16.10.2012 | Urteil

Erbschaftssteuer: Bewertung eines Wohnrechts

Der Jahreswert von Nutzungen eines Wirtschaftsguts, das für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungssteuer nach den §§ 157 ff. BewG mit dem Verkehrswert angesetzt wird, darf nicht nach § 16 BewG gedeckelt werden, entschied das Niedersächsische Finanzgericht.

Seit dem Inkrafttreten des Erbschaftsteuerreformgesetzes 2009 werden alle wesentlichen Vermögensgruppen im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungssteuer mit dem Verkehrswert angesetzt. § 177 BewG bestimmt, dass den Bewertungen des Grundvermögens der gemeine Wert zugrunde zu legen ist. Die Berücksichtigung von Grundstücksbelastungen ist dabei nicht vorgesehen. § 198 BewG erlaubt es dem Steuerpflichtigen aber, den Nachweis eines niedrigeren Verkehrswertes zu erbringen. So kann der niedrigere Verkehrswert auch aus der Belastung des Grundbesitzes mit einem Nutzungsrecht resultieren.

Jahreswert bislang gedeckelt

Wird das Nutzungsrecht - im Streitfall handelte es sich um ein Wohnrecht - allerdings nicht bereits bei der Ermittlung des Grundbesitzwerts berücksichtigt, dann ist es bei der Festsetzung der Erbschaft- bzw. Schenkungssteuer abzuziehen. Es ist dann „nach den Vorschriften des Ersten Teils des Bewertungsgesetzes" zu bewerten, weshalb § 16 BewG zur Anwendung kommt. Danach kann bei der Ermittlung des Kapitalwerts der Nutzungen eines Wirtschaftsgutes der Jahreswert dieser Nutzungen höchstens den Wert betragen, der sich ergibt, wenn der für das genutzte Wirtschaftsgut „nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes anzusetzende Wert" durch 18,6 geteilt wird. Anders als bei einer Berücksichtigung der Nutzungen im Rahmen des nachgewiesenen niedrigeren Verkehrswertes nach § 198 BewG findet bei einem Abzug der Nutzungen bei der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer somit eine wertmäßige Deckelung des Jahreswertes statt.

FG begrenzt § 16 BewG

Je nachdem, ob die Nutzungen somit bei dem Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts im Rahmen der Feststellung des Grundbesitzwerts oder bei der Festsetzung der Erbschaft- bzw. Schenkungssteuer berücksichtigt werden, können sich bei identischem Sachverhalt und gleicher steuerlicher Leistungsfähigkeit somit stark unterschiedliche Steuerbelastungen ergeben, die alleine aus den unterschiedlichen Berechnungsmöglichkeiten resultieren. Das Niedersächsische Finanzgerichts hielt dieses Ergebnis mit Urteil vom 19.09.2012 (Az.3 K 194/12) für nicht folgerichtig und begrenzt § 16 BewG deshalb in verfassungskonformer Weise dahingehend, dass die Vorschrift nicht zur Anwendung kommt, wenn es sich bei dem „nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes anzusetzende[n] Wert" um den nach §§ 157 ff. BewG ermittelten Verkehrswert des Wirtschaftsguts handelt.

Eine Deckelung ist nicht mehr geboten

Der Deckelungsvorschrift des § 16 BewG liege die gesetzgeberische Überlegung zugrunde, so die Richter, dass der Wert der Nutzungen nicht den Wert des Eigentums als Vollrecht übersteigen soll. Dieses Ergebnis trat regelmäßig dann ein, wenn als „nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes anzusetzende[r] Wert" eines Wirtschaftsguts der unrealistisch niedrige Einheits- oder Bedarfswerte angesetzt wurde. § 16 BewG sorgte dann dafür, dass auch der Wert der Nutzungen auf dieses unrealistisch niedrige Wertniveau herabgesenkt wurde. Diese Deckelung sei jedoch dann nicht mehr geboten und gerechtfertigt, wenn das belastete Wirtschaftsgut nach §§ 157 ff. BewG mit dem Verkehrswert angesetzt wird. In diesem Fall verhindere die Anwendung des § 16 BewG vielmehr eine Verkehrsbewertung der Nutzungen.

(Nds. FG / STB Web)

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 16.10.2012, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.