22.08.2012 | Glossen & Kommentare

Ein Sommernachtstheater steuerlicher Art!

Von Manuel Maurer, STB Web

Selten hat das jährliche Sommerloch so viel steuerlichen Zündstoff geboten wie in diesem Jahr:  Vermögensteuer wieder einführen, Ehegattensplitting abschaffen, Streit um Steuer-CDs nebst steigenden Selbstanzeigen. In den aufgeregten öffentlichen Debatten wittern PolitikerInnen jeder Couleur Wahlkampfthemen und so jagt eine brisante Schlagzeile die nächste. Schließlich, als der Sommer schon zuneige geht, schenkt Friede Springer dem Springer-Vorstandschef Matthias Döpfner nebenbei ein Aktienpaket im Wert von über 70 Millionen Euro. Mal ehrlich: Wer braucht bei alledem eigentlich noch Karten für Bayreuth?

Ein neu gegründetes Bündnis mit breitem Trägerkreis aus Gewerkschaften, Nicht-Regierungsorganisationen und Sozialverbänden will die Reichen der Gesellschaft stärker belasten. "Umfairteilen" lautet das Motto, unter dem wie auch immer geartete Reichen- und Vermögenssteuern gefordert werden. Große Vermögen sollen zur Finanzierung des Sozialstaats und notwendiger Reformen beitragen. Wer und was genau eigentlich unter den Reichtumsbegriff fällt, bleibt freilich vage und so vermutet mancher - möglicherweise zu Recht - dass es am Ende die besserverdienende Mittelschicht trifft, anstatt die zahlenmäßige Minderheit der Superreichen, auf die man zielte, die aber so schwer greifbar sind. Die Oppositionsparteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben jedenfalls bereits Gesetzentwürfe zur Erhöhung des Spitzensteuersatzes und Wiedereinführung einer Vermögensteuer angekündigt - ein Reizthema vor allem in den Reihen der FDP, die in einer Vermögensabgabe eine "radikale Wachstumsbremse" (Volker Wissing) sowie die "Lieblingsdroge der politischen Linken" (Patrick Döring) zu erkennen glaubt.

Sachlicher sprach sich am Wochenende die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) gegenüber der Tageszeitung "Die Welt" gegen eine schärfere Besteuerung von Vermögen aus. Solche Forderungen würden die Gefahr bergen, "dass das positive und wichtige Streben der Menschen, sich Eigentum aufzubauen, darüber in Misskredit gerät". Aufgeschlossen hingegen zeigte sie sich hinsichtlich einer Anhebung des Spitzensteuersatzes. Hier sei die frühere rot-grüne Bundesregierung bei der Absenkung zu weit gegangen, so der sicherlich wohl überlegte Seitenhieb an die beiden Oppositionsparteien, die sich gerade mit diesem Thema profilieren möchten.


Irgendwelche Spuren nach Singapur

Ein besonderes Anliegen ist der SPD weiterhin die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und die Ablehnung des Steuerabkommens mit der Schweiz. Gerade recht kam da bereits im Juli die Schlagzeile vom Kauf einer neuen Steuer-CD durch Nordrhein-Westfalen - ungeachtet jeglicher rechtsstaatlicher Bedenken. Geschickt jongliert das dortige Finanzministerium mit dem Thema in den Medien: Die Bundesregierung habe sich lediglich verpflichtet, "dass sich die deutschen Finanzbehörden nicht aktiv um den Erwerb von bei Banken in der Schweiz entwendeten Kundendaten bemühen werden." Die Finanzbehörden in NRW würden jedoch nur Datensätze prüfen, die ihnen angeboten werden. Sie selbst würden keine Initiative zu Datenkäufen ergreifen, teilte Finanz-Staatssekretär Rüdiger Messal der Presse mit. Und just Anfang August berichteten die Medien, NRW habe wieder zugeschlagen - mit zwei neuen CDs. NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) hat dies zumindest nicht dementiert.

Während er vielmehr steigende Zahlen von Selbstanzeigen vermeldete, spekulierten die Gazetten über angebliche Spuren brisanter Schwarzgeldtransfers ins fernöstliche Singapur durch Schweizer Banken. Noch ehe diese "Sau" gänzlich durch"s Dorf getrieben war, erschienen bereits neue Schreckensmeldungen: "Erste Finanzämter lehnen Selbstanzeigen ab". Sei eine Straftat bereits auf einer CD entdeckt worden, wäre es für Straffreiheit zu spät. Walter-Borjans stellte dazu schnell klar, dass der Datenankauf als solcher und die öffentliche Berichterstattung über mutmaßliche Ankäufe alleine eine strafbefreiende Selbstanzeige nicht ausschließen würden.


Piraten zeigen NRW-Finanzminister an

Das Thema "Steuer-CDs" gipfelte vergangene Woche in Presseberichten, vier Piraten hätten den NRW-Finanzminister angezeigt - wegen des Verdachts auf Beihilfe oder Anstiftung zu einer Straftat. Damit haben offenbar auch die oft etwas ratlos wirkenden Piraten eine geeignete Stelle gefunden, um in diesem Theaterstück eine tragende Rolle zu übernehmen. Verwunderlich freilich, machen die Nerds doch sonst vor allem mit Forderungen nach Transparenz und freiem Datenverkehr von sich Reden. Und so beeilte sich die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der NRW-Piraten, Simone Brand, kundzutun, dass sich die Piratenfraktion NRW von der Strafanzeige distanziert. "Aber trotzdem müssen wir uns selbst und der Öffentlichkeit immer wieder klar machen, wofür die Piraten stehen: Meinungsvielfalt!" Eine besonders euphemistische Ausdrucksweise für den Umstand, dass die Piraten oft den Eindruck erwecken, zu vielen Themen schlicht keine ausgegorene Meinung zu haben.

Beim Ehegattensplitting hingegen sind sie sich einig: Abschaffen! Eine Meinung, mit der die Piraten allerdings bei weitem nicht alleine dastehen. Anlass für die diesbezügliche Debatte, die bei den ohnehin schon hohen Temperaturen auch noch zu verkraften war, waren zwei kurz aufeinanderfolgende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Die RichterInnen in den roten Roben stellten nämlich abermals die verfassungswidrige Ungleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerschaften fest - einmal im Beamtenrecht und dann noch bei der Grunderwerbsteuer. Mit diesen Entscheidungen und ihren Begründungen verdichtet sich immer mehr die Wahrscheinlichkeit, dass Karlsruhe in der 2013 erwarteten Entscheidung zur Frage der einkommensteuerlichen Gleichstellung ebenfalls in diese Richtung entscheidet.


Ehegattensplitting: 33 Milliarden Euro zur Umfairteilung?

Sogleich formierte sich innerhalb der CDU ein Abgeordneten-Grüppchen, das sich mit Unterstützung der Fraktion für eine Reform zugunsten der homosexuellen Lebenspartnerschaften einsetzt. Welt-Online sprach gar von einem Paradigmenwechsel in der Union. Prominente CDU-PolitikerInnen wie etwa Bundesfamilienministerin Schröder machen sich plötzlich für eine Gleichstellung stark - was wie eine Flucht nach vorne anmutet, nachdem man sich doch gegen eine Reform bislang beharrlich verwahrte. Das geht dem konservativen Flügel der Union natürlich entschieden zu weit. Ungeachtet der Tatsache, dass die Zusammenveranlagung einkommensteuerrechtlich gar nicht an das Vorhandensein von Kindern anknüpft, poltern die konservativen Geister – vor allem in der bayerischen CSU - dass die rechtlich verbindlichen Lebensgemeinschaften lesbischer und schwuler Paare nicht steuerbegünstigungswürdig seien, weil sie keine Kinder hervorbringen können. "Das wollen die auch gar nicht, sonst wären sie ja nicht in einer lesbischen oder schwulen Lebensgemeinschaft", so die bizarre Äußerung von Norbert Geis (CSU) wörtlich im Interview mit dem Deutschlandfunk.

Die Gegner des in ihren Augen antiquierten Steuerprivilegs nutzten unterdessen die Gelegenheit, sich für seine Abschaffung insgesamt zu ereifern. Immerhin geht es um rund 33 Milliarden Euro jährlich, die umfairteilt werden könnten.


Mit kollegialen Grüßen...

Der Koalitionsparter FDP nutzte die Debatte freilich, um die eigene längst versäumte Durchsetzungskraft in dieser Frage freizusetzen. Dass die Liberalen, die die steuerliche Gleichstellung eigentlich schon lange vertreten, jedoch noch im Juni einem Gesetzentwurf zur Öffnung der Ehe für Homosexuelle ihre Zustimmung verweigerten, sich jetzt von der CDU das Thema aus der Hand nehmen lassen müssen, wäre besonders blamabel. Mit einem eindringlichen Brief wandte sich Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), er möge doch endlich ein Einsehen haben. Doch dazu konnte es vorerst nicht kommen, da Kanzlerin Angela Merkel mit exzellentem Gespür für Timing in diesem Moment aus der Sommerpause zurück auf die politische Bühne kehrte und natürlich sofort wusste, was bei solcher Unruhe zu tun ist: Erstmal gar nichts, nur keine übereilten Entscheidungen treffen. Lieber Aussitzen und "Warten auf Godot", pardon: Karlsruhe.

Und dann war da noch die Mehrheitseigentümerin Friede Springer, die am vergangenen Mittwoch ihren 70. Geburtstag feierte - unter den rund 200 Gästen auch Angela Merkel und weitere prominente Politiker. Bereits am Dienstag hatte die Jubilarin ein Aktienpaket im Wert von über 70 Millionen Euro umverteilt: Per Geschenk an den Springer-Konzern-Chef Matthias Döpfner. Dieser Vorgang wurde allerdings erst am Freitag bekannt gegeben - wohl um die Feierlichkeiten nicht zu stören. Die zu fairteilende Schenkungsteuer könnte jedoch vergleichsweise dürftig ausfallen, sollte die Verschonungsregel für Betriebsvermögen greifen.

Die großzügige Verlegerin selbst freilich hatte - laut SZ-Online - ihre Gäste vor ihrem Geburtstag gebeten, von Geschenken abzusehen und stattdessen lieber für die von ihrem Mann gegründete Bild-Hilfsorganisation "Ein Herz für Kinder" zu spenden...

Mit alledem stehn" wir nun hier und sehn" betroffen: Der sommerliche Vorhang fällt und alle Fragen offen!

Hinweis: Beachten Sie bitte das Datum dieses Artikels. Er stammt vom 22.08.2012, sodass die Inhalte ggf. nicht mehr dem aktuellsten (Rechts-) Stand entsprechen.