt es noch nicht, mit der Publikums-KG wohl aber eine Tradition der Beteiligung der Öffentlichkeit an Unternehmen. Im Unterschied zu dieser seit langem praktizierten Variante nutzt Crowdinvesting nun aber die Macht des Internets, die Akzeleration der Kommunikation und die Masse kleiner und kleinster Beträge – das kann, muss aber nicht, für die nötige Durchschlagskraft sorgen.

Interview mit Steuerberater Dr. Rainer Schenk, Berlin: „Es ist eine klare Ansage an die Banken“

Der Berliner Steuerberater Dr. Rainer Schenk beschäftigt sich als einer der wenigen steuerrechtlich ausgebildeten Berater mit dem Thema Crowdinvesting – zum einen im Auftrag seiner Mandanten, für die er gerade eine Plattform (CompanyAndMe) mit konzipiert, zum anderen wissenschaftlich im Rahmen eines Forschungsprojekts. Schenk glaubt an eine große Zukunft der Mikroinvestments jenseits der institutionellen Anleger.

STB Web:
Herr Dr. Schenk, für welche kapitalsuchenden Unternehmen kommt Crowdinvesting überhaupt in Frage?

Dr. Rainer Schenk:
Aufgrund der momentanen rechtlichen Beschränkungen eigentlich nur für Existenzgründer mit relativ geringem Kapitalbedarf. Allerdings bezweifle ich, dass die rechtlichen Schranken in dieser Weise tatsächlich so existieren.

STB Web:
Inwiefern?

Dr. Rainer Schenk:
Für einen Mandanten habe ich gerade eine Anfrage bei der Bankenaufsicht gestellt, bei der es um die Möglichkeiten geht, für Unternehmen auch höhere Beträge als 100.000 Euro von privaten Anlegern über Crowdinvesting zu erhalten.

STB Web:
In diesem Fall bedarf es eines Verkaufsprospekts...

Dr. Rainer Schenk:
Ja, unter anderem. Aber einen solchen zu erstellen, ist nichts Heiliges. Das muss der Unternehmer tun, aber externe Berater, auch qualifizierte Steuerberater, sollten ihn dabei unterstützen. Der Verkaufsprospekt basiert teilweise auf dem ausführlichen Unternehmenskonzept, dass für eine Finanzierung mittels Crowdinvesting sowieso erstellt werden muss und mittels dessen sich der kapitalsuchende Unternehmer auf der Plattform präsentiert. Steuerberater sind doch wegen ihrer Nähe zum Unternehmen des Mandanten prädestiniert, auch bei der Erstellung des Unternehmenskonzeptes zu unterstützen. ; Daraus lässt sich dann der Verkaufsprospekt ableiten und erarbeiten. Schlussendlich geht es beim Crowdinvesting ja nicht um die Realisierung eines Börsengangs. Hier wäre natürlich weit mehr zu tun.

STB Web:
Ergeben sich daraus nicht berufs- und haftungsrechtliche Risiken?

Dr. Rainer Schenk:
Mandanten bei der Erstellung eines Verkaufsprospekts zu beraten oder zu unterstützen sind mit dem Berufsrecht vereinbare Tätigkeiten. Ob der Berufsträger, auch wenn er es darf, dies auch kann, steht auf einem anderen Blatt. Auf alle Fälle sollte der Steuerberater im Vorfeld das Thema mit seiner Vermögensschadenhaftpflichtversicherung abklären, sich ausdrücklich den Versicherungsumfang schriftlich bestätigen lassen und gegebenenfalls die Haftungssummen nach oben hin anpassen.

STB Web:
Wenn wir nun beim „normalen“ Existenzgründermandanten mit einem Kapitalbedarf von nicht mehr als 100.000 Euro bleiben: Was sind die wichtigsten steuerlichen und rechtlichen Fallstricke, wenn sich solche Unternehmen einer der Crowdinvesting-Plattformen bedienen und Geld dort einsammeln?

Dr. Rainer Schenk:
Wichtig ist, darauf zu achten, dass das Investment als typisch stille Beteiligung oder aber als unverbrieftes Genussrecht geführt wird. 400 Investoren können schließlich nicht als Mitunternehmer gehandelt werden, außerdem muss der Zweitmarkt ausgeschlossen werden, d. h. die Beteiligung darf nicht weiter verkauft werden können. Rein buchhalterisch ist es ganz einfach, die Daten kommen von der Plattform und die Beträge werden als typisch stille Beteiligung verbucht. Die Verträge, die Unternehmen und Investoren online auf der Plattform schließen, kommen in die Nebenbuchhaltung. Im Hinblick auf die Anleger besteht für Unternehmer und Steuerberater am Ende zudem noch die Pflicht zur Kapitalertragsteuerabführung.

STB Web:
Wie schätzen Sie die Bedeutung von Crowdinvesting als ernsthafte Finanzierungsalternative in Deutschland in den kommenden Jahren ein?

Dr. Rainer Schenk:
Im Grunde ist Crowdinvesting im Moment nur ein Fluchtweg, auf dem sich Unternehmer aus dem Zwang befreien, kein Geld zu haben. Es ist eine Bewegung, die aus der Not geboren und außerdem dem Internetzeitalter geschuldet ist. Dennoch glaube ich, dass es eine sehr positive Zukunft haben wird und sich als Ersatz und Ergänzung zu den bestehenden Finanzierungsformen durchsetzen wird. Crowdinvesting ist von der Philosophie her gut, es ist eine klare Ansage an die Banken, und der normale kleine Unternehmer, den keine VC-Gesellschaft und kein Business Angel anschaut, bekommt eine Chance auf zusätzliches Eigenkapital. Vorausgesetzt, man macht alles rechtlich sauber und ordentlich, tut sich hier ein neuer Kapitalmarkt für den mündigen Internetnutzer auf. Andererseits kann Crowdinvesting zum nachhaltigen Finanzierungsinstrument für kleine und mittlere Unternehmen werden. Schließlich gehören über 90 Prozent der Unternehmen in Deutschland dem Mittelstand an. Am Ende geht das alles nur mit professionell funktionierenden Crowdinvesting-Plattformen.

STB Web:
Raten Sie denn als Steuerberater Ihren eigenen Mandanten umgekehrt auch, in Crowdinvesting zu investieren?

Dr. Rainer Schenk:
Ja, aber mit der gebotenen Vorsicht. Crowdinvesting ist sicherlich eine Möglichkeit sein Portfolio zu erweitern – wenn man nur einen kleinen Teil seines Vermögens einsetzt und sich die Unternehmen genau anschaut.

STB Web:
Wo sehen Sie Ihre Berufskollegen bei der ganzen Sache?

Dr. Rainer Schenk:
Ich denke, dass sich Crowdinvesting dazu eignet, neue Beratungsfelder für Steuerberater zu erschließen. Nach meiner Einschätzung könnte man als Steuerberater sogar als externer Gutachter für eine gewerbliche Crowdinvesting-Plattform tätig werden.

STB Web:
Herr Dr. Schenk, vielen Dank für das Gespräch.

 

Dr. Rainer Schenk ist Steuerberater mit eigener Kanzlei in Berlin. Crowdinvesting ist einer seiner Schwerpunkte, zu denen er auch forscht und lehrt. www.kanzlei-schenk.e

 

* Hinweise zur Autorin:

 Alexandra Buba, Nürnberg, ist freie Journalistin und spezialisiert auf die Themen der Steuerberatungsbranche. Ihr besonderer Schwerpunkt sind Management- und IT-Themen.

Weitere Informationen unter:

www.medientext.com

 

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 21.11.2012, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.